Turrinis Nase. Franz F Altmann

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Название Turrinis Nase
Автор произведения Franz F Altmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783701178292



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nicht mehr ausgelassen. Weil festgenommen haben sie ihn eh. Und verhört. Die halbe Nacht! Bis dann das Gutachten gekommen ist. Vom Gerichtsmediziner. Weil da ist dann schwarz auf weiß drinnengestanden, dass der Mandi gar nicht der Mörder sein kann. Weil man eine Leiche nämlich nicht ermorden kann. Weil: Wie ihn die Kugel vom Mandi mitten in die Stirn getroffen hat, da war der Harry nämlich schon mausetot.

      Trotzdem ist der Mandi natürlich fertig mit den Nerven. Und heilfroh, dass dieser lästige Schipany endlich weg ist. Dass sie endlich allein sind. Er und das Mädel. Weil: Wie sie ihn jetzt anschaut – so warmherzig und verständnisvoll – da vergisst er doch glatt, dass sie eigentlich auch eine Reporterin ist. Und lässt sich einfach hineinfallen in diese bernsteinfarbenen Augen – ein Braun, so unergründlich und tief wie das Wasser der Aist! Und schon hat er seine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt – und schon kommt, was ganz einfach kommen muss. Aber nicht das, was jetzt vielleicht einer denkt! Der Mandi belästigt die Gucki nicht – der Mandi weint. Richtig herausbrechen tut es aus ihm: wie bei einem Wolkenbruch! Dass er jetzt seit 35 Jahren auf die Jagd geht. Dass er noch nie wen angeschossen hat – nicht einmal einen Treiber! Dass er sein Gewehr gar nicht mehr anschauen kann. Geschweige denn angreifen! Dass er das Jagen aufgibt. Dass er überhaupt alles aufgibt: den Kommandanten, den Obmann und den Bezirk! Dass er in Pension geht. Oder soll er sich lieber gleich erschießen?

      Gott sei Dank war dem Mandi sein Katzenjammer aber auch genauso schnell wieder vorbei wie ein Wolkenbruch. Die Gucki hat ihm nur ein bisserl gut zureden müssen – dann hat er sich auch schon ordentlich geschnäuzt, der Wirtin geschrien und die Gucki auf ein Bier eingeladen. Und ihr alles feinsäuberlich erzählt. Wie ihn fast der Schlag getroffen hätte: wie da auf einmal keine Wildsau liegt, sondern ein Mensch. Wie er sich noch gewundert hat, dass der Mann mitten im Winter ein Sommergewand anhat. Wie er auf einmal den Harry erkannt hat. Wie er dann das Loch in der Stirn gesehen hat. Wie ihm schlecht geworden ist. Wie dann der Doktor gekommen ist. Und die Gendarmen. Wie der Pointner Hans schließlich gesagt hat: „Herr Prandegger, ich muss Sie leider vorläufig festnehmen!“ Wie ihm da schlagartig klar geworden ist, dass er ein Mörder ist. Weil der Hans Sie gesagt hat. Obwohl sie normal per Du sind. Weil bei uns sind eigentlich alle per Du. Wie ihm schwarz vor den Augen geworden ist. Und so weiter und so fort. Bis zum gerichtsmedizinischen Gutachten. Fraktur der Wirbelsäule. Was nichts anderes heißt, als dass sich der Harry das Kreuz gebrochen hat. Trotzdem hat sich der Mandi das mit der Fraktur gemerkt. Weil das der Beweis für seine Unschuld war. Zumindest für die Kriminalbeamten. Für die Jäger sicher nicht. Da wird die Geschichte noch ein Nachspiel haben. Von wegen Fahrlässigkeit. Das Mindeste, aber auch schon das Allermindeste, was ihm blüht, ist eine strenge Verwarnung. Wenn sie ihm den Jagdschein nicht gleich zupfen. Bevor aber der Mandi noch so richtig ins Sudern kommen kann, ist die Gucki auch schon weg. Weil sie jetzt auf einmal ganz dringend zum Doktor muss. Ist ihr am Ende schlecht geworden beim Mandi seiner Geschichte? Wunder wär es ja keines: zwei Bier, ein Kaffee, wieder ein Bier, Zigaretten auch eine nach der anderen – und noch dazu filterlose – und das alles auf nüchternen Magen! Und am Vortag um drei in der Früh ins Bett. Aber kein bisserl nüchtern!

      Mit ihrem Magen ist aber anscheinend alles in Ordnung. Sonst tät ihr der Doktor Munz jetzt nicht die Lunge abhorchen. Wird ihm eh lieber sein. Weil ja die Gucki unter dem Rollkragenpullover keinen BH anhat und weil ihr Busen wirklich sehenswert ist. Der springt einem ja schon ins Auge, wenn sie was anhat. Weil Beruf hin, Beruf her – auch einem Doktor wird ein schöner Busen besser gefallen als wie ein schiacher. Sonst wär er ja kein Mann. Nur: Anmerken lassen darf er sich halt nichts. Drum tut er gleich auch recht streng und redet der Gucki ins Gewissen. Wegen dem Rauchen. Weil sie eine ordentliche Bronchitis hat. Aber die hat sie eigentlich immer im Winter. Und wegen dem ist sie eigentlich auch gar nicht gekommen. Gekommen ist sie nur, weil der Doktor Munz gestern den Harry untersucht hat. Besser gesagt: dem Harry seine Leiche. Also fragt die Gucki zum Spaß, ob der Harald Baum leicht gar an einer Bronchitis gestorben ist. Ist jetzt der Doktor natürlich in einer Zwickmühle: einerseits ärztliche Schweigepflicht – andererseits ausgesprochen charmante Patientin. Weil die hat es mit dem Rollkragenpullover-Anziehen überhaupt nicht eilig.

      Aber ganz umsonst hat so ein Doktor auch nicht studiert. Drum zieht er sich elegant aus der Affäre und sagt zuerst, dass er ihr nichts, aber auch schon absolut gar nichts gesagt hat – und dann sagt er ihr, was sie wissen will. Beziehungsweise: Er sagt ihr, was er weiß. Die Todesursache weiß er nämlich auch nicht. Genauso wenig wie den Zeitpunkt des Todes. Das Einzige, was er mit Sicherheit sagen kann, ist, dass der Harry schon länger tot sein muss. Mindestens zwei, drei Monate. Dass aber die Leiche rein äußerlich trotzdem so gut erhalten ist, wie wenn er erst gestern gestorben wäre. Wie wenn man den Harry konserviert hätte. Jetzt hätte die Gucki nicht fragen dürfen, wie denn der Doktor das so genau sagen kann. Denn kaum hat er ihr erklärt, wie er da dahintergekommen ist, hat sie auch schon ruck-zuck ihren Rollkragenpullover anziehen müssen und rennen. Mit Ach und Krach hat sie es noch geschafft bis zur Haustür. Dann hat sie aber auch schon gespieben, dass es nicht mehr feierlich war. Direkt auf dem Doktor Munz seine Rosensträucher. Das hat er jetzt davon, dass er ihr das auch so anschaulich schildern muss! Dass sich nämlich bei einer Leiche nach einiger Zeit das Hirn zersetzt und dass dem Harry sein Hirn praktisch bei den Ohren herausgeronnen ist.

      Bei der Gucki ist es sogar herausgespritzt: wie bei einem Odelfassl*! Eh klar – nichts Festes im Magen! Der Doktor Munz hat gerade seine Diagnose auf Gastritis erweitern wollen – da war die Gucki aber auch schon weg. Nicht einmal Hustentropfen hat er ihr verschreiben können. Geschweige denn, dass er sie ins Kino oder Theater einladen hat können. Weil er nämlich eine Frau gebraucht hätte. Aber nicht nur eine fürs Bett. Auch so. Zum Heiraten halt. Weil er keine Frau gehabt hat. Obwohl: Bei einem Doktor sagt man nicht Frau, sondern Gattin. Weil ein Doktor ja was Besseres ist. Da heißt dann auch die Frau Frau Doktor. Auch wenn sie eine Universität noch nie von innen gesehen hat. Müsste man meinen, dass sich die Frauen nur so darum reißen, Frau Doktor zu werden. Warum hat dann der Munz noch immer keine? Weil: So um die fünfundvierzig wird er jetzt sein – und jünger wird er auch nimmer. Ist er leicht so schiach? Nein, überhaupt nicht! Ein bisserl grau an den Schläfen, aber sonst eine stattliche Erscheinung – wie man so sagt. Warum findet dann so einer keine Frau?

      * Odelfass, auch Adelfass: bes. bayr. und österr. für Jauchenfass.

      Das ist jetzt gar nicht so leicht zum Erklären. Am besten, ich fang damit an, dass St. Anton 50 Kilometer von Linz weg ist. Eine Stunde mit dem Auto. Praktisch lauter Kurven. Ein Traum für jeden Motorradfahrer! Nur: Leider hat die Frau Magister Moll kein Motorradl gehabt. Und ist daher auch nicht so gern nach St. Anton gefahren. Das war die Verlobte vom Doktor Munz. Mit der Betonung auf war. Ist nämlich auch schon wieder zehn Jahre her. Da hat der Munz gerade die Praxis übernommen. Und sich eigentlich recht schnell eingelebt. Die Frau Magister weniger. Die hat nicht so recht gewusst, was sie in St. Anton anfangen soll. Weil Schwammerlsuchen hat sie nicht wollen – und Tarockieren hat sie nicht können. Und sonst schaut es halt bei uns eher schlecht aus, was die sogenannten Freizeitangebote betrifft. Höchstens noch Zeltfeste. Da gibt es genug. Und Hüttenfeste auch. Aber genau so ein Hüttenfest ist dann dem Doktor Munz zum Verhängnis geworden. In Trilling war es, hoch hergegangen ist es – da hat der Fuzzi auf einmal eine saublöde Idee. Schnappt er sich seinen Fotoapparat – das war eigentlich nur ein blöder Zufall, dass er den mitgehabt hat, weil: Wer nimmt denn schon auf ein Hüttenfest einen Fotoapparat mit? Aber der Fuzzi war ausgerechnet an dem Tag auf Betriebsausflug in der Wachau und hat fleißig Weinkeller fotografiert. Schnappt er also seinen Fotoapparat und kriecht unter den Tisch. Und kriecht weiter und kriecht und kriecht, bis dass er in der Schnapsbar landet. Direkt unter dem Rock von der Frau Magister. Und drückt ab. Gleich ein paar Mal! Dass es unter dem Rock nur so blitzt! Angeblich sind die Fotos sogar was geworden. Dafür ist es mit der Hochzeit vom Doktor Munz nichts geworden. Weil nämlich die Frau Magister keinen Spaß verstanden hat. Und nicht nur das Trillinger Hüttenfest auf der Stelle, sondern auch St. Anton für immer verlassen hat. Seither geht der Fuzzi vorsichtshalber zum Blumenfelder Doktor, wenn ihm was fehlt.

      Jetzt könnte man sagen: Das mit den Fotos gehört eigentlich gar nicht hierher. Weil das ja eine ganz eine andere Geschichte ist. Will ich auch gar nicht abstreiten. Aber: Was soll ich denn machen? Ich kann ja auch nichts dafür, dass dem Doktor Munz die Geschichte mit den Fotos gerade jetzt wieder eingefallen ist. Aber nicht, weil die