Chronik von Eden. D.J. Franzen

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Название Chronik von Eden
Автор произведения D.J. Franzen
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783957771285



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air«, meldete er sich zurück.

      »Leader Phoenix … the order is the great gig in the sky … I repeat … the great gig in the sky … over«

      Jörg biss die Zähne zusammen. Ein heißes Brennen stieg in seine Augen.

      The great gig in the sky.

      Das war der Einsatzbefehl.

      Irgend so ein Witzbold von den Amis hatte wohl einen Clown gefrühstückt, als er den Einsatzcode nach einem Song von Pink Floyd benannt hatte. Jörg zögerte, ließ seine Maschine weiter kreisen. Sein Flügelmann Leutnant Peter Immenhoff sah aus seinem Cockpit zu ihm rüber, wahrte aber Funkstille. Er konnte sich denken, was in seinem Staffelführer vorging. Jörg schüttelte den Kopf, versuchte die Tränen in seinen Augen wegzublinzeln. Jetzt sollten sie Köln also endgültig in einen Vorort der Hölle verwandeln.

      »Leader Phoenix … confirm the order …«

      Confirm du doch den Befehl, du Arschloch, schoss es Jörg durch den Kopf. Ich möchte dich gerne erleben, wenn du den Befehl erhältst, dein kleines Nest in Asshole City Alabama auszuräuchern!

      Jörgs Hände zitterten.

      Peter wackelte fragend mit den Flügeln.

      »Leader Phoenix … confirm the order … the great gig in the sky … over …«

      Durch den Regen sah Jörg die Domspitzen, den Colonius, sah vor seinem geistigen Auge den Kölner Zoo, seine Schule, das Haus seiner Eltern …

      »Leader Phoenix … last call … confirm the order … over …«

      Jörg holte tief Luft und sammelte sich. Wenn er jetzt aus der Reihe tanzte, würden seine Staffelkollegen den Befehl erhalten, ihn sofort vom Himmel zu pusten.

      »Eagles Nest«, meldete er sich mit belegter Stimme. »Here is Leader Phoenix … I confirm the order … the great gig in the sky … over and out.«

      Ohne ein weiteres Wort drehte er bei, zog seine Maschine über die Kölner Innenstadt. Sein Zielpunkt war der Kölner Dom. Als er die erste Bombe abwarf, weinte er.

      *

      Das Rheinenergie-Stadion flog an ihnen vorbei. Sandra konnte ihr Glück kaum fassen, dass die Aachener Straße während des großen Exodus so frei geblieben war. Nicht mehr weit, und sie würden in Weiden ankommen, aber ... Hatte Frank es wider besseren Wissens geschafft? Würde er es überhaupt bis dorthin schaffen?

      »Du bist verrückt, wenn du das glaubst«, sagte sie zu sich selber. Ihre Stimme kam ihr merkwürdig fremd und belegt vor. Ja, das war nur ein schöner Traum, eine haltlose Hoffnung. Frank hatte sich geopfert. Und wenn sie jetzt am vereinbarten Treffpunkt auf ihn warten würde, brächte sie nur die Kinder in Gefahr, wegen denen er sich von ihnen getrennt hatte.

      Heiße Tränen schossen Sandra in die Augen, die sie mit einer trotzigen Geste umgehend wegwischte. Dabei fiel ihr Blick zufällig in den Seitenspiegel.

      Am Himmel hinter ihnen flogen mehrere Flugzeuge. Aus ihren Rümpfen fielen kleine, längliche Gegenstände, die an Fallschirmen zu Boden segelten.

      »Ach du Scheiße!« Sandra trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. »Die werfen die nächsten Brandbomben ab«, schrie sie nach hinten. »Festhalten!«

      Sie raste mit irrwitzigem Tempo die Straße am großen Einkaufscenter vorbei, rammte kleinere Hindernisse aus dem Weg und wich größeren so gut sie konnte aus. Immer wieder musste sie die Tränen in ihren Augen wegblinzeln und versuchte, nicht an Frank zu denken.

      Dann zündeten die ersten Bomben.

      Hinter ihnen verging Köln endgültig in einem biblischen Flammenmeer.

      Kapitel XI - Die Pilger

      Zeit spielte für Sandra keine Rolle mehr. Sie fuhr wie in Trance immer weiter und weiter, folgte der Straße und sah nicht nach hinten. Sehen und reagieren waren wie atmen. Instinktive Verhaltensweisen, über die sie nicht nachdenken musste. Der Regen hatte aufgehört, aber die Scheibenwischer des Lasters quietschten immer noch über die inzwischen trockene Windschutzscheibe. Kurz vor dem Ortseingangsschild Königsdorf ruckelte der Laster einmal heftig. Sandras Blick klärte sich, als sie ins Hier und Jetzt zurückkehrte.

      Eine rote Warnleuchte blinkte auf dem Armaturenbrett. Das Kühlwasser. Erst jetzt spürte sie den Schweiß auf ihrem Körper, die Hitze in der Fahrerkabine. Erst jetzt roch sie den intensiven Brandgeruch, den der Wind über das Land trug. Sie fuhr den Laster nach links, runter von der Aachener Straße. Sie fuhr so weit wie möglich die Straße hinein und hielt mitten zwischen Äckern an.

      Freie Sicht in alle Richtungen.

      Das war gut.

      Sie stellte den Motor ab. Dann starrte sie wie blind durch die Windschutzscheibe.

      Wie lange sie da gesessen hatte, konnte sie nicht sagen. Sie tauchte erst aus ihrer Erstarrung auf, als die Fahrertür geöffnet wurde. Es war eine ungewohnte Kraftanstrengung, den Kopf zu drehen.

      »Wir haben es geschafft, mein Kind.«

      Stark sah ihr in die Augen. Seine Stimme klang fürsorglich.

      »Die Kinder?«

      Der Pfarrer trat ein Stück zur Seite. Da standen sie. Ein kleines Häufchen ausgezehrter Überlebender. Sie wirkten verloren, auf Hilfe angewiesen.

      Ihre Hilfe.

      Mit Beinen, die nicht ihr zu gehören schienen, stieg Sandra aus. Stark deutete in Richtung Autobahn.

      »Ich habe da hinten etwas aufblitzen sehen, das wie das Blaulicht eines Polizeiwagens aussah«, sagte er. »Vielleicht finden wir da Hilfe.«

      Sandra sah hin. Ja, da blitzte tatsächlich regelmäßig etwas auf. Aber es wurde allmählich dunkel. Nicht nur weil die Sonne unterging, sondern auch wegen der Rauchentwicklung über Köln.

      »Das sollten wir uns erst morgen ansehen«, sagte sie. »Es wird dunkel und die Kinder sind bestimmt hungrig und durstig.«

      Stark nickte.

      »Richtig. Hier im Laster oder dort vorne? Da scheint ein Gehöft zu sein.«

      Sandra sah die Kinder abschätzend an.

      »Schafft ihr es bis dahin zu Fuß?«

      Die Kinder nickten. Sandra wandte sich wieder an Stark.

      »Was ist eigentlich in den Kisten da hinten drin?«

      »Soweit ich sehen konnte, nur Munition.«

      Sandra ging an das hintere Ende des Wagens und stieg auf die Ladefläche. Ja, es waren Munitionskisten. Aber der Aufschrift nach nur für automatische Waffen. Sie wollte gerade wieder aussteigen, als sie eine kleinere Kiste entdeckte. Sie öffnete sie und seufzte erleichtert auf. Es war eine Kiste mit eintausendfünfhundert Schuss 9 mm Parabellum. Passend für ihre P6. Neben den Schachteln mit den Patronen lagen noch zehn leere Ersatzmagazine und zwei Waffenpflegesets in der Kiste. Ein Schatz, den sie in ihrer derzeitigen Lage nicht erwartet hätte.

      »Und?«, fragte Stark von der Laderampe aus. »Hast du was gefunden?«

      »Ja. Helfen Sie mir bitte, Vater. Diese kleine Kiste ist sauschwer, aber ungeheuer wertvoll.«

      Stark stieg auf die Ladefläche und runzelte die Stirn, als er den Inhalt der Kiste sah.

      »Bist du sicher, dass du diese Munition verwenden kannst?«

      Ein bitteres Lächeln tanzte um Sandras Mundwinkel.

      »Sie kannten meinen Vater. Statt Mickey Mouse oder Donald Duck habe ich Waffen- und Militärmagazine lesen dürfen. Glauben Sie mir, wenn ich ihnen sage, das hier ist Gold wert.«

      Stark schluckte, sagte aber nichts. Gemeinsam hoben sie die Kiste aus dem Wagen. Dann stieg Sandra wieder auf die Ladefläche. Sie suchte im Halbdunkel und fand schließlich ein sogenanntes Tactical Medi-Pack.