Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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schüttelte grinsend den Kopf und hielt irgendwie beides fest, Noeira mit den Beinen und sein Töchterchen mit einer Hand.

      Großmutter Mara hatte sich mit beiden Händen in den langen dunkelbraunen Haaren von Silvanus verkrallt und wollte sich daran hängen. Ach, nein. Sie zerrte ihn zu sich herunter. Silvanus – zuvorkommend wie immer – beugte sich grinsend zu ihrer faltigen Wange herab und gab ihr einen Kuss. Plötzlich packte er sie und warf sie so weit hoch in die Luft, dass Großmutter Mara jauchzte wie eine junge Maid beim Tanz.

      Lavinia gab ihr perfektes Versteck auf und rannte dorthin, wo die Musik spielte.

      Flora fing sie ab, hockte sich zu ihr runter und strahlte.

      „Lavinia, wir bekommen ein Baby!“

      „Aber Mama!“, schnaubte Lavinia und winkte ab. „Das ist doch nichts Neues! Wir wissen schließlich alle, dass du zur Zeit der Ulme ein Baby bekommst.“ Sie stellte sich auf die Zehen. „Und dann werde ich endlich große Schwester sein.“

      Flora lächelte ihre Jüngste an und deutete auf ihre große Tochter, die sofort den Kopf schräg legte.

      „Viviane bekommt auch ein Baby, etwa zur Zeit des Apfelbaumes. Du wirst also wieder Tante genau wie bei Robin, Belisama und Armanu.“

      Lavinia hörte sofort mit ihrem Spitzentanz auf und kippte den Kopf zur Seite. Sie war, bis auf die Haarfarbe, die Miniatur ihrer großen Schwester. Wie zwei ungleiche Ebenbilder betrachteten sie sich nun beide höchst nachdenklich, Viviane kniff nur die Augen nicht so zusammen. Im Gegenteil, ihre wirkten recht groß, wegen der hochgezogenen Augenbrauen.

      „Moment mal! Da stimmt doch was nicht!“, stellte Lavinia auch sogleich fest und sah ihrer großen Schwester prüfend in die Augen. „Der Apfel ist vor der Ulme dran! Da müsstest du ja schon etwa einen Mond vor Mama ein Kind empfangen haben.“

      Viviane schmunzelte.

      Lavinia kniff die Augen noch mehr zusammen, legte den Kopf noch schiefer und drehte sich ziemlich langsam zu Silvanus um. Auch ihn bedachte sie mit diesem taxierenden Blick und bekam prompt ein freches Grinsen zurück. Jetzt sah sie fast gar nichts mehr. Nachdenklich tippte sie sich an die Wange und widmete sich wieder Viviane, die irgendwie verlegen oder verärgert wirkte. Je nachdem, wie schnell sie ihr langes Mahagonihaar um den Finger wickelte, war das immer ganz offensichtlich. Diesmal war sie gerade dabei, sich den Finger abzuschnüren.

      „Dann ist das Kind gar nicht von Silvanus,“ sagte Lavinia gut verständlich und machte die Augen weit auf. „Du hast es aus Britannien mitgebracht, bestimmt von diesem Merdin, von dem du uns erzählt hast.“

      Vivianes Miene hatte sich bei jedem Wort mehr verfinstert, während sie nebenbei ihren Finger langsam ausgewickelt hatte, aber ihre Stimme klang bewundernd, als sie sich hin hockte und die Hände ihrer kleinen Schwester nahm.

      „Lavinia. Du bist schneller von Begriff, als ich für möglich gehalten hätte. Ich habe für diese Erkenntnis ganze drei Monde gebraucht. Und wenn ich nicht zufällig Großmutter Dana verdächtig vorgekommen wäre …“ Viviane hob in einer hoffnungslosen Geste die Hände. „Ich glaube, ich würde noch ein paar Monde weiter denken, ich hätte ein wachsendes Geschwür im Bauch.“ Sie klatschte sich die Hand gegen die Stirn. „Geschwür! Beim Geweih von Cernunnos! Ich will eine Ärztin sein und erkenne meine eigenen Symptome nicht!“

      Lavinia kicherte und drückte sich in die Arme ihrer großen Schwester.

      „Viviane. Spätestens beim ersten ordentlichen Tritt gegen deinen Bauch wäre dir was verdächtig vorgekommen und wenn nicht, dann spätestens im Winter, wenn es raus kommt und ‚Überraschung!‘ ruft. Da fällt mir gerade ein: Weißt du, wer außer mir noch so schnell von Begriff ist, große Schwester?“

      „Sag es, kleine Schwester!“

      „Madite, natürlich! Sie hat es schon vorausgesehen, damals zum Beltaine-Fest, weißt du noch? Sie hat gesagt, dass dem stolzen Hirsch ein Sohn geboren wird, wenn es zum dritten Mal schneit. Na, und dieser Merdin aus Britannien ist ja auch ein Nachfahre des Cernunnos, genau wie wir. Und weil er der Sohn des obersten Druiden dort ist, hat er auch einen hohen Status, also ist er dieser stolze Hirsch.“

      Viviane klappte den Mund auf und wieder zu. Lavinia spürte eine Hand auf ihrer Schulter. „Wenn du später mal Druidin werden willst, Schwesterchen, wäre es mir und Viv eine Ehre, wenn wir dich unterstützen dürften“, erklang eine leicht belustigte Stimme in ihrem Rücken.

      Lavinia drehte sich strahlend zu Silvanus um, der feixend zu ihr herab sah.

      „Danke, Silvanus. Ich werde dich daran erinnern. Schließlich kann ich jede Hilfe gebrauchen, wenn ich die Rechtsprechung studieren will. Das soll ja so unheimlich lange dauern, bis man endlich in diesen hohen Rat aufgenommen wird.“

      Silvanus schaute zu Viviane. Die beiden grinsten sich an und meinten einstimmig: „Du brauchst höchstens die Hälfte der Zeit!“

      Robin zupfte Silvanus am Hemd.

      „Silvanus? Wenn du Viviane zu Lugnasad heiratest, baust du dir doch auch ein Haus. Kann ich dann bei euch schlafen, bis euer Baby da ist? Belisama schreit nämlich immer so laut, wenn ich schlafen will. Ein paar Monde Ruhe täten mir gut.“

      Robin blickte hoffnungsvoll in die Augen von Silvanus, doch der sah verlegen zu ihm herab.

      „Also, Robin. Wir wollen schon zu Lugnasad heiraten, aber … wie soll ich dir das jetzt erklären …“

      „Vielleicht kann ich dir dabei helfen, Silvanus“, sagte Arminius, stellte sich zwischen Viviane und Silvanus und legte ihnen die Hände auf die Schultern. Alle drei hatten den gleichen stolzen Gesichtsausdruck.

      „Unsere Kinder bekommen ein Stück Land geschenkt, weil sie so tatkräftig an unserem Sieg beteiligt waren als Späher, im Vorkampf und als Wagenkämpfer. Das ist übrigens das Beste für uns und alle Hermunduren, außerdem hätten die ganzen Pferde auf unserem Land sowieso nicht genug Futter.“

      Flora sah ihren Mann fragend an, aber Noeira war schneller.

      „Pferde? Was denn für Pferde!? Erbeutete?! Doch nicht etwa alle, die da hinten stehen?!“ Silvanus kickte Conall seinen Ellenbogen in die Seite. Conall rempelte zurück und legte seiner Frau beruhigend den Arm um die Schultern.

      „Nein, natürlich nicht alle, Noeira. Viviane und Silvanus haben den anderen Kämpfern auch noch einen kleinen Rest übrig gelassen. Aber wenn du schon so fragst, hat es noch einen weiteren Vorteil, wenn die beiden ein Haus und einen Schuppen auf eigenem Land bauen können … Und damit meine ich nicht, dass Robin auf die Entfernung nichts mehr hört von dem Geschrei unserer kleinen Belisama.“

      Conall streichelte seinem Töchterchen die rosigen Wangen und bekam ein zahnloses Lächeln mit viel Spucke dafür. Er räusperte sich und deutete die Antsanvia hinunter.

      „Komm mal mit zu unserem Ochsenkarren, Noeira! Dann zeig ich dir die Köpfe, die Viviane und Silvanus erbeutet haben. Die passen keinesfalls alle zusammen an ein Haus. Wenn man die ganzen Schädel so dicht aneinander nageln täte, würde das viel zu protzig aussehen.“

      Viviane protestierte sofort, sie habe nicht die Absicht, irgendwelche Schädel an irgendwelche Hauswände zu nageln, doch Noeira hörte ihr gar nicht zu. Argwöhnisch kniff sie die Augen zusammen, beugte sich um Conall herum und betrachtete seine Rückansicht. Erschrocken weiteten sich ihre Augen.

       „Wo ist dein Zopf, Conall?!“

      Conall fasste sich ins Genick und zog verlegen den kläglichen Stummel seines Zopfes aus dem Hemd heraus.

      „Ach, Noeira! Der ist auch hinten im Wagen. Ich hatte wirklich gehofft …“

      Noeira presste ihre Lippen auf seinen Mund und klammerte ihre Arme fest um seinen breiten Rücken.

      „Viel wichtiger ist doch, dass dein Kopf nicht mit dran war, als das Schwert von dem Chatten ihn abgeschlagen