Название | Menschen im Krieg – Gone to Soldiers |
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Автор произведения | Marge Piercy |
Жанр | Книги о войне |
Серия | |
Издательство | Книги о войне |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867548724 |
Die Japaner benutzten eine Maschine für ihre Codierung, eine Maschine mit vielen Läufern oder Rotoren. Niemand von ihnen hatte diese Maschine je gesehen. Die Arbeit der Feindnachrichtenabteilung bestand darin, Radiosignale aus dem Äther zu pflücken und niederzuschreiben. Friedmans Gruppe war es gelungen, Ende des Sommers 1940 eine funktionierende Nachbildung der Purpur-Maschine zu konstruieren und den Code teilweise zu entschlüsseln. Purpur war nur einer von vielen Codes. Japans Armee und Marine benutzten eine Vielzahl weiterer Codes, die ebenfalls entschlüsselt werden mussten. Purpur jedoch war der Code aller diplomatischen Vertretungen, eine Fundgrube an Informationen über Japans Ziele und Gedankengänge und Beobachtungen weltweit. Die Marine und die Armee hatten in täglichem Wechsel an der Purpurentzifferung gearbeitet und dann ihre Ergebnisse abgeglichen. Daniel verbrachte seine Arbeitstage damit, Buchstabenklumpen wie diese anzustarren:
XYBLG IRGUB NZZCU IRFLB USKLM
Er bedauerte es, als die Heeresleitung beschloss, der Marine die Entschlüsselung von Purpur zu entziehen und ganz der Armee zu überlassen, denn das hieß, dass er Friedman nicht mehr regelmäßig sah. Er hatte eine Schwäche für den adretten kleinen Mann mit den förmlichen Manieren und der Aura, nicht ganz dazuzugehören. Er war froh, Friedman etwas Gutes bringen zu können, das Neueste von Baron Oshima, dem japanischen Botschafter in Berlin. Oshimas Kabel nach Tokio waren eine ausgezeichnete Informationsquelle über die Deutschen, denn seit der Unterzeichnung des Dreimächtepakts zwischen Deutschland, Italien und Japan hatten die Nazis Oshima in ihre Vorbereitungen und Kriegspläne eingeweiht. Der Baron war der beste Agent, den die Amerikaner in Berlin hatten. Durch Oshima hatten sie im Voraus gewusst, dass Hitler den Angriff auf die Sowjetunion plante, erfuhr Daniel, aber amerikanische Versuche, die Sowjets zu warnen, waren an Stalins strikter Weigerung gescheitert, das zu glauben.
Friedman saß mit geschürzten Lippen an seinem Schreibtisch, und sein Blick verlor sich in innere Fernen, die kleinen, zerbrechlich wirkenden Hände spielten mit einem Bleistift. Als Friedman ihn schließlich bemerkte, schien ihm seine Geistesabwesenheit fast ein wenig peinlich zu sein, doch er hatte Daniel wie auch seinem eigenen Stab beigebracht, ihn nicht zu stören, wenn er ein Problem durchdachte. Daniel hätte eher den ganzen Tag dagestanden, als ihn unterbrochen.
»Wann findet Ihr Umzug statt?«, fragte Friedman und überflog rasch das Bündel Papiere. Die Marine zog in eine frühere Mädchenschule, Mount Vernon, so wie Friedmans Dienst in eine andere zog, Arlington Hall. Offenbar gab es um Washington herum ein Übermaß an ehemaligen Mädchenpensionaten, die höheren Töchtern den letzten Schliff verleihen sollten, sinnierte Daniel. Vielleicht waren ihnen die höheren Töchter ausgegangen.
»Wir hoffen, nächsten Monat umzuziehen, wenn hoffen das richtige Wort ist. Da draußen sind nicht mal Insektengitter an den Fenstern.«
»Dann werden Sie mehr Beschäftigte haben, als Sie bislang zählten, und neunundneunzig Prozent davon werden sechs Beine haben und stechen. Sie sollten sich einen guten Insektenführer besorgen und sich an der Vielfalt freuen.«
Daniel wusste nicht genau, ob Friedman im Scherz sprach, da sein Gesicht sachlich blieb und er immer noch den Abzug überflog. Er machte einige Randnotizen. »Ich dachte gerade«, sagte er, »dass Juden sich vielleicht so rasch Sprachen aneignen, weil sie unabhängig vom Geburtsort schon früh mehrere lernen.«
Daniel brachte das ein wenig aus der Fassung. Er hatte einen Kommentar zu dem Kabel des Barons erwartet, aber Friedmans Gedanken waren bei Daniels Japanisch, eine Sprache, so hatte ihm Friedman erzählt, die er zu seinem Bedauern aus Zeitmangel nicht hatte lernen können. Daniel schaltete um. »Ach, Sie meinen, weil wir Hebräisch lernen. Und Jiddisch oder Ladino oder was immer zu Hause gesprochen wird. Dann die Landessprache. Innerhalb meiner eigenen Familie müssen die vier Brüder meines Vaters und ihre Familien zehn Sprachen sprechen. Vielleicht mehr.« Er begann, sie im Geiste zu zählen.
Friedman beendete die Durchsicht. »Das hier kommt mir eher wie eine Wunschliste Hitlers vor als wie irgendetwas Reales, aber ich nehme an, es ist durch den Dienstweg gegangen?«
»Ja, Sir, selbstverständlich.«
»Sie haben seit Ihrer Ankunft an Purpur gearbeitet. Zu schade, dass wir Sie nicht einfach hierher versetzen können.«
»Das wäre mir sehr lieb«, sagte Daniel offen. »Lieber als alles andere. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Marine sagt: Klar, gehen Sie und arbeiten Sie für die Armee. Wir werden Sie morgen überstellen, denn das ist eine vernünftige Entscheidung.«
»Manchmal benimmt die Marine sich, als wären die anderen Heeresgattungen ihre schlimmsten Feinde.« Friedman seufzte. »Früher waren alle Gattungen arme Verwandte, gingen mit der Mütze in der Hand zum Kongress und baten um Futter für ihre Maulesel und um Farbe für ihre rostenden Kähne. Sie haben in erstaunlicher Weise Gefallen an der Macht gefunden.«
»Führt der Krieg nicht automatisch dazu? Alle Macht dem Militär?«
»Die Briten und die Sowjets haben die Entscheidungsgewalt nicht an das Militär abgetreten, sondern die Politiker haben das Sagen – ob zum Guten oder zum Schlechten. Als Einzige unter den Verbündeten überlassen wir politische Entscheidungen den Generälen.«
Nach beendeter Audienz ging Daniel zurück und war glücklich. Wenigstens würde Friedman ihn nehmen, wenn er die Möglichkeit hätte, und das war das größte Kompliment, das er je erhalten hatte. Später an dem Tag sah er Friedman mit einer Gruppe hoher Tiere der Armee vor dem Zeughaus stehen, mit Drei- und Viersternegenerälen, alles bullige, vierschrötige Männer, mit denen er offensichtlich gerade eine halb-historische Konferenz gehabt hatte. Friedman stand abseits und lächelte leicht gedankenverloren. Er wirkte, als wäre er durch einen unglücklichen Zufall unter die Generäle geraten, eine geschmeidige asiatische Katze, eine Siamkatze, die sich plötzlich in einer Herde schnaubender Bullen wiederfindet, vorsichtig deren Hufe meidet und nicht recht weiß, in welcher Sprache sie anzureden sind. Doch Daniel wusste, wenn Friedman den Militärs einen Lagebericht gab, dann hörten sie zu. Friedman wusste sehr wohl, wie er mit ihnen reden musste, damit sie ihn verstanden, denn er hatte seit Jahren ihre Offiziere ausgebildet. Er hatte ihr gesamtes Ausbildungssystem für Funkverschlüsselung und Geheimcodes aufgebaut.
Purpur loszuwerden verringerte keineswegs den Druck auf Sektion 20-G; die Spannung stieg, bis das Büro davon glühte. Es war, als jaulte eine hohe Stimme aus der Decke ständig: Los, los, los, los, los. Die japanischen Marinecodes mussten vorgestern entschlüsselt sein; die lebenswichtigen Funksprüche mussten entziffert und übersetzt sein. In Pearl Harbour war ein so großer Teil der amerikanischen Flotte vernichtet worden, dass es kein einziges Schlachtschiff mehr gab und nur noch vier Flugzeugträger. Die Admiräle Kind und Nimitz mussten wissen, was die Japaner taten, und zwar, bevor sie es taten, denn nur dann konnten sie ihre paar Figuren über die weite blaue Tafel an die richtige Stelle schieben. Selbst dann waren sie an Feuerkraft noch unterlegen, aber ohne dieses Vorauswissen hatten sie nicht die geringste Chance, weitere japanische Invasionen zu verhindern.
Deshalb arbeiteten sie unaufhörlich, unterbesetzt, bis weitere junge Offiziere aus den Sprachprogrammen in Boulder und Harvard entlassen wurden. Deshalb arbeiteten sie die Nächte durch. Deshalb arbeiteten sie an sieben Tagen in der Woche. Deshalb saß Daniel eines Samstagabends mit einer Speisekarte der Südstaatenküche vor der Nase in einem Restaurant und bemühte sich verzweifelt, sie zu entschlüsseln, konnte nicht glauben, dass sie meinte, was sie sagte, und wusste beim besten Willen nicht mehr, was diese Wörter, die sich in einzelne Buchstaben und dann in schwarze Chiffren aufzulösen schienen, bedeuten mochten.
Die Spannung setzte allen zu. Rodney, dem sonst nie ein lautes Wort entschlüpfte, schmiss sein Lexikon auf den Boden und fluchte, während die heißblütigeren Kryptologen sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf warfen. Eine der älteren Frauen, Sonia, weinte, und Ann verbarrikadierte sich hinter einer Wand aus Büchern, über die hinweg kein Blick mehr auf ihre geschmeidige asiatische Schönheit zu erhaschen war. Ann verlor nie die Beherrschung; sie zog sich nur immer weiter in sich selbst zurück angesichts der wie reife Eiterbeulen aufplatzenden Exzesse. Mehrere beantragten