Название | Menschen im Krieg – Gone to Soldiers |
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Автор произведения | Marge Piercy |
Жанр | Книги о войне |
Серия | |
Издательство | Книги о войне |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867548724 |
Werde ich sterben?, fragte er und antwortete sich dann: Aber ja. Jeder stirbt. Er versuchte sich seinen Tod vorzustellen, und ihm wollte nur ein Gefühl einfallen, in tiefes Wasser zu sinken, einzuschlafen und dabei wach zu bleiben.
Er dachte wieder kurz daran, mit einer Frau zu schlafen, und hatte schon begonnen, eine Liste möglicher Kandidatinnen in der Stadt durchzugehen, da drehte er sich um und kraulte zielstrebig auf das Floß zu, auf dem Bernice sich sonnte. Der Professor saß am Ufer an einem Campingtisch und las. Die Gesellschaft von Brachvogel war es, die er brauchte, aber hier konnte er nicht richtig mit ihr reden. Er wusste noch, wie Stimmen über das Wasser trugen, und erinnerte sich, wie er aus dem Wasser kam und die kleine Rothaarige draußen auf dem Floß zu Zach sagen hörte, sie habe Angst, sie sei schwanger.
»Lass uns nach Hause gehen«, sagte er. »Ich habe Hunger. Du musst mich aufpäppeln.« Er wollte sich mit ihr in die Küche zurückziehen, damit er ihr davon erzählen konnte, wie er in Alabama fast gestorben war, wie ihn hirnlose Trägheit verschluckt hatte. Wie demoralisierend es gewesen war, seine Energie, seine Vision, sich selbst zu verlieren. Wie er erst mit dem Malen aufgehört hatte, dann mit dem Zeichnen und zuletzt sogar damit, wie ein Maler zu denken. Wem sonst durfte er gestehen, dass er drauf und dran gewesen war, alles zu verlieren, was er in sich wertschätzte, dass er sich schließlich als ein zerbrechliches Gefüge über einem Sumpf belangloser Triebe und äußerst belangloser Bedürfnisse und Ärgernisse gesehen hatte?
Wenn er mit dem Malen aufhörte, verlor er seine Vergangenheit, die dann nicht mehr die Wanderschaft eines verkannten und zurzeit nicht gefragten Malers war, sondern einfach das leere Umherirren eines Tippelbruders. Wenn er mit dem Malen aufhörte, verlor er seine Zukunft, denn wer wollte sich schon ein Leben aus Gelegenheitsarbeiten in elenden Nestern vorstellen? Er hatte nie geglaubt, dass er je mit dem Malen aufhören könnte, doch er hatte es getan. Das machte ihm Angst.
Er überlegte, ob er seine französische Staffelei mit aufs Schiff nehmen sollte. OSS war großzügig beim Schiffsgepäck der Offiziere. Wahrscheinlich zu sperrig. Er wollte lieber die teureren Farben mitnehmen. Wenn er mit ihr redete und ihr klarer Kopf sein Leben umfing, wahrhaft sah, dann gelang ihm sicher, es zu verstehen. Und anzunehmen. Und weiterzuleben. Dann fühlte er sich zweifellos wieder als ein Kind des Schicksals, der günstigen Fügung, und das Glück, das ihn aus dem Morast der Trägheit und dem Sumpf der Verzweiflung gezogen hatte, das Glück, das im Augenblick den Namen Zach trug, würde irgendwann andere Gestalt annehmen und ihn voranwinken.
Jacqueline 3
Ein schmerzförmiger Stern
31 mai 1942
Sie haben uns befohlen, von nun an ständig einen gelben Stern zu tragen. Wir müssen unsere kostbaren Textilcoupons für die Sterne hergeben, als wollten wir so etwas haben oder wären bereit, Kälte zu erdulden und in Lumpen zu gehen, um uns solch einen Stern leisten zu können. JUIF steht darauf in großen, schwarzen, hässlichen Buchstaben, für den Fall, dass jemand zu begriffsstutzig ist, um den Sinn dieser Spitze zu erfassen – dieser sechsfachen, sechszackigen Spitze. Der Gelbton ist besonders grell – und ich trage nie Gelb. Alle von uns, die älter als sechs Jahre sind, müssen ihn auf der Straße und überall tragen.
Ich habe vermieden, mehr als unbedingt nötig nach draußen zu gehen, aber heute bin ich fest entschlossen, mein sogenanntes normales Leben wiederaufzunehmen. Wir sind von den Lehrveranstaltungen der Sorbonne ausgeschlossen, also ist es aus mit meinem Studium. Ein Brief kam. Die Regierung Frankreichs hat im Interesse rassischer Reinheit und so weiter. Ich schreibe das am Frühstückstisch vor einem großen Becher mit Gebräu aus irgendeinem Unkraut, an das wir ein bisschen Magermilch getan haben. Es schmeckt wie die Grassuppe, die die Zwillinge in den Sommerferien immer für ihre Puppen gemacht haben. Gleichgültig, wie mich die Leute auf der Straße anstarren, ich werde tun, was ich tun muss und was ich für richtig halte.
Am gleichen Tag: Ich fühlte mich entsetzlich auffällig, als trüge ich ein Schild: LEPRA, und so verhalten sich auch die Leute. Ich habe noch nie das Gefühl gehabt, dass so viele Menschen von mir wegschauen, so tun, als sähen sie mich nicht. Das ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste waren die, die auf mich losgingen und mich entweder beschimpften oder bedrohten oder in einem Falle – ein widerlicher Kerl von einem Mann – vom Bürgersteig stießen. Wenn der Lastwagen, der entgegenkam, nicht ausgewichen wäre, er hätte mich überfahren, denn ich stürzte direkt vor die Räder.
5 juin 1942
Zeiten wie diese lehren einen die Freunde schätzen. Gerade wenn ich mir Vorwürfe machen will, dass ich mich mit meinen zazou-Freunden herumtreibe, nur weil ich mich nicht ins Ghetto verbannen lassen will und sie als Einzige tolerant genug sind, sich mit einer Jüdin abzugeben, dann tun sie etwas, das mir zeigt, wie echt die Freundschaft zumindest von Céleste und Henri ist. Sie erschienen gestern im Café Le Jazz Hot und trugen große sechszackige gelbe Sterne mit GOJ darauf. Dann wurden sie auf dem Heimweg von einer Rotte dieser faschistischen PPF-Jugend überfallen. Sie haben Céleste die Kleider zerrissen, sie auf die Straße geworfen, getreten und ihr zwei Rippen gebrochen. Henri haben sie mitgeschleppt und kahlgeschoren und zusammengeschlagen, dass er nur noch ein Haufen blauer Flecke ist.
Sie verprügeln die zazous sowieso ständig. Viele junge Leute kleiden sich wie meine Freunde, Sonnenbrille, weites Jackett und enge Hosen, das Haar lang und voller Pomade, um die Faschisten auf die Palme zu bringen. Die behaupten, die zazous sind der Gipfel der Entartung und der Grund für Frankreichs Niederlage im Krieg, weil wir alle degeneriert und korrupt sind und der Jazz unseren Geist zerstört hat.
Heute Morgen stand ich von fünf bis acht nach Brot an. Ich bin völlig fertig und habe beschlossen, mich nach meiner Philosophiestunde ein bisschen hinzulegen. Ein paar von uns, die wir von der Universität relegiert worden sind, treffen sich dreimal in der Woche. Eine Studentin im sechsten Semester unterrichtet uns aus ihren Vorlesungsnotizen, und Daniela Rubin organisiert weitere Dozenten. Professor Moussat, der gerade als Jude denunziert und aus der École des Études Orientales entfernt worden ist, wird über die Ideenwelt des Buddhismus lesen. Ich bin nicht so fasziniert, wie ich es vielleicht noch vor einem Jahr gewesen wäre, aber zumindest ist es eine Ausbildung in etwas anderem als dem Ergattern von etwas Essbarem. Daniela und ich sind die treibende Kraft hinter diesem Bemühen, eine kleine Lehranstalt zu errichten, vermittels deren wir den Versuch zu durchkreuzen hoffen, uns in Unwissenheit zu halten! Sie ist ein Jahr älter als ich und wollte Ärztin werden. Ach, Daniela hat mir erzählt, was dem jüdischen Pfadfinder geschehen ist, der uns die neuen Ausweise verschaffen wollte: erschossen. Er war Teil eines Netzes, das Juden aus Frankreich heraus in Sicherheit schmuggelt. Jetzt tut es mir leid, dass wir nicht netter zu ihm waren, aber wir waren misstrauisch.
Nach meinen Stunden werde ich Henri besuchen gehen, obwohl es mir sehr seltsam vorkommt, den Hügel hinauf an der Sorbonne vorbeizugehen, von der ich vertrieben worden bin. Unsere »Kom«-militonen reagierten nach dem Motto: Ach, ich wusste gar nicht, dass du Jüdin bist. Sie hätten die Universität stilllegen können, wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, wegen unseres Ausschlusses zu streiken. Ich würde Henri so gern ein Geschenk mitbringen, aber wir haben die Leckerbissen von Naomi längst aufgegessen.
Gestern auf der Straße kam mir plötzlich der Gedanke, in welchem Maße man jetzt den Menschen ihre politische Gesinnung am Gesicht ablesen kann. Das heißt, die, die mit den Deutschen kollaborieren, sehen alle wohlgenährt und blühend aus. Sie bekommen etwas Richtiges zu essen – Butter, Eier, Hühnchen, manchmal sogar Fleisch –, und sie haben Seife, um sich damit zu waschen, und manche sogar Heißwasser. Wir Übrigen werden immer dünner und ausgemergelter und schmutziger. Wir Juden sind die Dünnsten und Schäbigsten