Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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Robin rümpfte die Nase. „Ich würde zuerst Steine schleudern. Die fliegen noch weiter! Aber wenn die Chatten auch …“

      „Unsere Schleuderer waren besser. Oen und Harthu waren mit dabei und Tarian gehörte zu den Bogenschützen.“

      Robin riss die Augen auf und streckte seinen Kopf weit über den Wagenrand. Lavinia lugte mit einem ziemlich langen Hals hinter Viviane vorbei. „Erzähl!“, riefen sie im Chor und grinsten synchron.

      Loranthus seufzte und ergab sich strahlend seinem Schicksal.

      „Stellt euch eine riesige Wiese vor, so breit, dass man einen Speer mindestens ein Dutzend Mal werfen muss, bis man zur anderen Seite kommt.“

      „So weit auseinander standen die Heere?!“, rief Robin ungläubig, schlug sich aber schnell die Hand auf den Mund. „Erzähl weiter, Loranthus!“

      Loranthus tat so, als würde er in weite Ferne sehen und sprach mit geheimnisvollen Unterton: „Die Schlacht begann, als der Hochkönig der Chatten in seine Carnyx blies. Oooh, das hörte sich schauerlich an, kann ich euch sagen! Aber ich höre mir lieber den ganzen Tag zwei Dutzend Carnyx auf einmal an, als noch einmal so eine Schlacht sehen zu müssen und hören noch dazu.“

      „So schrecklich war das alles?“, fragte Robin ungläubig, schlug sich wieder die Hand vor den Mund und nuschelte zwischen den Fingern hervor: „Ich will alles ganz genau wissen!“

      Loranthus holte tief Luft und tat so, als würde er in enorm langes, aufrecht stehendes Horn blasen. Er brauchte beide Hände, um es fest zu halten, die eine am Mund, die andere weit ausgestreckt über seinem Kopf.

      „Die Chatten blasen ihre Carnyx, grölen Schmährufe und schlagen wie die Irren gegen ihre Schilde. Der Lärm ist entsetzlich, absolut grauenvoll. Plötzlich herrscht mit einem Schlag Ruhe. Warum? Nicht, weil ihnen die Luft ausgegangen wäre, oh, nein! Weil die Erde bebt.

      Alle Chatten glotzen wie blöde auf ihre Füße. Und ihre Füße, ha, ha! Es war genial! Ihre Füße, die zittern. Ihre Füße vibrieren so stark, dass ihre Knie aneinander scheppern. Das Rütteln und Schütteln zieht ihre Knochen bis hoch und sie fangen an, mit den Zähnen zu klappern. Sie klappern so laut, man kann es noch bis zu uns Hermunduren rüber hören! Auf die Entfernung, das müsst ihr euch mal vorstellen! Wie die Chatten dastehen, mit wackelnden Knien und aufgerissenen Mäulern und sich total entsetzt anstarren! Alle rufen durcheinander: ‚Die Götter der Unterwelt kommen! Hall kommt uns alle holen! Bei allen Göttern, wie kann das sein! Wir haben doch geopfert und die Götter haben uns den Sieg versprochen!‘ Oh! Sie haben geheult wie getretene Hunde, das kann ich euch versichern! Bis sie auf die Idee gekommen sind, nicht mehr auf ihre Füße zu schauen, sondern wieder nach vorne, auf die Hermunduren. Vielleicht haben sie gehofft, sämtliche Götter der Unterwelt hätten die Hermunduren verschlungen! Das wäre ja praktisch gewesen! Aber nein, oh nein! Beim Anblick der Hermunduren sind ihnen die Kinnladen runter geklappt!

      Dort hat sich nämlich ein noch viel größeres Heer aus dem Boden gestampft! Stellt euch vor! Wie aus dem Nichts stehen da plötzlich an den Flanken der Hermunduren neue Krieger mit neuen Pferden, neuen Kettenhemden, neuen Schilden, neuen Speeren, neuen Äxten, neuen Schwertern und die anderen Hermunduren jubeln ihnen zu, es wird sich begrüßt und auf die Schultern geklopft … ihr wisst ja selbst, wie es zugeht. Und als sich dann alle Hermunduren fertig in Schlachtlinie aufgestellt haben, grinsen sie rüber zu den Chatten.

      Ha, ha! Da reißen die Chatten wieder die Mäuler auf, aber diesmal bringen sie keinen Ton heraus. Sie können nur wie schwachsinnig da stehen und der Sabber tropft ihnen aus den offenen Mündern.

      Der Hochkönig der Chatten glotzt am dämlichsten, da tobt er plötzlich wie ein wütender Stier und kreischt, dass man ihn noch auf unserer Seite hört. Wie ein Irrer reißt er mit einem Ruck seine Carnyx hoch, bläst hinein und sofort stürmen seine Bauern los. Oh, ja! Sie stürmen los!

      Was bleibt ihnen auch anderes übrig, wenn ihr Hochkönig befielt. Vielleicht hat er sie mit irgendwas besoffen gemacht, dass sie so wild auf’s Kämpfen waren! Die waren ja alle wie im Rausch!

      Stellt sie euch vor! Wie sie angestürmt kommen! Nicht wie unzählig viele Bauern, oh, nein! Dicht an dicht wie eine einzige, feste Wand schieben sie sich über das Schlachtfeld. Eine Masse aus rasenden, brüllenden, wahnsinnigen, besoffenen Irren mit wilden Mähnen! Ihre Augen glühen, der Speichel spritzt auf ihre Bärte … Ich sage euch, so sehen Dämonen aus der Anderswelt aus!

      Hinter ihnen schlagen die restlichen Chatten wieder dröhnend gegen ihre Schilde und johlen Schlachtgesänge, damit die Bauern auch wirklich wissen, dass sie sich nicht blamieren dürfen! Nicht, dass einer umkehrt oder vor Angst in die Hosen seicht oder gar scheißt! Muss ja schließlich irgendeinen Zweck haben, das ganze Geschrei! Also grölen die anrückenden Bauern auch wie irre und schwingen dabei derart rasant die Beine, das Gras wird hochgewirbelt, die Fetzen fliegen … Es ist der reinste Wahnsinn! Ihre Arme rudern wie verrückt durch die Luft und ihre Waffen … so viele tödliche Waffen! Scharfe Äxte, Speere, riesige Messer und weiß der Geier noch was!

      Auf unserer Seite bläst Hochkönig Eryrrix ebenfalls in seine Carnyx, sofort preschen die Streitwagen im wilden Galopp los und teilen sich auf. Es sieht richtig anmutig aus, wie die Kolonne erst zusammen ausrückt und sich dann mit einem spektakulären Wendemanöver in drei Gruppen aufteilt. Ein Teil fährt gerade aus weiter, die anderen Teile schwenken nach rechts und links ab.

      Viviane rast mit ihrem Streitwagen zur rechten Flanke, unser Amaturix reitet auf seinem Hengst mit. Gemeinsam jagen sie am Rande des Schlachtfeldes entlang. Die Streitwagen der Chatten kommen ihnen so schnell entgegen, dass man nur noch fliegende Hufe und hoch stiebendes Gras sieht. Wie Donnergrollen hört es sich an. Tiefes, bedrohliches Donnergrollen.

      Auch im Mittelfeld preschen die Streitwagen vorwärts. Oen und Harthu und andere Schleuderer jagen damit über das Schlachtfeld und steigen dann auf halber Höhe aus. Die haben die Ruhe weg, sag ich euch, denn sie sind natürlich viel schneller, als die Chatten-Bauern zu Fuß, auch wenn die noch so schnell rennen. Bis die ihnen gefährlich werden, haben unserer Schleuderer schon Unmengen an Wurfgeschossen abgeschleudert.

      Diese Wurfgeschosse sind aber keine glatten Steine oder die praktischen Tonkugeln, wie ihr sie macht, oh, nein! Es sind Kugeln aus Metall! Unser Amaturix hat sie gegossen. Diese Kugeln fliegen viel, viel weiter als normale Schleudersteine und schlagen dermaßen durch, selbst durch Schilde! Bei Zeus und Pallas Athene! Blut spritzt, Knochen splittern, Augen bersten, Nasen … ja, ganze Gesichter!“

      Loranthus presste sich die Hand gegen seine Stirn und erschauerte.

      „Die Bauern sind noch nicht mal zu einem Viertel über das Schlachtfeld, da stehen schon Streitwagen mit Bogenschützen parat. Tarian ist mit dabei. Er spannt seinen Langbogen und einen Wimpernschlag später rammt sich sein Pfeil in die Stirn eines Chatten. Durch den Schild!“

      Loranthus wischte sich geistesabwesend über seine eigene Stirn.

      „Massenweise schlagen Pfeile in die Chatten. Manche haben aber Glück und rennen weiter, kreischen noch wahnsinniger und fordern Vergeltung. Die sollen sie bekommen! Unsere Streitwagen mit den regulären Speerwerfern erwarten sie schon, unsere Krieger zu Pferde mit dazu. Wer es von den Chatten-Bauern dennoch schafft und irgendwie durchkommt, der rennt gegen Lanzen und Schwerter und Streitäxte und … beim Haupte der Medusa! … Die Waffen krachen aufeinander und klirren und alle brüllen und kreischen und die Pferde stampfen und wiehern und die Streitwagen metzeln mit ihren Klingen an den Radnaben alles nieder … Fleisch und Knochen … und das Gras auf dem Schlachtfeld, alles färbt sich rot … so entsetzlich rot … und überall liegt …“

      Robin stöhnte auf und verzog das Gesicht, als hätte er große Schmerzen. Loranthus nickte und zeigte auf Arion und Dina, die unbeeindruckt den Streitwagen zogen.

      „An den Flanken kämpfen derweil die restlichen Streitwagen gegeneinander. Viviane und Silvanus ducken sich unter ihre Schilde gegen die anfliegenden Speere. Silvanus nutzt eine Lücke, trifft einen feindlichen Lenker und brüllt zu Viviane, wer als nächster an der Reihe ist. Viviane lenkt, weicht aus und reißt ihren