Work-Life-Balance. Uta Kirschten

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Название Work-Life-Balance
Автор произведения Uta Kirschten
Жанр Зарубежная деловая литература
Серия
Издательство Зарубежная деловая литература
Год выпуска 0
isbn 9783739801988



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und somit ausreichend Zeit für ihre Familie zu haben. Dabei ist auch heute noch die zeitliche Abstimmung zwischen den Arbeitszeiten der Berufstätigkeit von Eltern und beispielsweise den Öffnungszeiten von Kindertagesstätten, Schule und Hort ein weit verbreiteter zeitlicher Konfliktbereich.

      Die zeitliche Balance kann sich aber auch auf verschiedene Zeiträume beziehen: Kurzfristig z.B. auf einen Tag oder eine Woche; längerfristig auf die Gestaltung verschiedener Lebensphasen (z.B. Berufsausbildung, Eintritt in den Beruf, Familiengründung, Karriere, längere Auszeiten vom Beruf, Austritt aus dem Berufsleben), die jeweils unterschiedliche Prioritäten hinsichtlich der Ausgeglichenheit zwischen Arbeits- und Privatleben haben können.

      Balance in örtlicher HinsichtBalanceörtlich: Die örtliche Ausgeglichenheit betrifft die Vereinbarkeit der Anforderungen und individuellen Wünsche zwischen dem Arbeitsort und Arbeitsplatz der Erwerbstätigkeit und den privaten Örtlichkeiten. Mögliche örtliche Konflikte entstehen beispielsweise durch die erforderliche Anwesenheit an einem bestimmten beruflichen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber und der erforderlichen Betreuung z.B. kranker Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger an einem anderen Ort. Viele Menschen wünschen sich mittlerweile jedoch auch eine höhere Flexibilität bei der Wahl ihres Arbeitsortes und Arbeitsplatzes. Mögliche Gründe hierfür bestehen u.a. in der Vermeidung langer Arbeitswege zum Arbeitsplatz beim Arbeitgeber, in der besseren Vereinbarkeit beruflicher und privater Anforderungen sowie in dem individuellen Wunsch nach örtlicher Ungebundenheit auch während der Berufstätigkeit. So gewinnen Konzepte des mobilen Arbeitens zunehmend an Bedeutung und Verbreitung in der Praxis. Die seit dem Jahr 2020 die Welt beherrschende Coronavirus-Pandemie hat u.a. zu einer deutlichen Ausweitung der Arbeit im Homeoffice geführt, um Ansteckungen mit dem Coronavirus durch persönliche Kontaktbeschränkungen zu reduzieren. Standen vor der Coronavirus-Pandemie viele Arbeitgeber einer Arbeit im Homeoffice kritisch gegenüber, so haben die zahlreichen positiven Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice im letzten Jahr dazu geführt, dass sich eine Mehrheit der Arbeitgeber auch zukünftig vorstellen kann, ihren Mitarbeitenden eine ausgedehntere Arbeit im Homeoffice anzubieten. Allerdings hat die Arbeit im Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie auch gezeigt, dass vor allem diejenigen, die Kinder oder pflegebedürftige Personen im eigenen Haushalt betreuen müssen, teilweise stark mehrfach belastet und oft auch überlastet waren. So bedarf auch die Arbeit im Homeoffice (ebenso wie die mobile Arbeit) einer sorgfältigen Organisation der Festlegung bestimmter Arbeits- und Freizeiten.

      Balance in inhaltlicher HinsichtBalanceinhaltlich: Die inhaltliche Ausgeglichenheit bezieht sich auf die inhaltlichen Ansprüche, die jeweils an die beiden Lebensbereiche gestellt werden. Diese müssen jedoch nicht gleichgewichtig sein, sondern können auch ganz unterschiedliche Ausprägungen haben. So reduziert eine Person den inhaltlichen Anspruch ihrer Erwerbstätigkeit lediglich auf den Zweck, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne große inhaltliche Ansprüche an die Arbeitsaufgaben zu stellen oder besondere karriereorientierte Erwartungen in ihrer Erwerbsarbeit zu haben. Demgegenüber stellt die gleiche Person sehr hohe inhaltliche Erwartungen an die Gestaltung ihres Privatlebens, beispielsweise hinsichtlich kultureller oder sozialer Aktivitäten. Bei anderen Personen kann eine inhaltliche Ausgeglichenheit genau entgegen gesetzte Schwerpunkte aufweisen oder auch ähnliche Schwerpunkte zwischen Berufsleben und Privatleben haben.

      Wesentliche KritikBalanceKritikpunkte am Begriff und der Symbolik der Balance werden im Folgenden zusammengefasst:

      1 Problematisch ist die Gegenüberstellung und damit der gegenseitige Ausschluss der beiden Lebensbereiche (Erwerbs-)Arbeit und Privatleben. Damit wird unterstellt, dass die Erwerbsarbeit eher der zur Existenzsicherung notwendige Lebensbereich ist, dessen Belastungen durch das individuell sinnstiftende Privatleben ausgeglichen werden soll oder muss. Unberücksichtigt bleiben hierbei die individuellen Prioritäten, die ein erfülltes Leben im Sinne einer „Work-Life-Balance“ durchaus in der zeitlich, räumlich und inhaltlich dominierenden Verwirklichung einer beruflichen Karriere sehen können. Aber auch der umgekehrte Fall, dass die Erwerbsarbeit eine inhaltliche Bereicherung und ein Ausgleich für ein ansonsten stark dominierendes Familien- oder Privatleben darstellen kann, bleibt hier unbeachtet.

      2 Der Begriff der Balance suggeriert ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Lebensbereichen, das es für die individuelle Zufriedenheit gar nicht geben muss. So kann auch eine „ausgeprägte Schieflage“ der beiden Lebensbereiche das persönliche Optimum darstellen. Ausgeglichenheit sollte daher so interpretiert werden, dass es um Möglichkeiten geht, die individuell wünschenswerte Verteilung zwischen den verschiedenen Lebensbereichen zu erreichen.

      3 Mehrfache Balance ist notwendig: Bei der hier verfolgten differenzierteren Betrachtung der verschiedenen Lebensbereiche („Work“: erwerbs- und nicht-erwerbsorientierte Arbeitsbereiche) und „Life“ (verschiedene private Lebensbereiche je nach individueller Ausprägung) wird eine mehrfache Balance zwischen den individuell unterschiedlich ausgeprägten Lebensbereichen notwendig. Dies erhöht die Komplexität und Schwierigkeit der Ausgeglichenheit einer Person erheblich und stellt weitreichendere Anforderungen an die Möglichkeiten und Mechanismen zur Erreichung einer individuellen Ausgeglichenheit.

      4 Einen weiteren Kritikpunkt bildet die enge Begriffsfassung von Arbeit, die nur die Erwerbsarbeit berücksichtigt und weitere private und familiäre Arbeitsbereiche außer Acht lässt, die jedoch häufig verantwortlich sind für eine mangelnde Ausgeglichenheit oder auch unzureichende Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 21).

      Die wesentlichen Kritikpunkte am Begriff der Work-Life-Balance werden in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefasst.

Wesentliche Kritikpunkt am Begriff der Work-Life-Balance
Mit der Gegenüberstellung von Arbeit und Leben wird die Arbeit aus dem Leben ausgeschlossen (vgl. Frone 2003, S. 144; Resch/Bamberg 2005, S. 171; Ulich/Wülser 2005, S. 126) Unter „Arbeit“ wird vor allem die Erwerbstätigkeit verstanden, wohingegen andere Formen von Arbeit unberücksichtigt bleiben (vgl. Eby 2005, S. 126) Der Gegensatz von Erwerbstätigkeit und Privatleben suggeriert, dass die Belastungen des Erwerbslebens durch das Privatleben ausgeglichen werden müssen. Doch auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Die Bedeutung der Balance ist mehrdeutig und damit erklärungsbedürftig (vgl. Guest 2001).

      1.2.4 Definition des Begriffs Work-Life-Balance

      In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen des Begriffs Work-Life-BalanceBegriffs Work-Life-BalanceDefinition, die auch die Entwicklung des Konzeptes und verschiedene Herangehensweisen und Schwerpunkte verdeutlichen.

      Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend versteht unter dem Begriff der Work-Life-Balance folgendes:

       „Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt. Betriebliche Work-Life-Balance-Maßnahmen zielen darauf ab, erfolgreiche Berufsbiografien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen“ (BMFSFJ 2005a, S. 4)

      Schmoldt hebt in seiner Definition das Streben der Menschen nach einem sinnerfüllten Leben hervor:

       „Wenn Menschen eine Balance zwischen dem Arbeitsleben und dem Leben außerhalb der Arbeitswelt anstreben, sei es in der Familie, in einer partnerschaftlichen Beziehung oder für politisches, soziales oder kulturelles Engagement, so geht es ihnen um ein sinnvolles Leben, das nicht alleine durch die Arbeit erfüllt wird.“ (Schmoldt 2004, S. 113).

      Michalk und Nieder (2007) fassen den Begriff der Work-Life-Balance noch weiter und betrachten ihn ganzheitlich:

       „Work-Life-Balance heißt: den Menschen ganzheitlich zu betrachten (als Rollen- und Funktionsträger) im beruflichen und privaten Bereich (der Lebens- und Arbeitswelt) und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und individuell für beide Bereiche die