Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy

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Название Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Автор произведения Marge Piercy
Жанр Книги о войне
Серия
Издательство Книги о войне
Год выпуска 0
isbn 9783867548724



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ihn auf zwei Fingern kreisen. Sie schlüpfte aus ihren hochhackigen Pumps und sank in den Schaukelstuhl, um sich die müden Füße zu massieren. »Hat dein Papi gesagt, was er wollte, Kay?«

      Kay kicherte. »Ich habe ihm von meinem Aufsatz erzählt, und er hat ihn praktisch am Telefon für mich geschrieben.«

      »Das war bestimmt sehr hilfreich«, sagte Louise und schmeckte dabei den Essig in ihrer Stimme. »Was hatte er sonst noch zu bieten?«

      Kay zuckte die Achseln. Offensichtlich war sie unwillens, die Reichtümer eines trauten Vater-Tochter-Gespräches zu teilen.

      Louise fiel es wieder ein. »Für dich ist ein Brief da von deiner Tante Gloria.«

      Gloria, Oscars Schwester, hatte der Kriegsausbruch in Paris überrascht. Gloria war Kays Lieblingstante, die Glanzgestalt, die Andere, die sie so sehnsüchtig sein wollte: eine elegante, schwarzhaarige Schönheit, die als freie Korrespondentin in amerikanischen Zeitschriften über französische Mode berichtete. Gloria war wie Oscar in der Stahlstadt Pittsburgh geboren, doch das einzig Stählerne an ihr war ihr Wille. Louise bewunderte die Willenskraft und den Stil ihrer Schwägerin, obwohl Gloria außer Opportunismus keinen politischen Standpunkt besaß und einen nichtssagenden Franzosen mit mehr Geld als Verstand und mehr Stolz als Geld geheiratet hatte.

      Gloria nahm ihre Tantenpflichten ernst. Sie war kinderlos, denn ihr etwa zwanzig Jahre älterer französischer Mann hatte bereits Kinder, denen es offenkundig lieber war, dass er keine weiteren in die Welt setzte. Während Kay durch die Wildwasser ihrer Pubertät paddelte, schickte Gloria ihr unpassende Geschenke (entweder zu kindliche Teddybären oder zu damenhafte perlenbesetzte Pullover) und anekdotische Briefe, die Kay heiß und innig liebte.

      Nun raffte Louise sich seufzend auf. Sie streifte einen Kuchenkrümel vom Rock ihres rosaroten Wollkostüms und betrachtete sich in Kays Spiegel.

      »Du siehst schick aus, Mami. Warum bist du immer noch so angezogen? Gehst du noch mal aus?«

      »Nein, Liebling, keinen Schritt. Ich wollte mich nur bei dir melden.« Sie sah wirklich recht gepflegt aus, der Teint rosig über dem rosaroten Kostüm, das Haar gut geschnitten, eng anliegend an den Seiten des ovalen Gesichts, dessen bestes Merkmal die fein geschnittenen Züge waren und dessen zweitbestes die großen grauen Augen, betont vom rotbraunen Haar. Louise war es immer selbstverständlich gewesen, auf Männer attraktiv zu wirken; etwas Gegebenes, über das sie nicht nachzudenken brauchte, ein Vorteil, auf den sie sich verlassen konnte. Jetzt prüfte sie kritisch ihr Aussehen, wie sie es jeden Monat mit ihrem Bankkonto tat. Die Ausgaben waren hoch für ihren vaterlosen Haushalt, und die Lebenshaltungskosten konnten sich auf dem Gesicht einer Frau von achtunddreißig rasch niederschlagen. Wenig Eitelkeit war im Spiel. Sie vertrat die Ansicht, wenn ein Vorteil dahin war, so tat man gut daran, das zu berücksichtigen. Doch der Spiegel versicherte ihr, dass sie attraktiv geblieben war, falls das irgendetwas nutzte.

      Wenn sie daran dachte, wieder zu heiraten, dann tauchte die Frage auf, wo sie mit dem Mann überhaupt hinsollte. Nachdem Oscar entschwunden war, hatten sie und Kay und Mrs. Shaunessy und ihre Sekretärin Blanche den Platz rasch ausgefüllt. Sie war nicht bereit, auf ein Büro für ihre Arbeit zu verzichten und sich je wieder mit einem zierlichen Damenschreibtisch hinter einem Wandschirm in einer Ecke des Schlafzimmers zu begnügen. Sie lächelte dem Spiegelbild, das sie schon gar nicht mehr wahrnahm, zu und dachte daran, wie bezeichnend es für das Zusammenleben mit Oscar gewesen war, dass sie ihrer Arbeit in einer Ecke hatte nachgehen müssen. Alles hatte sich stets und ständig nach ihm richten müssen.

      »Mutter! Du benutzt den Spiegel ja mehr als ich.«

      Sie merkte, dass Kay mit Glorias ungeöffnetem Brief auf dem Schoß dasaß und darauf wartete, dass sie ging, damit sie ihn ungestört verschlingen konnte. Louise fühlte sich ausgeschlossen und entfernte sich sofort. Das Abendessen war sicher eine bessere Gelegenheit. Sie nahm sich vor, beim Abendessen mit Kay zu reden, denn das war oft ihre beste Zeit. Sie würde aus ihrem Nachmittag eine Perlenschnur komischer Geschichten machen, um Kay zum Lachen zu bringen, und sie dann nach der Schule und ihren Freunden und Freundinnen fragen. In letzter Zeit umwarb sie ihre Tochter ständig. Sie musste sich bezähmen, nicht zu viele Geschenke zu kaufen, aber vielleicht war es möglich, am Sonnabend mit ihr einkaufen zu gehen, nachmittags. Sie konnte sich noch an ihre Vertrautheit erinnern, als sie sämtliche Hoffnungen und Wünsche und Ängste von Kay auswendig kannte, als sie Kay im Arm gehalten und für sie »Du bist mein Sonnenschein« gesungen und es auch so gemeint hatte. Ihr kostbares Sonnenkind, dessen Leben völlig anders werden sollte, geborgener und besser als ihre eigene arme und zerrüttete Jugend.

      Nun konnte sie das Telefongespräch mit Oscar nicht länger hinausschieben. Sie dachte daran, Mrs. Shaunessy nach seinen genauen Worten zu fragen, aber ihr Zaudern und ihre Befangenheit hatten noch nicht die Oberhand. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, nahm sie ihr Schlafzimmertelefon auf den Schoß, doch dann überlegte sie es sich anders und beschloss, ihn von ihrem Bürotelefon aus anzurufen. Von Schreibtisch zu Schreibtisch. Das mutete sicherer an. Louise saß in ihrem Drehsessel und blickte mit Genugtuung auf das kleine Arbeitskönigreich, das sie sich geschaffen hatte, dann wählte sie widerwillig Oscars Nummer in seinem Büro in der Columbia University.

      »Oscar? Hier ist Louise. Du hast angerufen?«

      »Louie! Wie geht’s dir? Augenblick.« Er sprach vom Hörer weg. Die Stimmen redeten ein Weilchen weiter, sie saß da und zog vor Ungeduld Gesichter. »Entschuldige, dass ich dich warten ließ, aber ich wollte meine Assistentin ins Vorzimmer verfrachten.«

      »Assistentin wobei?«

      »Ich leite eine Befragung deutscher Flüchtlinge. Einer meiner Studenten befragt die Männer, und eine junge Dame von Blumenthal wird sich der Frauen annehmen. Wie geht’s dir, Louie? Ich habe vorhin mit Kay gesprochen. Wir hatten ein recht verständiges Gespräch über den Sinn der Demokratie.«

      »Kay sagte, du hast ihr am Telefon in groben Zügen den Aufsatz geschrieben.«

      »Sind das nicht scheußliche Nachrichten dieser Tage? Wenn ich das Radio anstelle, dann rechne ich mit der Nachricht, dass Moskau gefallen ist.«

      »Sie kämpfen in den Vorstädten. Ich warte immer darauf, dass der legendäre russische Winter seine historische Pflicht tut und die Nazis vereist –«

      »Ich habe letzte Woche Oblonsky getroffen. Er ist in Leningrad gewesen. Er sagt, sie verhungern.«

      »Nicht buchstäblich«, sagte Louise schneidend. Sie hatte eine Abneigung gegen solche Übertreibungen.

      »Durchaus buchstäblich. Die Menschen sterben vor Hunger und Kälte. Er sagt, sie fallen zu tausenden tot um, und es ist niemand da, um sie zu beerdigen.«

      Louise schwieg. Sie und Oscar hatten Freunde unter den Intellektuellen und Schriftstellern Leningrads, einer Stadt, die sie Moskau vorzogen. Oscar konnte etwas Russisch, und sie hatten die Sowjetunion 1938 besucht. Schließlich sagte sie: »Wir werden wohl erst, wenn der Krieg vorbei ist, erfahren, was aus allen geworden ist.« Sie seufzte, und Oscar an seinem Ende seufzte auch. »Ach, Gloria hat Kay geschrieben.«

      »Was hatte sie zu berichten?«

      »Da musst du deine Tochter fragen.«

      »Ich bin überzeugt, Gloria geht es bestens. Sie ist gut vor den Nazis abgeschirmt, und ich kann mir nicht vorstellen, wieso die sich für sie interessieren sollten. Mir wäre zwar sehr viel lieber, sie würde sich zurückverfügen, aber sie sieht wohl wenig Grund, ihre Koffer zu packen und abzureisen. Schließlich ist sie Bürgerin eines neutralen Staates.«

      »Was hast du auf dem Herzen, Oscar? Du hast zweimal angerufen.«

      »Sonntag ist unser Hochzeitstag. Der siebzehnte, hab ich recht?«

      »Es war schon ungewöhnlich, dass du ihn in den fünfzehn Jahren unserer Ehe behalten hast, das sagten mir immer meine sämtlichen Freundinnen, aber hältst du es nicht für ein bisschen übertrieben, davon Notiz zu nehmen, nachdem wir geschieden sind?«

      »Ich weiß immer noch nicht, warum du die Scheidung wolltest –«

      »Sie ist jetzt seit einem Jahr