Kein Leben wie jedes andere. Konrad Diebler

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Название Kein Leben wie jedes andere
Автор произведения Konrad Diebler
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783969405413



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      Praktisch war: An Waschtagen gab es immer Nudeleintopf. Dieser wurde einen Tag vorher aus selbstgemachtem Nudelteig gekocht. So brauchte das Essen nur aufgewärmt werden.

      An Tag drei ging es zur Wäscherolle, dort wurden Bettwäsche und Handtücher glatt gerollt.

      Solche Rollen oder auch Wäschemangeln genannt, gab es viele in der Stadt.

      In einem langgestreckten Bau auf dem Hof hinter den Häusern befand sie sich. Betrieben wurde sie von ihrer Besitzerin. Nicht, dass sie die Wäsche rollte, dies musste man selbst tun. Sie stellte die Rolle nur gegen Bezahlung zur Verfügung. Den Wäschekorb stellten wir auf einen Handwagen, den ich zusammen mit meiner Mutter zog. Ziel war die Wäscherolle in der Helenenstraße in Dölitz. Nach dem Rollen wurden die Wäschestücke in den Korb gelegt und mit dem Handwagen ging es wieder zurück.

      Am Abend räumte Mutter die glatt gerollte Wäsche in den Wäscheschrank. Dort lag sie dann ordentlich auf Kante, der Stolz jeder Hausfrau.

      Waschen am Waschbrett war schwere Arbeit. Mutter wünschte sich eine Waschmaschine. Bei ihrem Mann rannte sie dabei offene Türen ein. Ihre Mutter hingegen wollte davon gar nichts wissen. Mit so einer neumodischen Maschine wird die Wäsche nicht sauber, war ihre Meinung.

      Es wurde trotzdem eine Waschmaschine gekauft, eine WM 66 und diese wurde bei uns in der Auenhainer Str. 21 im Waschhaus aufgestellt. Ab dieser Zeit wurde die Wäsche für beide Haushalte bei uns gewaschen und was soll ich sagen, die Wäsche wurde sauber und Oma hatte nie etwas anderes gesagt. Eingeweicht wurde am Vortag ebenfalls, auch wurde das heiße Wasser im Waschhauskessel bereitet und dann in die Waschmaschine gegossen, dies sparte Stromkosten.

      Aber dann kam die Wäsche in die Maschine und nach dem Waschgang in die Wäscheschleuder und danach auf die Leine.

      Eine große Arbeitserleichterung, auch mussten Waschhaus und Trockenplatz nicht mehr mit anderen Mietern geteilt werden.

      Auf die Rolle ging es aber immer noch, nun in die Auenhainer Straße.

      Oma Idas Herzkrankheit verschlechterte sich, 1964 erlitt sie einen Herzschlag. Meine Mutter rief die Hausärztin zum Hausbesuch. Doch die medizinischen Möglichkeiten waren damals noch sehr eingeschränkt. In der darauffolgenden Nacht war sie friedlich in ihrem Bett eingeschlafen.

      Die anschließende Trauerfeier fand auf dem Leipziger Südfriedhof statt. Hinter einer Glasscheibe wurde sie aufgebahrt und so konnten die Familienangehörigen, Freunde und Bekannten Abschied nehmen. Auch ich habe dort meine Oma letztmalig gesehen.

      Opa Alwin war nun Witwer, sehr traurig und konnte mit der Situation schwer umgehen.

      Seine Wohnung reinigte er selbst und hielt Ordnung, diese praktischen Seiten des Lebens waren nicht das Problem, sondern die seelischen Schmerzen.

      Er war schon immer, wie man damals sagte, schwermütig. Depressiv nennt man es heute. Er konnte den Tod seiner geliebten Frau nicht überwinden und wollte am liebsten auch sterben.

      Zum Mittagessen kam er jeden Tag zu uns und meine Mutter wusch auch seine Wäsche.

      Jeden Sonnabend wollte er Kartoffeln und Quark essen, es musste aber selbstgemachter Quark sein, so wie er es von seiner Frau gewohnt war. Montags holte er im Milchladen in einer 5-Liter-Kanne Milch. Diese wurde stehen gelassen, bis sie sauer wurde, dann kam die Masse in ein Stoffsäckchen, dieses wurde in der Küchenspüle am Wasserhahn befestigt. Das Wasser lief durch den Stoff in die Spüle und es verbreitete sich in der Küche ein säuerlicher Geruch. Am Sonnabend war aus der sauren Milch Quark geworden. Mit Pellkartoffeln ein feines Essen. Zum Schluss aßen wir meistens noch eine Pellkartoffel mit Butter und Salz.

      Zum Sonntagsessen brachte er immer eine Flasche Weißwein mit. Diese versteckte er auf der Veranda und sagte dann: „Konrad geh mal raus, ich habe dort etwas versteckt.“ Dieses Ritual wiederholte sich jeden Sonntag.

      Sein Lebensmut kehrte jedoch nicht zurück, er wollte sterben. Schon viele Jahre hatte er einen Leistenbruch, welcher von einem Bruchband gehalten wurden. Eine Operation war nicht angesagt, er aber wollte unbedingt operiert werden, dachte, in seinem Alter von 79 Jahren wacht er aus der Narkose nicht wieder auf. Meine Eltern und auch die Ärzte rieten von einer Operation ab. Er hat sich dennoch „unters Messer“ gelegt und die Operation gut überstanden.

      Opa erschien immer pünktlich 12.00 Uhr bei uns zum Mittagessen. An einem Tag 1966 war dies nicht der Fall. Meine Mutter war beunruhigt, da musste doch was passiert sein. Meine Eltern fuhren in seine Wohnung, den Schlüssel hatten sie und konnten hinein. In der Küche und im Wohnzimmer fanden sie ihn nicht. Die Tür zur Schlafkammer war nicht ganz geschlossen, mein Vater wollte sie öffnen. Spürte aber einen Widerstand. Nachdem er sie mit Kraft aufgeschoben hatte, sah er das Unglück – Opa Alwin hatte sich an der Türklinke stranguliert.

      Den Abschiedsbrief fanden sie auf dem Wohnzimmertisch. Die kriminalpolizeilichen Untersuchungen bestätigten den Freitod.

      Im Leipziger Umland waren viele Braunkohletagebaue aktiv und es war klar, dass nach der Auskohlung tiefe Löcher in der Landschaft verbleiben würden. Der Abraum wurde wieder in den Tagebau verbracht, aber die Braunkohle war ja nicht mehr da. Diese Restlöcher sollten Seen werden.

      Als Kinder konnten wir uns dies nur schwer vorstellen. Aber bereits Anfang der 70er Jahre wurde der Kulkwitzer Tagebau westlich von Leipzig geflutet und es entstand der gleichnamige See mit Badestrand, Campingplatz und einem Schiff, das auf dem Land stand und als Gaststätte diente.

      Es folgten der Cospudener, der Markkleeberger, der Störmtaler und der Zwenkauer See. Das Leipziger Neuseenland war entstanden.

      Im Chemieunterricht behandelten wir die Entstehung von saurem Regen aus Industrieabgasen und Regenwasser. Nördlich von Leipzig, in Bitterfeld und Wolfen, gab es viele Chemiebetriebe und diese emittierten ungereinigten Abgase. Der daraus entstandene saure Regen bedrohte die Waldgebiete der Dübener Heide. Die lapidare Aussage der Chemielehrerin war, dieser Wald würde in einigen Jahren nicht mehr vorhanden und die Dübener Heide gestorben sein.

      Die Entwicklung der Chemieindustrie wurde über den Schutz der Natur gestellt. Obwohl ich als Schüler diese Aussage nicht in Frage stellte, war es mir doch unheimlich, dass ein ganzes Waldgebiet aufgegeben werden sollte.

      Anfangs habe ich die Schulzeit nicht besonders ernst genommen, zwar immer meine Hausaufgaben erledigt, da war meine Mutter schon hinterher, aber darüber hinaus nur das Notwendigste getan. Es gab viele Dinge, die mehr Spaß machten als zu lernen.

      Und da sich in den 60er Jahren die Freizeit größtenteils draußen abspielte, war eine Woche Stubenarrest wirklich eine Strafe. Im Sommer sind wir viel Fahrrad gefahren, haben Radrennen veranstaltet, waren auf Rollschuhen unterwegs und spielten Verstecken.

      Im Frühsommer, so Mai, Juni wurde gemurmelt, wir nannten es „Kullerschieben“. Unsere Straße war damals noch mit Kopfsteinpflaster gepflastert. Einige Steine wurden herausgenommen und an die Seite gelegt, in die so entstandene Kuhle wurde „hinein gemurmelt“. Es gab Glaskugeln, „Glaser“ genannt und welche aus Ton, „Toner“ genannt. Toner hatten keinen Wert, nur Glaskugeln waren anerkannt. Das Ganze spielte sich mitten auf der Fahrbahn ab. Damals gab es nur wenige Autos und wenn eines kam, gingen wir zur Seite und ließen es durch. Zum Ende der „Kullerschiebzeit“ wurde der Pflasterstein wieder an seinen Platz gebracht und es war Schluss bis zum nächsten Jahr. Noch heute ist es mir ein Rätsel, wer Anfang und Ende der „Kullerschiebzeit“ bestimmte.

      Auch im Winter, bei Eis und Schnee waren wir viel draußen. Es gab Winter mit viel Eis und Schnee und auch welche ohne. Auch gab es Zeiten mit tiefem Frost ohne Schnee. Da haben wir unseren kleinen Rodelberg mit herangeschleppten Eimern Wasser selbst vereist und konnten rodeln. In diesen Zeiten fuhren wir auf den zugefrorenen Teichen Schlittschuh und spielten Eishockey.

      In unsere Nähe gab es vier Teiche, zwei in der Kleingartenanlage „Zur großen Eiche“ und zwei Teiche im Dorf Dösen an der Leinestraße. Auswahl hatten wir somit genug. Eishockey spielten wir mit einem umgedrehten Spazierstock und einem kleinen Gummiball, welcher sprang und hopste. Einen Puck hatten wir nicht. Schlittschuhe, welche fest mit den Stiefeln verbunden waren, gab es in