Название | Weisheit und Mitgefühl in der Psychotherapie |
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Автор произведения | Christopher Germer |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867812313 |
Aufwärtsspiralen begegnen Abwärtsspiralen
Weil positive wie negative Emotionen die Aufmerksamkeit, das Denken, die Motivation und das Verhalten verändern, lösen sie auch Dynamiken – oder Spiralen – aus, die Menschen herunterziehen oder erheben können. Um dies zu illustrieren: Die negativen Emotionen wie Wut, Stress oder Traurigkeit verengen die Aufmerksamkeit und verstärken Bewertungsmuster, die mit der Emotion konsistent sind (z. B. Vorwürfe, Drohung oder Verlust), die dann weitere Schübe von Wut, Stress oder Traurigkeit mit der damit einhergehenden sozialen Reibung oder Isolation initiieren. Diese Zyklen perpetuieren sich und rufen die Abwärtsspiralen hervor, die Therapeuten allzu vertraut sind.
Die Broaden-and-build-Theorie ist der Auffassung, dass positive Emotionen Dynamiken einer Aufwärtsspirale hervorrufen, die denen der Abwärtsspirale entgegengesetzt sind. Die erweiterte Bewusstheit, die positive Emotionen begleitet, macht es dann möglich, von Stress auslösenden Bedingungen zurückzutreten oder zu „dezentrieren“, und sie in einem positiven Licht zu bewerten, was dann weitere Erfahrungen positiver Emotionen zur Folge haben kann. Die Wirkung dieser Aufwärtsspirale sind Resilienz und Wohlbefinden und mehr Möglichkeiten für soziale Verbundenheit. Eine Reihe prospektiver Studien haben jetzt diese Dynamik von Aufwärtsspiralen kommentiert (Burns et al., 2008; Cohn, Fredrickson, Brown, Mikels & Conway, 2009; Fredrickson & Joiner, 2002; Kok & Fredrickson, 2010), und meine Mitarbeiter und ich haben kürzlich beschrieben, wie Aufwärtsspiralen auf eine Weise Neuroplastizität antreiben könnten, die in der Psychotherapie produktiv angewendet werden kann (Garland et al., 2010).
Therapeutische Anwendungen
der Broaden-and-build-Theorie
Die Broaden-and-build-Theorie entstand, um zu erklären, wie positive Emotionen durch die Kräfte natürlicher Auslese geformt wurden. Das Entscheidende ist, dass diese flüchtigen angenehmen Zustände mit der Zeit und durch wiederholte Erfahrungen die Ressourcen unserer Vorfahren zum Überleben vermehrt haben. Obwohl die Theorie primär bei gesunden Populationen mit typischen Lebensstressoren getestet wurde, wurden in jüngerer Zeit therapeutische Interventionen auf der Grundlage dieser Theorie wissenschaftlich untersucht und bei einer Reihe psychischer Störungen angewendet, die durch emotionale Dysfunktionen und Defizite charakterisiert sind, wie Depression, Angst und Schizophrenie (ein Überblick in Garland et al., 2010). Zum Beispiel hat ein Pilottest vielversprechende Ergebnisse ergeben, bei dem die Meditation Liebender Güte verwendet wurde, um häufiger selbst hervorgerufene positive Emotionen als ein Mittel zu erschließen, negative Symptome von Schizophrenie zu behandeln, darunter Anhedonie, Antriebslosigkeit, Asozialität, Sprachverarmung und abgestumpfte Affekte (Johnson et al., 2011; siehe auch Johnson et al., 2009). In ähnlicher Weise lassen erste Belege die Schlussfolgerung zu, dass Depression und Angststörungen erfolgreich mit Adaptationen der Kognitiven Verhaltenstherapie behandelt werden können, die entweder durch innere Bilder (Rudd, Joiner & Rajab, 2001; Tarrier, 2010) oder positive Umwertung (Garland, Gaylor & Park, 2009) positive Emotionen gezielter kultivieren. Im Lichte dieser vielversprechenden frühen Ergebnisse wäre es besonders interessant, zu erforschen, ob positive Zustände von Mitgefühl und Weisheit als Wirkungsmechanismen therapeutischer Anwendungen betrachtet werden könnten.
Mitgefühl und Weisheit durch die Sicht
der Broaden-and-build-Theorie
Dass sogar kurzlebige positive Emotionen und innere Zustände dynamische Aufwärtsspiralen auslösen können, die persönliches Wachstum und Transformation fördern und damit letztlich die dauerhaften Züge und inneren Gewohnheiten eines Menschen umformen, ist ein Schlüsselprozess, der von der Broaden-and-build-Theorie beschrieben wird. Aus dieser Perspektive können Mitgefühl wie Weisheit sowohl als momentane vorübergehende Zustände als auch als dauerhafte Züge der Persönlichkeit gesehen werden. In den folgenden Abschnitten wird diese Sicht weiter ausgeführt.
Mitgefühl und Weisheit als Zustände
Die 10 positiven Emotionen, die ich in meiner Forschung während des zurückliegenden Jahrzehnts untersucht habe, sind Freude, Dankbarkeit, Heiterkeit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Spaß, Inspiration, Ehrfurcht und Staunen und Liebe. Mit einer Ausnahme zähle ich diese Emotionen normalerweise in der Reihenfolge ihrer relativen Häufigkeit auf und beginne mit den positiven Emotionen, die am häufigsten erlebt werden. Die Ausnahme ist Liebe. Gefühle von Liebe, Nähe oder Vertrauen scheint die positive Emotion zu sein, die Menschen am häufigsten empfinden – wenigstens die Erwachsenen, die ich getestet habe. Dies macht Sinn, wenn man bedenkt, dass die Theoretiker der Emotionen, wie vor ihnen die Dichter, Künstler und Liedermacher, Liebe als eine vielgestaltige, schillernde Erscheinung betrachtet haben (Fredrickson, 2011; Izard, 1994). Das heißt, flüchtige Zustände der Liebe bestehen eigentlich aus den anderen neun positiven Emotionen: Freude, Dankbarkeit, Heiterkeit und so weiter.
Der Kontext dieser anderen positiven Emotionen ist das, was sie als Liebe erscheinen lässt. Liebe wird im Kontext von sicheren, oft nahen Beziehungen erlebt. In den frühen Phasen einer Beziehung zum Beispiel sind Menschen, verbunden mit der anfänglichen Anziehung und an absolut allem tief interessiert, was dieser neue Mensch sagt und tut. Sie haben zusammen Spaß und lachen, oft als Folge einer Befangenheit oder Unbeholfenheit, da sie sich zum ersten Mal begegnen. Wenn sich die Beziehung entwickelt und vielleicht Erwartungen übertrifft, bringt sie große Freude mit sich. Sie beginnen, sich ihre Hoffnungen und Träume für die Zukunft mitzuteilen. Wenn die Beziehung stabiler wird, kann es sein, dass sie in die gemütliche Heiterkeit zurücksinken, die sich mit der Sicherheit erwiderter Liebe einstellt. In dieser Phase empfinden Menschen in Liebesbeziehungen oft Dankbarkeit für die Freuden, die der geliebte Mensch in ihr Leben bringt und sind ebenso stolz auf die Leistungen des anderen wie auf die eigenen. Sie sind von ihren guten Eigenschaften inspiriert und empfinden vielleicht Ehrfurcht oder Staunen angesichts der Kräfte des Universums, das sie zusammengebracht hat und zusammenhält.
Jeder dieser angenehmen momentanen Zustände könnte ebenso gut als Liebe beschrieben werden. Wenn man Liebe so sieht, schärft das auch unsere Fähigkeit, Liebe als einen vergänglichen Zustand zu sehen, der kommt und geht, und nicht einfach als eine Beschreibung einer stabilen Beziehung. In ihrer grundlegendsten Form ist Liebe die positive Emotion, die aus einer vertrauensvollen Verbundenheit mit anderen Menschen entsteht. Wenn wir uns unserer wechselseitigen Verbundenheit bewusst werden und uns an ihr erfreuen, empfinden wir Liebe. Offene Akzeptanz ist hier das Entscheidende, und sie zeigt sich in den charakteristischen nonverbalen Formen, in denen sich Liebe ausdrückt – das Suchen körperlicher Nähe, das Nicken mit dem Kopf, das Einverständnis ausdrückt. Liebe drückt sich auch in dem Drang aus, freundlich zu sein, Anteilnahme und Interesse zu zeigen. Es ist keine Liebe, wenn sie an Bedingungen geknüpft ist und sagt: „Ich liebe dich …, wenn … oder solange du …“ Bedingungen dieser Art beschreiben eine Weise, wie an einer bestimmten fixierten Sichtweise der anderen Person oder der Beziehung festgehalten wird, eine Starre, die zu der Offenheit im Widerspruch steht, die zu wahrhaft offenen und im Herzen gefühlten Momenten der Liebe gehört.
Solche offenen und akzeptierenden Zustände der Liebe sind stark mit Mitgefühl verwoben. Eigentlich kann man Mitgefühl als eine wichtige Variante von Liebe sehen: Immer wenn der andere Mensch (oder das Lebewesen), mit dem wir verbunden sind, leidet, werden Liebe und Mitgefühl zu einem einzigen Gefühl (siehe Kapitel 1). Vor dem Hintergrund der Allgegenwart von Leiden ist Mitgefühl häufig angemessen. Mehr noch, wenn wir mit Menschen, die leiden, mit Freundlichkeit, klarem Blick und offener Akzeptanz verbunden sind, fühlen wir uns auf natürliche Weise angeregt, Anteil zu nehmen, zu helfen oder zu geben. Das Gefühl selbst inspiriert uns, zu tun, was wir können, um das Leiden