Turrinis Herz. Franz F Altmann

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Название Turrinis Herz
Автор произведения Franz F Altmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783701178308



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nicht wegen dem Heilwasser – wegen die Ausländer sind wir dagegen!“

      „Der Herr Schellhammer ist doch ein Österreicher und noch dazu aus St. Moritz gebürtig?“

      „Ja, er schon, aber seine Huren nicht! Schauen Sie doch einmal in Freistadt ins Puff: lauter Tschechinnen, Russinnen, Ungarinnen und Thailänderinnen! Da kann ich doch gleich die paar Kilometer über die Grenze fahren und in der Tschechei um das halbe Geld schnackseln!“

      „Wie oft gehen Sie denn ins Puff?“ Das ist der Gucki jetzt herausgerutscht. Da hat sie beim besten Willen nichts dagegen machen können.

      „Ha …?“

      „Ich mein: nur so im Durchschnitt. Einmal pro Woche oder eher einmal im Monat?“

      Aufgelegt. Gott sei Dank! Wenn das so weitergeht? Aber es geht so weiter. Wobei ein Lehrer und Jungscharleiter den Vogel abschießt, indem er nicht nur die wundertätige Heilkraft des Mariabrunner Wassers beschwört (fast alle seine Warzen im Gesicht sind verschwunden), sondern die Gucki auch noch zum abendlichen Maibaumaufstellen nach Lasberg einlädt (Dirndlkleid erwünscht) und ihr erklärt, dass ihm ihr Foto in den Mühlviertler Nachrichten so gut gefallen hat, dass er ernsthaft an die Gründung einer Familie denkt. Und treu ist er sowieso.

      Nach zwei Stunden Telefonterror ist die Gucki dann so fertig, dass sie am liebsten selber ein Puff aufmachen tät oder zumindest dem Schellhammer mit einer Flasche Messwein zu seiner Idee gratulieren möchte. Drum holt sie sich jetzt wirklich noch ein Bier und schärft der Renate ein, kein einziges Telefonat mehr durchzustellen – und wenn der Bischof höchstpersönlich anrufen sollte.

      Man wird es nicht glauben, aber der ruft wirklich an. Nur kann er seine liebe Tochter leider nicht mehr erreichen. Weil sie unterwegs ist.

      II

      „Du Heubodentürldepp!“, sagt man dann, wenn ein gewöhnliches Depp nicht ausreicht. Wenn einer wirklich brunzdumm ist. Zum Scheißen zu blöd. Ein richtiger Volkstrottel halt. Aber nicht, dass jetzt wer glaubt, dass ich mit den ganzen Schimpfwörtern so eine Freude hätt! Dass ich praktisch eine ordinäre Drecksau bin. Überhaupt nicht! Nur: Wie soll ich das Heubodentürldepp denn sonst erklären? Weil außer im Mühlviertel wird das ja keiner kennen.

      Und dann tät keiner wissen, wie das gemeint ist, wenn die Gucki jetzt zum Herrn Bürgermeister sagt: „Du bist aber wirklich ein fester Heubodentürldepp!“

      Ist er natürlich ein bisserl beleidigt. Praktisch Amtsehrenbeleidigung. „Das kommt aber nicht in die Zeitung hinein?“, fragt er die Gucki. Mit einem verzagten Blick auf das kleine Tonband, das auf seinem Schreibtisch liegt. Und außerdem versteht er überhaupt nicht, wie die Gucki auf das Depp kommt. Wenn das kein Argument ist? Arbeitsplätze ist doch das Zauberwort schlechthin. Mit dem kann man alles und jedes rechtfertigen. Egal, ob man jetzt Bundeskanzler von Österreich ist oder Bürgermeister von St. Moritz. Ein Bordell ist schließlich auch eine Firma – und eine Firma heißt Arbeitsplätze! Und das sagt er ihr jetzt auch, dieser Journalistin, die anscheinend absolut keine Ahnung von der Wirtschaft hat. Typisch Frau!

      Aber die lacht sogar noch? „Wen willst du denn auf den Strich schicken: deine Frau oder deine Tochter?“

      Die Gucki ist nämlich mit dem Herrn Bürgermeister per Du. Weil sie einmal beim Musikerball in St. Moritz Bruderschaft getrunken haben. Und weil er sie dann ein bisserl sexuell belästigt hat. Und weil sie ihm dann eine ordentliche Watschen gegeben hat. Hat aber nicht so weh getan wie die Watschen, die er jetzt kriegt: „Oder willst du selber den Türsteher machen und mit den Nutten einen Betriebsrat gründen?“

      Ist das jetzt ernst gemeint oder will sie ihn pflanzen? Weil er ja wirklich Betriebsrat ist. In der VOEST. Also, Türsteher, das wär nix für ihn. Aber so eine Betriebsratssitzung mit ein paar feschen Huren, für so was wär er schon zum haben. Und für die Gucki sowieso. Wie sie da vor ihm sitzt in ihrer schwarzen Lederjacke – eine strengere Herrin findest du weit und breit nicht! Na, das war vielleicht eine Watschen! Damals auf dem Musikerball. Da wird ihm heute noch heiß und kalt, wenn er nur dran denkt. Ob sie es auch für Geld machen tät? Und was sie wohl verlangen tät?

      Aber die Gucki macht es für ihn sogar umsonst. „Also, was ist jetzt mit den Arbeitsplätzen? Schlaf mir nicht ein, Egon! Du bist da mitten in einem Interview und nicht auf einem Parteitag!“, pfaucht sie ihn an.

      Muss er sich wohl oder übel von seinen schrecklich schönen Fantasien losreißen und ihr in Gottes Namen die großen wirtschaftlichen Zusammenhänge erklären. „Also: Ein Puff bedeutet Schmutz und Dreck!“, beginnt er seine Ausführungen. Fast schon ein Ausflug ins Philosophische. Dabei meint es der Herr Bürgermeister ganz praktisch. „Brauchst du also eine Putzfrau und eine Frau zum Waschen und Bügeln. Das sind schon einmal zwei Arbeitsplätze. Die hat mir der Schellhammer garantiert. Und außerdem macht er den ganzen Umbau vom Mariabrunn mit lauter Moritzer Firmen. Der Baumeister nascht mit, der Zimmerer, der Installateur, der Elektriker und der Spengler. Das sind auch alles wieder Arbeitsplätze! Und dann natürlich auch noch der Fremdenverkehr. Kommt ein Fremder ins Puff und unterhält sich gut und sieht dann am nächsten Tag in der Früh, wie schön es bei uns ist, dann denkt er sich vielleicht: Aha, da könnt ich auch einmal mit der Familie Urlaub machen und ein bisserl Golf spielen, und die Frau soll mit den Kindern Schwammerlsuchen gehen!“

      Kommt der Gucki das Lachen aus. Wieder einmal, muss man sagen. Weil das hat sie in den acht Jahren bei den Mühlviertler Nachrichten noch immer nicht gelernt, dass du als Journalistin bei einem Interview auf keinen Fall lachen darfst. Weil dann die Leute beleidigt sind und nichts mehr erzählen. Genauso kommt es auch. Der Herr Bürgermeister sagt kein Sterbenswort mehr. Obwohl er sonst wirklich gern redet.

      Aber die Gucki weiß eh schon genug. Das mit der Baugenehmigung stimmt. Leider. Der Schellhammer darf das ehemalige Ausflugsgasthaus Mariabrunn direkt neben der Kapelle Mariabrunn und direkt neben der Heilquelle Maria­brunn zu einem Puff mit zehn Zimmern umbauen. Ob er das Puff auch Mariabrunn nennen wird? Das muss sie ihn als Allererstes fragen!

      „Wird das Puff auch Mariabrunn heißen?“ Das fragt jetzt aber nicht die Gucki den Schellhammer, sondern der Leo die Gucki.

      Das war nämlich so. Wie die Gucki vom Bürgermeister weggefahren ist und in Gedanken schon beim nächsten Interview war, da hat der Turrini auf einmal angefangen zu bellen. Und nicht mehr aufgehört. Dabei bellt er im Auto sonst nur, wenn er draußen einen Hund sieht. War aber weit und breit kein Hund da. Dafür dem Leo Höllerer seine Beiwagenmaschine. Eine Zündapp 650. Baujahr 1937. Mit einer Maschinengewehrhalterung am Beiwagen. Weil der Leo halt doch ein bisserl ein alter Nazi ist. Und der Turrini kennt natürlich die Maschine. Weil er ja im letzten Sommer vierzehn Tage im Beiwagen mit dem Leo von Wirtshaus zu Wirtshaus gefahren ist. Wie sein Frauli in Italien gewesen ist. Hat der Turrini natürlich alle Wirtshäuser von St. Moritz und Umgebung gekannt. Und natürlich sofort gewusst, dass der Leo nur in Frankys Bar sitzen kann. Ich mein: Nicht dass er ihn jetzt gerochen hätte – so eine feine Nase hat ein Hund auch wieder nicht. In dem Fall war es nicht Turrinis Nase, sondern Turrinis Hirn, was ihn darauf gebracht hat. Analyse der Situation: Großer, lauter und extrem stinkender Hund mit dem blöden Namen Zündapp steht vor dem Wirtshaus, Hund gehört dem Leo-Herrli, also sitzt das Leo-Herrli im Wirtshaus. Analyse der Motivation: Will ich lieber im Auto sitzen oder ein Bier schlappern? Keine Frage! Analyse der Aktionsmöglichkeiten: Analyse spar ich mir – Freudengebell!

      Ist der Gucki natürlich nichts anderes übrig geblieben, als dass sie auf die Bremse gestiegen ist. Und hat auch schon direkt neben der Zündapp eingeparkt. Hat ausgeschaut wie bei einem Oldtimer-Treffen. Dem Leo seine Zündapp und der Gucki ihr VW Karmann Ghia. Den hat sie von ihrem Opa geerbt. Baujahr 1958.

      Wär eh schon längst in alle Einzelteile zerfallen, wenn die Gucki nicht so einen begnadeten Mechaniker gehabt hätte. Einmal im Jahr fährt der Karmann Ghia zum Fuzzi auf Kur und wenn er dann zurückkommt, ist er wieder wie neu. Frage nicht, was das in einer normalen Werkstatt kosten tät! Aber erstens macht das der Fuzzi im Pfusch, und zweitens verlangt er bei der Gucki fast nichts. Sie hat ihn sogar im Verdacht, dass er dabei noch draufzahlt. Weil: Auch wenn die Gucki kein bisserl Ahnung von der Technik hat, dass die Ersatzteile bei einem Oldtimer