Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

Читать онлайн.
Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



Скачать книгу

seinem Schmerz natürlich nicht still hält … Die Chatten geifern wie tollwütige Hunde, als beim nächsten Schlag das Gehirn herausquillt und der Rest vom Körper zuckt und zappelt und sich aufbäumt und stöhnt … Denk ja nicht, dass sich irgendeiner erbarmt … oh, nein! Sie zerstückeln ihn bei lebendigem Leibe und als sie es endlich geschafft haben, jauchzen sie und tanzen und raffen ihre Beute ein …“

      Conall holte tief Luft und atmete rasselnd aus.

      „Und was tue ich?“, fragte er tonlos und schüttelte seine geballten Fäuste. „Nichts tue ich. Ich kann nur starren, starren und nochmals starren … doch was das Allerschlimmste ist … Ich bin so ein erbärmlicher Hund, denn ich bin erleichtert. Unendlich erleichtert, dass nicht ich es bin, der da nicht mehr zu erkennen ist und ich danke Hall, als sie erscheint und ich endlich meine Augen schließen kann, jetzt wo keiner mehr kommt, der es vielleicht doch noch auf mich abgesehen hat … Und wie ich so daliege, höre ich lautes Hufgetrappel, König Donar kommt an mir vorbei mit Ethel an seiner Seite und ihre Töchter gleich hinterher. Du kannst dir ja vorstellen, wie lange diese blutrünstigen Chatten noch zu leben hatten.“

      Conall kniff die Augen zu und öffnete sie langsam wieder. Staunend blickte er um sich, als wüsste er nicht genau, wo er war. Medan glotzte ihn an und zog schniefend die Nase hoch.

      Mittlerweile hatte sich der gesamte Clan eingefunden. Alle beobachteten stumm, wie Medan sich schluchzend in die Arme seines ältesten Bruders warf und Conall ihn tröstete, wie er es schon immer mit seinem kleinen Bruder getan hatte, nur diesmal mit einem Arm und schmerzverzerrtem Gesicht. König Gort wischte seiner Elsbeth über die Wangen und gab ihr einen sanften Kuss.

      „Lasst uns weiter ziehen“, sagte er mit belegter Stimme. „Gleich haben wir es geschafft.“

      Schwerfällig löste sich die Menschenmenge auf, während Lavinia etwas murmelte, dass sich wie: „Rein rechnerisch dürfte es noch nicht mal eine Stunde gedauert haben. Immerhin waren die Heere ungefähr gleich stark und so konnten auch nur einer, höchstens zwei Gegner gegeneinander kämpfen … schon gar nicht wegen der gut durchdachten Eröffnungstaktik unsererseits.” Laut sagte sie aber: „Viviane?“

      „Ja, Lavinia?“

      „War es sehr laut auf dem Schlachtfeld? Ich meine: Wenn die Schwerter klirren und die Menschen schreien … Haben Arion und Dina dabei nicht gescheut?“

      Viviane räusperte sich.

      „Nein, sie haben nicht gescheut, Lavinia. Bei unseren Übungsfahrten auf der Burg wurden sie daran gewöhnt. Die Krieger haben nämlich immer die Schilde zusammengeschlagen und geschrien. Aber trotzdem war dieser Lärm gar nichts im Vergleich zur Schlacht. Da war es so laut, als ob der schlimmste Sturm und das gewaltigste Gewitter gleichzeitig um dich herum toben, und du kannst dich nirgends unterstellen.“

      „Da kannst du nur hoffen, dass es bald vorbei ist.“

      Viviane sah ihre kleine Schwester ernst an.

      „Genau so ist es.“

      „Ihr musstet euch doch bestimmt auch vor den Speeren der Chatten schützen. Wenn man dabei die ganze Zeit den Arm mit dem schweren Schild hochhalten muss … Das geht doch gar nicht!“

      Lavinia schüttelte ihren Arm aus, der schon vom Zügel Festhalten wehtat.

      Viviane lächelte sie an und nickte zu Robin.

      „Dafür gibt es Halteriemen, die gehen quer über die Schulter. Unsere hat übrigens Conall gemacht. Sie haben gar nicht gescheuert. Alle haben uns darum beneidet.“

      Robin schwoll die Brust, was ihn wie eine verkleinerte Ausgabe von Medan wirken ließ, der im Moment jedoch ziemlich geknickt und mit mächtig zerzaustem roten Zopf neben Conall ging. Die beiden schienen in ein sehr ernsthaftes Gespräch vertieft.

      „Mein Papa hat diese Riemen gemacht?“, flüsterte Robin andächtig. „Die muss ich mir nachher unbedingt mal ansehen!“

      „Nachher, Robin. Jetzt sind wir da.“

      Mit diesen Worten tat sich vor ihnen der Wald auf und sie fuhren zwischen den letzten Bäumen hindurch auf die riesige Wiese vor der Burg. Der Tross fächerte sich längs des Fuhrweges auf und die Leute setzten sich ins Gras. Nur die Kämpfer sammelten sich um König Gort und Afal.

      Loranthus wollte auch hingehen, aber Medan hielt ihn an seinem kurzärmeligen Hemd fest.

      „Nicht du, Loranthus. Nur die, die bei der Schlacht dabei waren.“

      „Aber ich war dabei!“

      „Na gut. Dann hätte ich besser sagen sollen: Nur die, die gekämpft haben.“

      Loranthus sah Medan verständnislos an und schaute Viviane hinterher, die mit den anderen über die Holzbohlen vom Burggraben lief und gerade den Wall passierte. Sie hatte einen so schleppenden Gang.

      „Wohin gehen sie?“

      „Sie betreten das Heiligtum.“

      „Und wieso dürfen wir anderen nicht mit?“

      „Weil sie dort von Afal gereinigt werden.“

      „Gereinigt?! Wir haben uns doch heute morgen erst in der Ulster gewaschen!“

      Medan schüttelte ernst den Kopf.

      „Sie haben Menschen getötet, Loranthus. Diese Toten sind nun in der Anderswelt. Ihre Seelen müssen versöhnt werden, damit sie zu Beltaine oder Samhain nicht in unsere Welt zurück kommen und ihre Bezwinger mit sich ziehen.“

      Loranthus beäugte Medan, als würde er plötzlich die Landessprache nicht mehr verstehen. Abrupt zuckte seine Hand zum Burgtor und sein Zeigefinger stieß vor.

      „Aber die Chatten haben uns doch angegriffen! Nur wegen Salz! Da wurde gekämpft! Mann gegen Mann! Oder Weib! Das ist ja bei euch egal! Denkst du, da hätte auch nur ein einziger Chatte dich am Leben gelassen, wenn du dich nicht gewehrt hättest?! Ich, ein außenstehender, objektiver Grieche! Ich selbst habe gesehen, wie man aussieht, wenn man sich nicht gut genug gewehrt hat! Und glaube mir: So will ich nie aussehen! So willst du nie aussehen! So will keiner je aussehen!“

      Medan legte Loranthus beruhigend die Hand auf die Schulter.

      Doch der schüttelte sie brüsk ab, schubste Medan zurück und sprach mit verstellter Stimme: „He, du Hermundure! Ich habe ja nichts gegen dich persönlich, aber mein König sagt, ich soll dich töten, damit wir an euer Salz ran kommen. Euer Eisen bekommen wir natürlich auch noch mit dazu, gratis sozusagen! Und wenn ich mit dir fertig bin, komme ich in dein Dorf und hole mir dein Weib und deine Tochter! Was ich von deinen Kindern nicht gebrauchen kann, bringe ich auf den Sklavenmarkt! Oder …“ Loranthus fuhr sich mit dem Finger über seine Kehle und funkelte Medan angriffslustig an. „Bei Pallas Athene! Zeig mir einen …“ Er fuchtelte mit erhobenen Daumen vor Medans Nase herum. „ … einen Einzigen, der sich da nicht wehren würde!“

      Medan blieb ruhig stehen, nickte.

      „Komm. Ich kenne einen gigantischen Bergahorn. Von dort können wir ziemlich gut sehen. Es ist nur eine Zeremonie, Loranthus. Du brauchst dir keine Sorgen um sie machen.“

      „Keine Sorgen?“

      „Nein, keine Sorgen.“

      Loranthus trottete Medan hinterher, der mit den anderen seines Alters zum Waldrand zurückging, und sie kletterten an einem wirklich hohen Baum bis hinauf in die Spitze. „Es ist zwar nicht so gut wie auf einer Warte mit Fernrohr …“

      Loranthus beugte sich gewagt nach vorne und drückte einen dünnen Ast mit gefiederten Blättern nach unten.

      „Es ist perfekt.“

      Medan lächelte und beugte sich ebenfalls vor.

      „Schade“, seufzte er. „Wirklich schade, dass wir keine Kriegsbeute gemacht haben.“

      „Natürlich