Название | Eine Prise Magie (Bd. 1) |
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Автор произведения | Michelle Harrison |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961775446 |
Granny nickte. »Der Unterschied ist: Egal, wie sehr du deine Augen anstrengst, sehen kannst du die Vögel nicht. Die Geräusche existieren nur in deinem Kopf.«
Aus dem Augenwinkel sah Betty, wie Fliss schauderte.
»Dann wird es immer lauter«, fuhr Granny fort und starrte in die Ferne, als würde sie sich erinnern. »Während der Lärm anschwillt, wird dein Körper kalt und noch kälter. Und auch wenn deine Haut sich wie Eis anfühlt, ist das Letzte, was du vor dem Ende spürst, ein kalter Kuss.«
Betty bekam eine Gänsehaut. »Wie kannst du das denn … wissen?«
Grannys Lippen bebten, und ihre Hand tastete nach dem leeren Whiskyglas. »Weil ich es bei Clarissa, der Cousine deines Vaters, gesehen habe«, sagte sie schließlich. »Ich war dabei.«
»Wusste sie denn von dem Fluch?«, fragte Betty. »Oder war es ein Versehen?«
Grannys Finger umklammerten das Glas und sanken dann wie leblos auf die Tischplatte. »Ja, sie wusste davon. Sie dachte, sie könnte den Fluch aufheben. Sie hatte von einem Ort gehört, wo man der Legende nach Wünsche aussprechen kann. Die Hufeisen-Bucht auf der anderen Seite der Marsch. Sie dachte, ein Wunsch dort könnte uns alle von dem Fluch befreien, aber es funktionierte nicht. Was auch immer für ein Zauber in dieser Bucht existiert – wenn da überhaupt einer ist –, er ist nicht stark genug, um den Fluch der Widdershins aufzuheben. Und als sie zurückkam, wusste sie schon, dass sie gescheitert war. Die Krähen krächzten in ihrem Kopf, ihre Haut war wie Eis. Wir konnten sie überhaupt nicht wärmen …«
»Sie kam zurück nach Krähenstein?«, fragte Betty. »Aber hätte das den Fluch nicht stoppen müssen, wenn sie vor Sonnenuntergang zurückkam?«
»Nichts kann ihn stoppen«, murmelte Granny mit glasigem Blick. Sie hakte ihre Daumen ineinander und fächelte ihre Finger wie Vogelschwingen über ihrem Herzen – das Zeichen der Krähe.
»Erzähl ihnen von den Steinen«, sagte Fliss. Sie sah blass und beinahe wächsern aus.
»Steine?«, hakte Betty nach.
»Jedes Mal, wenn der Fluch ausgelöst wird, fällt ein Stein aus der Turmmauer«, sagte Granny mit ungewöhnlich leiser Stimme.
»Du meinst aus dem Krähensteinturm …? Beim Gefängnis?«
Granny nickte.
»Aber was hat das Gefängnis mit dem Fluch zu tun?«, fragte Betty. Das Bild der frierenden, sterbenden Clarissa ging ihr nicht mehr aus dem Kopf, und das aschfahle Gesicht ihrer Schwester trug nicht gerade zur Beruhigung bei. Wie mutig war es gewesen, auch nur zu versuchen, den Fluch zu brechen, und dabei alles zu riskieren! Clarissa musste sich genauso sehr gewünscht haben zu fliehen wie Betty, und sie musste geglaubt haben, dass es einen Weg gab … auch wenn sie gescheitert war.
Granny zuckte die Achseln. »Der Turm ist uralt, älter als der Rest des Gefängnisses. Was seine Verbindung mit dem Fluch anbelangt, nun … da gibt es Geschichten. Aber keine, die uns verrät, wie man den Fluch brechen kann.«
Betty schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und versuchte, nicht zu weinen. Tränen würden die Probleme nicht lösen, aber das schien ihre feuchten Augen nicht zu kümmern. Vor heute Abend hatte sie noch davon träumen können, Krähenstein zu verlassen und ein anderes Leben zu leben. Sie hatte nicht geahnt, dass ihr Gefangensein hier noch mit etwas anderem zu tun hatte als mit Grannys Überbehütung; dass wegzugehen wirklich unmöglich war. Sie konnte verstehen, warum Fliss aufgegeben hatte, aber Betty konnte es nicht akzeptieren. Noch nicht. »Es muss doch einen Weg geben, den Fluch zu brechen. Es muss einfach …«
Granny stieß ein hohles Lachen aus. »Tja, das sagen alle. Glaubst du, Mädchen wie du haben nicht seit Generationen denselben Gedanken? Natürlich haben sie das. Clarissa war so entschlossen wie alle anderen! Alles, was du dir vorstellen kannst, ist versucht worden, vom Heiraten, um den Namen Widdershins loszuwerden, bis zu der Idee, etwas aus Krähenstein mitzunehmen oder etwas von sich selbst in Krähenstein zurückzulassen. Nichts hat funktioniert. Jetzt wisst ihr also, warum ich nicht zulassen kann, dass einer von euch das zustößt.« Sie griff unvermittelt nach Bettys Hand und riss sie aus ihren Gedanken. »Bitte, Betty.« Ihre durchdringenden alten Augen wirkten ruhelos. »Ich flehe dich an … versuch es nicht. Ich könnte das nicht noch mal ertragen, nicht mit einer von euch. Das würde ich nicht überleben.«
Betty hatte das Gefühl, als würde sich ihr Herz zusammenziehen. Das letzte Mal, dass sie Granny so verletzlich gesehen hatte, war an dem Tag gewesen, als man ihren Vater abgeführt hatte. Es war leicht, so zu tun, als würde es diese Seite in ihr nicht geben, wenn sie so gut verborgen war.
»Und Vater weiß also von dem Fluch«, stellte Betty fest.
»Ja, wie ich vorhin schon sagte«, meinte Granny mit düsterer Stimme. »Bei so einer Sache … muss die ganze Familie Bescheid wissen, sonst wäre das zu gefährlich. Ich frage mich oft, ob es neben dem Tod eurer Mutter auch Schuldgefühle waren, die ihn auf die schiefe Bahn gebracht haben.«
»Schuldgefühle?«, fragte Fliss. »Du meinst … weil er den Fluch an uns weitergereicht hat?«
Granny nickte. »Er hasst die Ungerechtigkeit dieses Fluchs, durch den keine Widdershins-Frau Krähenstein je verlassen kann. Und doch hat er durch seine eigene Torheit dafür gesorgt, dass er jetzt genauso gefangen ist wie wir.«
»Und Mutter?«, fragte Betty. »War es wirklich ein Unfall, wie du gesagt hast, oder war … war es der Fluch?«
Charlie war gerade erst geboren worden, aber Fliss und Betty erinnerten sich beide an den Morgen, an dem Granny ihnen die Nachricht überbracht hatte, dass ihre Mutter tot war. Granny und Vater waren beide krank gewesen, wobei es Vater besonders schlimm erwischt hatte. Ihre Mutter war in der Nacht losgelaufen, um einen Arzt zu holen. Ein dichter Nebel hatte über der Insel gelegen, und so war sie vom Weg abgekommen, auf einen dünn zugefrorenen Teich geraten und im Eis eingebrochen.
»Nein, da habe ich euch die Wahrheit gesagt.« Granny rieb sich ihre rote Nase. »Ich weiß nicht, ob ihr euch dadurch besser oder schlechter fühlen werdet, aber bei eurer Mutter war es nicht der Fluch. Es war einfach Pech.«
Pech: der unerwünschte Gast, den Granny immer versuchte, mit all ihren Glücksbringern abzuwehren. Doch es nützte alles nichts. Ihre Eltern waren fort. Die Gaststätte brachte nicht mal genug ein, um die Schulden zu tilgen. Fliss hatte ständig einen neuen Freund, und alle Reisepläne, die Betty jemals geschmiedet hatte, waren kläglich gescheitert. Selbst Charlie bekam laufend Läuse. Ja, dachte Betty. Man konnte wohl sagen, dass sie nicht gerade in Fortunas Gunst standen. Vielmehr schien die Glücksgöttin die Straßenseite zu wechseln, wenn sie die Widdershins kommen sah.
Sie wurden von ordinärem Gejohle unterbrochen, begleitet von einem rhythmischen Poltern aus dem Untergeschoss. Einen Augenblick später hörte man, wie eine Tür aufgerissen wurde. »Bier! Bier! Bier!«, grölte es von unten, gefolgt von einer kreischenden Gladys am Fuße der Treppe: »Bunny! Wenn mir hier nicht sofort jemand hilft, bin ich weg!«
»Sie hauen mit den Fäusten auf den Tresen, diese Rüpel!«, rief Granny erbost. Sie sprang mit neuer Energie von ihrem Stuhl auf, dass ihre Kniegelenke knackten. »Jetzt fang dich mal wieder, Fliss«, sagte sie. »Und dann komm mit runter. Wir sind schon viel zu lange weg.« Sie ging aus der Küche, und einen Moment später brandete der Lärm unten noch einmal auf, als Granny durch die Tür in die Bar platzte. Kurz schien der Bann gebrochen zu sein, der über der Küche gelegen hatte, und alles fühlte sich fast schon wieder normal an.
Normal? Wie konnte da unten das Leben weitergehen wie immer, wenn sich für Betty doch alles verändert hatte? Die ganze Zeit hatte sie geglaubt, sie hätte ihr Schicksal selbst in der Hand, aber wenn das, was Granny erzählt hatte, die Wahrheit war, dann war das hier ihr einziges Schicksal. Eines, aus dem es kein Entkommen gab.
Betty warf einen Blick zu ihren Schwestern. Charlie, der es vor Entsetzen die Sprache