Название | Handbuch der Interpersonellen Neurobiologie |
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Автор произведения | Daniel Siegel |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867813372 |
Sobald die synaptische Vernetzung des Gehirns verändert ist, werden Pfade, die im Nervensystem* als Mechanismus für den Energie- und Informationsfluss dienen, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass diese Muster fortdauern. Das ist die Verbesserung des Lernens. Das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, verändert uns: Sei es unfreiwillig, wie bei Missbrauch* oder Vernachlässigung* oder freiwillig durch das, worauf wir im Alltag oder in der Schule unsere Aufmerksamkeit richten. Auf diese Weise kann Lernen sowohl negativ als auch positiv sein. Wir Menschen werden zutiefst und dauerhaft von unseren Erfahrungen beeinflusst.
Der Energie- und Informationsfluss steuert die neuronale Aktivierung. Wenn Neuronen zusammen aktiviert sind, stärken sie ihre synaptischen Verbindungen. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass die damit verbundenen Aktivierungsmuster im Lauf der Zeit wieder erscheinen. Für einen Lehrer sind dies gute Nachrichten, denn pädagogische Erfahrungen können das Gehirn der Schüler positiv verändern – wodurch sie auf dem Weg in eine Zukunft, die wir nicht kennen, unterstützt werden. Denn wenn wir das gestern Gelernte benutzen, um heute unsere Kinder zu unterrichten, dann bereiten wir sie nicht gut auf das Morgen vor. Doch indem wir uns auf die wichtigen R’s der Pädagogik* fokussieren, durch die wir Resilienz entwickeln können – Reflexion* und Beziehungen* – kann der Unterricht das Gehirn der Schüler absichtsvoll zu Resilienz* stimulieren (vgl. SNAG*). Wir müssen uns nicht länger durch Lehrprogramme einengen lassen, die unser integratives, präfrontales neuronales Netz* nicht berücksichtigen, sondern wir können ein Programm entwickeln, bei dem „der präfrontale Cortex* nicht unberücksichtigt bleibt“. Dies gelingt, indem wir Übungen der Einkehrzeit* kultivieren, die die Bedeutung von Reflexion und Beziehungen hervorheben, welche der Kern der Resilienz sind, und durch die durch eine gut entwickelte integrative Präfrontalregion entsteht.
In Bezug auf die Psychotherapie können wir verstehen, dass unsere Aufgabe darin besteht, in „vier Dimensionen“ zu schauen, wenn wir unsere Wahrnehmung auf den Verlauf der Zeit ausdehnen. So können wir feststellen, dass der Mensch, mit dem wir arbeiten, in synaptischen Schatten* eines langen Lebens eingebettet ist, die sich in der Form von Narrativen*, Erinnerungen, den Formen des Fokussierens der Aufmerksamkeit und in den Interaktionen, die dieser Mensch mit uns als Therapeuten hat, zeigen. Es ist Teil der Kunst, ein Therapeut zu sein, dass wir lernen, über Zeit hinweg zu schauen. Dazu gehört auch das Erkennen potentieller Möglichkeiten, damit wir die Bewegung der Menschen, denen wir helfen, in Richtung einer tiefer integrierten Lebensweise unterstützen können.
Eltern können wach werden für die Möglichkeit – und die Herausforderung – integrative Erfahrungen für ihre Kinder zu schaffen, die ihr Gehirn zur Integration* stimulieren. Wenn wir uns dieses Potentials gewahr werden, kann die Elternschaft wirklich ein Weg sein, die Kraft der Neuroplastizität zu nutzen, um die zukünftigen Generationen positiv zu beeinflussen (intergenerationale Weitergabe).
Für jeden, der anderen oder sich selbst dabei hilft, in Richtung Integration zu wachsen, ist es hilfreich, die neuronalen Netze des Gehirns zu kennen, die für das neuroplastische Wachstum notwendig sind. Eltern sollten wissen, was für eine Art von Unterstützung und Stimulation bestimmte Regionen des Gehirns ihres Kindes brauchen, um integrativ wachsen zu können – dazu gehören die Verknüpfung* der linken und rechten Hemisphäre* oder die Verbindung der Reaktionen des Körpers mit dem kortikalen Gewahrsein*. Ein Lehrer kann einen Lehrplan anwenden, der mit dem Wissen um Neuroplastizität geschrieben wurde. So kann ein Programm entwickelt werden, das die Integration des gesamten Gehirns fördert. Therapeuten, die darum wissen, welchen Einfluss die Kraft der Aufmerksamkeit auf die Veränderung von Strukturen im Gehirn hat, können die Natur der therapeutischen Beziehungen neu verstehen und Erfahrungen anwenden, die das Gehirn zur Integration stimulieren.
Das Gehirn verändert sich nicht in einem Vakuum. Die Interpersonelle Neurobiologie erinnert uns daran, dass das Gehirn zutiefst sozial ist. Vor diesem Hintergrund können wir uns dem Dreieck* von Geist, Gehirn und Beziehungen zuwenden und dabei bedenken, dass sogar neu-roplastische Veränderungen durch unterstützende Beziehungen gefördert werden. Beispielsweise konnten Studien, die das Erlernen von Sprache bei kleinen Kindern untersucht haben, zeigen, dass der Unterricht mit Computern, bei dem die Beziehung mit einem anderen Menschen fehlt, nicht annähernd so wirksam ist, wie der Unterricht mittels Beziehung. Denn der limbische* Bereich des Gehirns, der unsere Zustände* der Motivation und die Bildung von Erinnerungen umfasst, ist direkt mit unserem Bedürfnis nach Beziehungen, nach Bindung*, assoziiert.
Die Anwendung aller sieben (oder acht!) Faktoren der Neuroplastizität – einschließlich der Beziehungen und der Reflexion während der Einkehrzeit – kann das gesunde* Wachstum des Gehirns unterstützen. Wenn wir das Gehirn mittels SNAG zur Integration stimulieren, sorgen wir dafür, dass Neuronen zusammen aktiviert werden und sich in einer Weise vernetzen, die zutiefst transformierend wirkt.
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Das Gehirn in der Handfläche
Worum geht es?
Das Gehirn in der Handfläche* ist eine Formulierung, die sich auf das Handmodell des Gehirns* bezieht, das wir in der Interpersonellen Neurobiologie nutzen, um ein, nun ja, handliches Modell zu haben, mit dem wir jederzeit die Anatomie der wichtigsten Regionen des Gehirns* erklären können (s. Abb. D-3). Durch diese Art, sich das Gehirn zu vergegenwärtigen, können Menschen darin bestärkt werden, in ihrem Leben Veränderungen mit mehr Effektivität und Selbst-Mitgefühl* voranzutreiben. Daher hat sich das Handmodell in vielen unterschiedlichen Bereichen als hilfreich erwiesen, beispielsweise für Eltern, in der Pädagogik, bei der Leitung von Organisationen und in der Psychotherapie.
Um das Handmodell herzustellen, legen wir den Daumen in die Handfläche, umschließen mit den Fingern den Daumen und machen so eine Faust. Die Knöchel, die nun auf unser Gesicht weisen, stehen für den Bereich hinter der Stirn und die Rückseite der Hand symbolisiert das neuronale Gebiet im hinteren Kopfbereich. Das Handgelenk repräsentiert das Rückenmark, das den Energie- und Informationsfluss* zwischen den neuronalen Strukturen im Schädel und dem restlichen Körper gewährleistet. Wenn Sie nun Ihre Finger und dann Ihren Daumen heben, dann sehen Sie die Handfläche oder den Hirnstamm*. Dies ist der tiefste (und älteste) Teil des Gehirns. Wenn Sie den Daumen wieder herunterbewegen, dann steht er für den limbischen* Bereich, zumindest auf einer Seite (die limbische Region und der Cortex* darüber sind in eine linke und rechte Seite aufgeteilt). Wenn Sie Ihre Finger wieder über den Daumen legen, dann sehen Sie, dass der Cortex, der anatomisch oberste (und neueste) Teil des Gehirns, die unteren subkortikalen* Regionen des limbischen Systems und des Hirnstamms umschließt.
Es ist hilfreich, etwas über die Anatomie des Gehirns und seine Funktion zu wissen, denn wenn wir „sehen“, wie diese Strukturen und Prozesse* sich differenzieren*, können wir sie spezifischer miteinander verknüpfen* (s. Abb. D-1 und D-2). Sie fragen sich vielleicht, wie das vor sich gehen soll? Der Weg, um spezifische Regionen des Gehirns zu aktivieren und sie miteinander zu verknüpfen, ist das Fokussieren der Aufmerksamkeit*. Wenn wir herausfinden wollen, ob die Behauptung, dass etwas nützlich ist, zutrifft, ist der beste Weg, es von innen heraus zu erfahren.