Chronik von Eden. D.J. Franzen

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Название Chronik von Eden
Автор произведения D.J. Franzen
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783957771285



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verzog sich zu einer angewiderten Grimasse. Er schloss die Augen, griff mit seinem Geist nach dem Bewusstsein des Zombies, schenkte ihm die Gabe der Empfindung. Tomasz heulte auf, als das unbekannte Gefühl starker Schmerzen durch seinen wiederbelebten Körper raste. Gabriel öffnete die Augen. Er wandte sich von dem gefallenen Anführer seiner Armee ab und ging an ihm vorbei in eine schmale Gasse. Auf einen Fingerzeig hin fing der zerbrochene Körper von Tomasz Feuer. Die gellenden Schreie des brennenden Zombies waren Musik in seinen Ohren.

      Dann entdeckte er den kleinen Menschen, der all das hier angerichtet, seine Armee besiegt, und die Reste in alle Winde zerstreut hatte. Gabriel ging auf den leblosen Körper zu. Der bunte Rennanzug hatte den Menschen vor dem Schlimmsten bewahrt, als das Inferno, das er selbst ausgelöst hatte, über ihn hinweggerollt war. Nur sein Gesicht wies schwerste Brandverletzungen auf, seine Haare waren bis auf die blasenübersäte Kopfhaut versengt.

      Noch war Leben in ihm. Gabriel hörte das Raunen des wachen Bewusstseins, roch den Schmerz des Körpers.

      Sollte er einen weiteren Versuch wagen?

      Der hier war immerhin noch nicht tot, sein Gehirn noch funktionsfähig, sein Wille ungebrochen.

      Nachdenklich betrachtete er den immer noch qualmenden Körper.

      Dann traf er eine Entscheidung.

      *

      Je weiter sie kamen, umso sicherer wurde Sandra in der Handhabung des Lasters. Kleinere Hindernisse, zu denen auch vereinzelte Reanimierte gehörten, überfuhr oder rammte sie einfach, größeren wich sie mit teilweise haarsträubenden Manövern aus. Am Himmel flog schon wieder einer dieser Jäger vorbei.

      Sahen die denn nicht, dass hier unten jemand um sein Leben kämpfte? Wollten sie diese Rheinseite jetzt etwa auch desinfizieren, wie Frank das genannt hatte?

      Sandra riss den Laster in eine enge Kurve. Am Ende der Straße sah sie die Aachener Straße. Mühsam fing sie den Laster ab, der sich plötzlich unkontrolliert in seiner Federung aufschaukelte.

      »Alles klar da hinten?«, rief sie so laut sie konnte.

      »Bis jetzt ja«, drang Starks Bass dumpf durch die Rückwand. »Wenn du bitte nur das hektische Schaukeln ein wenig einschränken, und die Kurven ein wenig langsamer nehmen könntest?«

      Sandra bremste ab und riss das Lenkrad herum. Der Laster neigte sich zur Seite, die Reifen auf der rechten Seite verloren für ein paar bange Sekundenbruchteile den Kontakt zum Asphalt, als sie auf die Aachener Straße Richtung stadtauswärts einbogen. Mit einem Krachen fiel er wieder in die Waagerechte, als Sandra erneut einlenkte, um das schwere Fahrzeug abzufangen.

      »´tschuldigung«, rief sie nach hinten. »Kotztüten sind unter den Sitzbänken.«

      Sie hatten Glück.

      Soweit Sandra sehen konnte, war die Straße relativ frei von Autowracks und Hindernissen.

      Mit einem breiten Grinsen gab sie Gas.

      *

      General Pascal Dupont stand mit dem Rücken zur Tür und blickte aus einem Zimmer, das einmal einem Musikprofessor gehört hatte. Draußen wurde es langsam dunkel und das schwache Licht einer Schreibtischlampe spiegelte sich in der Scheibe. Das Ticken eines Metronoms schnitt die Zeit in leicht verdauliche Häppchen. Es klopfte an der Tür. Dupont wandte sich um. Er stoppte mit einem Zeigefinger die Pendelbewegung des Metronoms.

      »Herein.«

      Die Tür öffnete sich. Ein junger Captain des letzten amerikanischen Kontingents der Einsatzstreitkräfte betrat den Raum und salutierte.

      »Bericht.«

      »Mon Général. Die Bomber befinden sich kurz vor dem Zielgebiet.«

      Dupont nahm mit einem zufriedenen Nicken die französische Aussprache seines Ranges zur Kenntnis.

      »Einheit sieben?«

      »Wir haben noch keinen Kontakt herstellen können, mon Général.«

      Dupont setzte sich an den Schreibtisch. Er faltete die Hände wie zum Gebet, stützte die Ellenbogen auf und legte sein Kinn auf die gefalteten Hände. Sein Blick streifte eine Bibel. Er hatte sie aus Paris mitgebracht. Paris, wo Marie ... Er schloss die Augen und verdrängte ihr Bild aus seinen Gedanken.

      »Mon Général?«

      Dupont sah auf.

      »Oui?«

      »Darf ich offen sprechen?«

      Dupont nickte.

      »Unsere Aufklärer haben Bewegung im Zielgebiet ausgemacht. Es sind große Fahrzeuge, vermutlich ein Schulbus und einer unserer Laster auf den Straßen unterwegs, mon Général. Und sie haben eine größere Explosion ausgemacht.«

      »Überlebende?«

      »Sehr wahrscheinlich. Sie bewegen sich in Richtung stadtauswärts.«

      Dupont lehnte sich zurück. Mit Daumen und Zeigefinger massierte er sich müde den Nasenrücken.

      »Und der fünfte Engel stieß in die Posaune«, murmelte er. »Und ich sah einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war, und es wurde ihm der Schlüssel zum Schlund des Abgrunds gegeben. Und in jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen und werden ihn nicht finden, und werden zu sterben begehren, und der Tod flieht vor ihnen.«

      »Mon Général?«

      Dupont blickte auf und starrte dem jungen Captain ins Gesicht. Der versuchte, sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen.

      »Die Bibel, Soldat. Die Offenbarung des Johannes. Buch neun, die Verse eins und sechs. Sie sollten das Buch der Bücher aufmerksam studieren. Es erscheint mir in diesen Zeiten mehr als angebracht.«

      Der Captain nickte. Unsicher darüber, was der General jetzt von ihm erwartete. Dupont senkte den Blick und starrte die Bibel an. Schließlich beugte er sich vor, nahm sie in beide Hände und murmelte nur ein Wort.

      »Zündung.«

      *

      Hauptmann der Luftwaffe Jörg Weimer saß in seinem Eurofighter Typhoon und wartete auf Anweisungen des Oberkommandos. Er kreiste als Leader seiner Staffel über Köln. Vier weitere Staffeln zogen weiter nördlich und südlich über dem rechtsrheinischen Raum ihre Schleifen. Weimer verdrängte den Gedanken an das, was man ihm möglicherweise befehlen würde. Unter den Flügeln seines Mehrzweckkampfflugzeugs hing sogenannte Freifallmunition. Nach dem Abwurf fielen diese thermobaren Bomben relativ kontrolliert an Fallschirmen zu Boden. Dabei versprühten sie über dem Ground Zero einen Nebel aus einem hoch entzündlichen Aerosol. Sobald sie eine gewisse Höhe erreicht hatten, zündeten die Bomben. Der Rest war eine Hölle aus Flammen, Hitze und den durch das Vakuum der plötzlichen Verbrennung entstehenden Unterdruck.

      Jörg Weimer war ein gebürtiger Kölner. Es brach ihm das Herz, dass er jetzt über seiner geliebten Heimatstadt kreisen und sie vielleicht sogar in Schutt und Asche legen musste. Er hoffte, der Einsatzbefehl würde nie kommen.

      Eine törichte Hoffnung, denn anders konnten sie diese Kreaturen da unten nicht bekämpfen. Général Dupont wollte Köln als Brückenkopf sichern, um anschließend einen halbwegs sicheren Korridor zu ihrem Standort in Bonn zu schlagen. In diesem Korridor wollte er die militärische Hoheit erhalten, bis Nachschub oder neue Befehle eintreffen würden. Eigentlich eine gute Taktik, aber der Feind ging nicht militärisch vor, ja er war noch nicht einmal militärisch organisiert. Er schlug schlimmer zu als ein Guerilla, war hinterhältiger als ein schleichendes Gift, galt als beinahe unverletzbar … und seine Soldaten waren Legion.

      Soweit Jörg wusste, waren sie zudem die letzten aktiven Einsatzkräfte in Deutschland. Ihre Kontakte zu den anderen Standorten waren nach und nach abgebrochen. Wie es im restlichen Europa oder sogar im Rest der Welt aussah, wollte er sich lieber nicht vorstellen. In der Truppe machte das Gerücht die Runde, dass die Zombies alle Standorte in Europa nach und nach überrannt hätten und sie wie eine endlose Armada auf der Suche nach den letzten Lebenden