Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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alles exakt symmetrisch angeordnet wurde. Stierköpfe nach Osten und Westen, Schafsköpfe nach Süden und Norden, die jeweiligen Schenkel dazwischen und drum herum die ausladenden Blumengebinde: Aus Sicht der Götter musste es wie ein abstrakter Blütenkelch aussehen.

      Afal breitete die Hände aus, senkte sie zur Mutter Erde, schwang sie hinauf zu Vater Himmel und rief dabei laut: „Sohn des Allvaters und unserer Mutter Erde, du schenkst uns dein Licht am Tage. Tochter des Allvaters und unserer Mutter Erde, du erhellst uns die Nacht. Achtung und Ehre gebührt euch immerdar, demütig neigen wir unser Haupt. Nehmt unser Opfer an, auf dass ihr uns nie eure Gunst entzieht. All ihr Götter! Wir, eure Kinder, huldigen eurer Macht! Kommt in unsere Mitte! Lasst uns eintreten in eure ewigen Sphären, auf das wir uns vereinigen, wie es seit Alters her geschehen ist.“

      Mit geschickten Händen schabte Afal den Feuerstein über das Eisen, Funken spritzten, Qualm entstand, blaue Flammen züngelten empor und verschlangen die Opfergaben. Aufmerksam und erwartungsvoll sah jeder im weiten Kreis dem Rauch nach, der zum Himmel stieg – selbst der junge Mann aus Kreta, dem bei diesem Anblick plötzlich ganz wehleidig ums Herz wurde. Und das lag nicht an seiner arg strapazierten Zunge, denn der Mund stand ihm weit offen.

      Am Anfang verlief das Fest noch so, wie es Loranthus schon kannte. Nur Elektra gesellte sich nach dem Essen nicht zu ihm, sondern blieb auf ihrem Platz neben Afal sitzen. Sie winkte ihm aber, dass er zu ihr kommen sollte. Also machte er sich gleich auf den Weg und grüßte Amaturix und den Barden ehrerbietig, die ebenfalls am Feuer saßen, ehe er sich neben Elektra nieder ließ.

      Suchend schaute er sich um, weil König Gort und seine Frau verschwunden waren, genau wie Viviane. Da fiel es ihm wieder ein: Viviane war ja schon vor der Feier mit Lavinia und Robin bei Tinne gewesen und jetzt wollte sie ihr mit dem König und der Königin etwas vom Opfermahl bringen.

      Während sie auf den König warteten, verteilten die Sklaven Met aus ihren riesigen Eichenfässern mit Eisenbändern so breit wie eine Handspanne.

      Medan reihte sich seelenruhig in die Schlange der Erwachsenen ein. Loth, der Sklave, nickte ihm zu, nahm das dargebotene Horn entgegen, rief „Luis!“ und reichte es an seinen kleinen Bruder weiter. Der schöpfte für Medan Himbeersaft aus seinem Fass und reichte es wieder zurück, dabei zog er die Wangen ziemlich weit ein, bestimmt wegen dem Geruch des Safts.

      Mit hängendem Kopf trottete Medan davon und brummte dabei fantasievolle Verwünschungen für den achtsamen Sklaven in seinen nicht vorhandenen Bart, bis er in die Nähe seiner Familie kam.

      Sofort ging sein Stampfen in ein Schlendern über und er ließ sich schwungvoll neben Tarian fallen. Bis zum Aufschlag schielten seine Augen auf dessen übervolles Horn, seine Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund. Den versteckte er nach der anderen Seite, wo es noch ein Horn zu inspizieren galt. Hier bot sich ihm eine ungeahnte Möglichkeit und schon zuckten seine Mundwinkel nach oben, jedoch gleich wieder ein Stück zurück, wegen der Tarnung.

      Conall hatte sein halbvolles Horn in der Schlaufe stecken und hielt sein Töchterchen auf dem Arm. Er war perfekt abgelenkt. Also tat Medan einen langen, schlürfenden Zug, beugte sich über Belisama und zog Grimassen, bis sie quietschte, nebenbei tauschte er seinen Himbeersaft ganz sachte aus.

      Beinahe hätte das auch funktioniert, wäre da nicht Arminius gewesen, und der kannte seinen jüngsten Sohn wie sich selbst. Er brauchte Tarian nur ansehen und schon packte der Medan am Arm, Arminius schnappte sich natürlich den anderen.

      Vollkommen ruhig gab Conall seine kleine Belisama an Noeira ab, nahm Medan sein Horn aus der Hand, trank den Met bis zum letzten Tropfen aus und schmatzte genüsslich. Mit tadelndem Blick zog er übertrieben langsam das untergeschobene Horn voll Himbeersaft aus seiner Gürtelschlaufe und gab Medan einen brüderlichen Klaps auf die Finger.

      Arminius und Tarian deuteten das als Zeichen und zerrten Medan zu Boden.

      Medan strampelte sofort mit den Beinen und ruckelte mit den Armen, aber er kam einfach nicht frei. Arminius hechtete sich auch noch todesmutig auf die fliegenden Beine und dann war es ganz vorbei mit seinen Zuckungen.

      Zur großen Erheiterung aller Schaulustigen im Umkreis von zweihundert Schritt zwängte ihm Conall die Kiefer auseinander und schüttete ihm den Himbeersaft in den Rachen. Sein „Ich will nicht!“, ging in Gurgeln und Husten über, bis er sich der Übermacht fügte und einfach nur schluckte. Kein Tropfen ging daneben, was darauf schließen ließ, dass er nicht das erste Mal auf diese Art verköstigt wurde.

      Arminius klopfte ihm versöhnlich auf die Schultern.

      „Nächstes Mal bekommst du deinen Met, mein Sohn. Und dann wirst du erfahren, dass es richtig war, ihn dir heute noch nicht zu lassen.“

      Medan knurrte wie Ethmanja, wenn ihr jemand einen besonders leckeren Knochen wegnehmen wollte, rammte sein leeres Horn in die Gürtelschlaufe und verschränkte störrisch die Arme vor der Brust. Finster starrte er von einem zum anderen, und je mehr ihm seine Familie aufmunternd zulächelte, desto düsterer wurde seine Miene.

      „Autsch! Bei Cernunnos!“ Conall klatschte sich die Hand ans Ohr. „Was war das? Au! Schon wieder!“ Seine andere Hand schlug auf seinen nackten Oberarm. „Mitten auf meine Narbe!“

      Medan rubbelte sich begeistert die Hände.

      „Da hast du’s! Unser Vater im Himmel sieht alles und rächt sich dafür, dass du mich so drangsaliert hast!“

      „Hmpf. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Ha!“ Conall zeigte ins Gras. „Von wegen Rache der Götter …“ Er bückte sich und hob triumphierend zwei grüne Glasperlen hoch, zu genauerer Betrachtung kam er jedoch nicht.

      Hinter den Feuern kreischte Lavinia wie eine Furie auf und Robin blökte wie ein Lämmchen, dem man die Beine lang zog. Sofort liefen alle in Hörweite herbei und bildeten einen Kreis, damit jeder die Ursache des Lärms gut sehen konnte, jedenfalls wer vorne stand.

      Silvanus ließ sich bereitwillig nach hinten drängen. Arminius und Conall schoben sich jedoch mit Schwung ins Zentrum, wo mehrere Kinder ineinander verkeilt am Boden lagen und sich wie irre balgten.

      Arminius betrachtete eine Weile das zappelnde Knäuel aus Armen und Beinen, dann griff er hinein und zog an einem Kräuterröckchen.

      Er stellte Lavinia aber nicht auf die Füße, sondern ließ sie an ihrem Gürtel in der Luft baumeln, als hätte er eben einen Busch ausgerissen und wolle die Erde abschütteln. Conall hatte es da schon schwerer, denn er musste erst mehrere Kinder auseinanderzerren, um an Robin heranzukommen. Wadi, Rivu und noch ein paar andere griffen nach allem, was daneben flog und hielten ihre Beute triumphierend in die Höhe. Ein Busch sah besonders ramponiert aus. Diesen fauchte Lavinia sofort an und ihre Zuhörer konnten sich nun ein Bild davon machen, wie es zu der Rauferei gekommen war.

      „Du Tollpatsch! Du hast mit deinem vermaledeiten Schilfrohr mein schönstes Armband kaputt gemacht!“

      „Was heißt hier Tollpatsch, du dumme Gans!? Was kann ich dafür, wenn mich der Hornochse schubst!? Wegen dem hab ich ein ganzes Horn Himbeersaft verschüttet!“

      Jetzt fuchtelte Robin wild mit den Fäusten und begann bedrohlich hin und her zu schwingen, doch Conall schien das nicht aufzufallen.

      „Selber Hornochse, du Rindvieh! Hättest halt schneller austrinken sollen! Ich bin bloß über eine Wurzel gestolpert, weil mich dein hinterlistiger Bruder mit seinem Schilfrohr in den Rücken gestochen hat! Wenn ihr schon Krieger spielen wollt, dann macht das gefälligst unter euch aus und lasst uns damit in Ruhe!“

      Jetzt schwang besagter Bruder an seinem Gürtel hin und her.

      „Wehe, du nennst mich noch einmal hinterlistig, du Muttersöhnchen! Aus dir wird sowieso nie ein Krieger! Komm nur her, dann beweis ich’s dir!“

      Lavinia verschränkte die Arme unter ihrem Bauch und sah säuerlich von einem zum anderen.

      „Ruhe jetzt! So geht das nicht weiter! Unsinnige Beschimpfungen machen mein schönes Glasarmband auch nicht wieder ganz. Lasst uns wieder Freunde sein und helft mir suchen!“

      „Such