Ich zähle jetzt bis drei. Egon Christian Leitner

Читать онлайн.
Название Ich zähle jetzt bis drei
Автор произведения Egon Christian Leitner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783990471173



Скачать книгу

hat er sich gemacht. Zum Frühstück. Dem Buben auch. Aber zusammengebracht hat er’s, das ist wichtig, sagt der Therapeut zu mir, und dass jedes Kind ein Recht auf seine Eltern habe und die Eltern haben ein Recht auf ihre Kinder und die eigene Familie sei ein Menschenrecht. Hat mir heut eh erklärt, woher er weiß, was das Kind will. Aber ich hab’s wirklich wieder vergessen. War alles sehr viel auf einmal heut. Natürlich weiß er, glaub ich, es auch von sich selber her, weil er ja seinem Vater immer helfen wollte und dass sie eine Familie sind mit der Mutter. Vergeblich eben als Kind war das. Von Kind zu Kind weiß er es! Der Bub ist immer so laut, dreht auf, durch, hat der Therapeut zu mir gesagt, alle in der Praxis nerve das inzwischen. Aber den Therapeuten eben nicht. So, jetzt weiß ich es wieder. Dem Papa helfen! Das hat der Bub gesagt. Selber. So einfach ist das. Und ich vergesse das einfach. Wie gibt’s das? Dem Papa helfen! Und jedes Mal eben, wenn das dann eben wirklich geschieht, wird der Bub sich beruhigen. So sieht der Therapeut das. Beide muss er beruhigen. Stillen eben. Habe auch vergessen, ob die Mutter auf und davon ist oder gestorben. Irgendetwas Schlimmes war gewesen. Ein Scheißblutkrebs in der Gosse. Das war’s. Der Therapeut hat dann gesagt, die Kinder, mit denen er zu tun habe, seien immer irgendwie im Krieg. Immer haben die Krieg. Von uns da hier Kinder sind das. So wachsen die auf hier. Raus da, schnell! Zu mir her! Weiter jetzt! – so ist der Therapeut daher beschaffen. Der ist wirklich so. Eben weil Krieg ist. So schnell wie möglich so sicher wie möglich, so hat der’s in der Ausbildung gelernt und so tut er das, weil eben nur das richtig ist, weil eben Krieg ist.

       Tag, Monat, Jahr

      Kein einziger Witz gelingt mir. Alle so gut gelaunt und ich bring keinen einzigen Witz an. Einer sagt wenigstens, was ich sage, ist lächerlich. Immerhin was!

       Tag, Monat, Jahr

      Eine Frau sagt, ihr Name habe ihr in ihrer Heimat nie gefallen, aber hier jetzt werde er irrtümlich so oft anders, eben falsch, ausgesprochen, aber dadurch gefalle er ihr viel besser und komme ihr ihr Name viel schöner vor.

       Tag, Monat, Jahr

      Warum gibt es in der Schule kein Unterrichtsfach, das Helfen heißt, und warum im Fernsehen kein Friedensprogramm? In der Schule ein Lernfach, das Helfen heißt, und im Fernsehen ein paar Stunden pro Woche ein Friedensprogramm! Auf jedem Sender die Analysen, was man wo tun kann, und in jeder Schule Helfen als Pflichtfach für da hier.

       Tag, Monat, Jahr

      Es heißt, bald werde man das ganze Gesicht transplantieren können. Ganze Gesichter. Das wird seltsam werden.

       Tag, Monat, Jahr

      Die runden Sandkörner hat der Wind gebracht, die eckigen das Wasser.

       Tag, Monat, Jahr

      Die erste Erwähnung des Namens Araber, im 9. Jahrhundert vor Christus, da kämpfen diese gemeinsam mit dem Volk von Israel gegen irgendwen und stellen dabei 1.000 Kamelreiter. Die Syrer sind auch mit von der Partie und auf derselben Seite wie das Volk von Israel. Und eine moslemische Frau wollte das Paradies in Schutt und Asche legen und hingegen die Hölle – die wollte sie mit Wasser vollschütten zum Löschen, damit die Menschen nichts hoffen und nichts fürchten. Nur einzig um Schönheit und die Liebe dürfe es fürderhin gehen im Leben und Empfinden der Menschen. Die Frau war dann für die Moslems zwischendurch sehr wichtig. Wirklich! Für den Frieden. Wirklich wahr!

       Tag, Monat, Jahr

      Eine Frau, die ich nicht kenne, sagt zu mir plötzlich am Ende der Vorstellungspause, sie habe sich jetzt schnell noch etwas zu essen holen wollen und das gehe jetzt aber nicht mehr und dass sie Hunger habe. Ich stehe sofort auf und will ihr etwas holen, aber sie sagt, nein, jetzt gehe es nicht mehr, denn ich würde den Künstler und das Publikum stören und den Techniker, der müsse sich hier sehr konzentrieren. Am Ende der Darbietung dann hole ich der Frau sofort etwas schnell vom Buffet und sie erschrickt aber, als sie das Essen sieht, das ich gebracht habe, und sagt aber, dass das sehr nett sei von mir. Sie müsse jetzt aber schnell ganz kurz an die frische Luft gehen, weil sie jetzt ja so lange gesessen sei. Ich stehe mit dem Essen da und warte, dass die Frau wiederkommt. Ihre Bekannte kommt zu mir und sagt, dass die Frau jetzt gewiss erbrechen geht, damit sie das da essen könne. Ich erschrecke und schäme mich. Es sind ja nur vier kleine Stückchen auf dem Teller und ich wollte niemandem Stress machen, hatte auch gar nicht mitbekommen, wie mager die Frau ist. Nur Haut und Knochen, würden die meisten sagen. Hab es aber einfach nicht gemerkt. Für normal gehalten. Sie ist sehr klein, doch sie macht eben, finde ich, einen sehr kräftigen Eindruck, robusten, ist auch sehr resolut. Und als sie zurückkommt aus dem Freien, bin ich natürlich noch immer da und daher unausweichlich. Sie bedankt sich freundlich, nimmt den Teller und ich gehe dann gleich und dann sehe ich aus einiger Entfernung, dass sie zögert, das Essen hochhebt, anschaut, kurz isst, kostet eben, und wieder zögert und es wieder anschaut. Habe ihr nichts Gutes getan. Jedes Wort habe ich ihr aber geglaubt. Und sie sagte ja eben, sie würde gerne etwas essen. So begannen dann die wahrscheinlich wirklich beträchtlichen Schwierigkeiten für sie. In die habe ich sie gebracht. Glaube aber wirklich, die Frau wollte wirklich essen. Sie wollte auch wirklich dazugehören zu denen. Sich zum Beispiel anstellen wie alle anderen auch. Und tratschen dabei mit denen. Manchmal dreht sie die Dinge um, ist mir dann heute erzählt worden von einer Kollegin von ihr. Sie, sie will dann behilflich und mitfühlend sein. Tut dann so, als ob die Leute etwas von ihr brauchen. Und da behandelt sie die Leute dann aber angeblich sehr von oben herab. Seltsam ist das alles und ich habe plötzlich gewaltige Angst um die Frau. Die ist gewiss schnell in Gefahr. Sie hat sich beim Gehen nochmals bedankt bei mir. Ohne Häme, kommt mir vor, sondern sehr freundlich und herzlich war sie und gelächelt hat sie und mir die Hand geben wollen und sie lang und fest geschüttelt. Die Frau ist wirklich ein Energiebündel. Aber was will sie? Ich glaube nicht, dass die Menschen essen will. Sie will anderen Menschen behilflich sein und indem sie anderen helfen kann, kann sie sich selber helfen. So macht die das, glaube ich.

       Tag, Monat, Jahr

      Sie packten ihn, spalteten ihm den Körper, nahmen sein Herz heraus, öffneten es, entfernten aus diesem einen schwarzen Klumpen, warfen den weg; dann wuschen sie das Herz und den Körper mit Schnee, bis sie ihn ganz gereinigt hatten. Als er ein Kind gewesen ist und zusammen mit einem anderen Jungen gestillt worden, ist ihm das so geschehen. Da waren plötzlich zwei Männer mit weißen Gewändern und mit einem Gefäß aus Gold, das mit Schnee gefüllt gewesen war, zu den beiden gekommen und taten das alles dann mit dem Kind. Mohamed! Und als er ein Mann war, kam er auf den Knien zu seiner Frau gekrochen, bat sie zitternd, dass sie ihn umhülle. Verzweifelt war er, wollte sich umbringen. Und ob man ihn aus seiner Heimat vertreiben werde, fragte er. Werden sie mich vertreiben? – Ja. Wer kann gegen so jemanden gewinnen, frage ich mich. Gegen solche Seelenzustände! Das Herausnehmen des Kinderherzens, die völlige Ausgeliefertheit und Verzweiflung, das Vertriebenwerden, die Todesangst. Das alles ertragen haben! Und die Gläubigen folgen ihm, der er für sie ja vollkommen und edel ist. Alles ertragen und alle besiegt hat. Wie können die Europäer, Amis, Russen und Chinesen glauben, gegen so beschaffene, in solchen seelischen Zuständen befindliche Menschen je wirklich gewinnen zu können. Es ist unmöglich! Solche Menschen haben den Tod Tausende Male hinter sich. So jemanden kann man nicht umbringen. Menschen absoluter Entschlossenheit. Dagegen gewinnt keine Macht der Welt. Hier bin ich, o Gott, hier bin ich, betet der Pilger in seinem weißen Leinengewand, bevor er den heiligen Bezirk betritt. So steht er vor Gott. Wer kann gegen so jemanden gewinnen? Niemand kann das. Der steht so vor seinem Gott! Alles andere ist dem egal.

       Tag, Monat, Jahr

      Einer sagt, das Blut eines Mannes sei eigentlich Meerwasser wie auch seine Tränen und sein Same seien Algen. Und seine Knochen Korallen. Wenn der nicht bald aufhört zu reden, komme ich mir vor wie der weiße Hai. Hört nicht auf. Also ruf ich’s raus. Der sagt daraufhin, dass vor 500, 600 Millionen Jahren die Erde ein Paradies gewesen ist. Das Zeitalter ist daher als Eden benannt worden von den dafür Zuständigen. In Südaustralien hat man die Überreste von damals gefunden. Ohne Raubtiere war das Ganze. Die Wesen damals waren scheibenartig und wie aufgeblasene Luftmatratzen. In Eden haben die Lebewesen mittels ihrer Haut gegessen und verdaut. Fühle mich in der Folge wie eine Luftmatratze