Название | Ruhrpottliebe |
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Автор произведения | Lena Schätte |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783865067586 |
„Klingt ja vielversprechend! War da zufällig auch eine nackte Frau mit Klebesternchen auf den Nippeln, die gestöhnt hat, deeeutsche Määänner, ruuufen a‘?“
Sie lacht gehässig und verpasst mir einen Hieb, ihre Fingerknöchel bohren sich dabei schmerzhaft in meine Schulter.
Während sich Carmen im Bad von dem Shirt befreit, das nach alten Menschen riecht, und duscht, wühle ich mich durch einen Haufen Fragen, die das Internetportal mir bei meiner Anmeldung stellt. Angeblich dienen sie dazu, meinen Charakter zu erfassen und zu erkennen, was für ein Typ Frau ich bin, doch mir kommt es eher vor wie ein Schubladensystem. Ein bisschen wie bei diesen Ankreuz-Psychotests in der BRAVO früher.
Als Carmen wieder zu mir stößt, erstellen wir gemeinsam mein Profil. Sie riecht nach Mango-Shampoo und Deodorant. „Erst mal brauchst du einen Nickname. Verbinde es mit irgendwas, das zu magst. Einer Band, einem Film“, erklärt sie, während sie sich neben mir die braunen Locken trocken rubbelt. Nach kurzer Überlegung tippe ich Pulp Fiction ein und bin überrascht, dass dieser Name noch verfügbar ist. „Körpergröße …. 169 cm“, lese ich die erste Spalte des Profils samt Lösung laut vor und fülle sie aus. „Gewicht/Figur … wahlweise dünn, schlank, sportlich, normal, ein paar Kilo mehr oder moppelig. Moppelig?“ Ich verschlucke mich an meinem Cocktail. Wie immer hat Carmen viel zu viel Schnaps hineingemischt, und meine Stirn beginnt bereits nach den ersten Schlucken zu kribbeln.
„Ja …“, lacht sie aufgedreht.
„Hm … also, ich sehe mich als sportlich, aber der ein oder andere würde mich bestimmt als moppelig bezeichnen“, nuschle ich vor mich hin.
„Sportlich? Kugelstoßerin oder was? Nimm normal!“, beschließt Carmen.
„Haarfarbe? Blond … Sternzeichen? Skorpion … als würde das irgendwas zur Sache tun … Raucherstatus? Gelegentlich!“
„Schreib das nicht!“
„Warum? Ist doch die Wahrheit.“
„Ja, aber da gibt es immer eine Reihe von Fitnessfreaks, die denken, du hast ein Gesicht wie ein voller Aschenbecher, nur weil du dir hin und wieder eine ansteckst … lass die Zeile einfach frei.“
„Na gut, Frau Expertin. Weiter im Text: Beziehungsstatus … vergeben, offene Beziehung, komplizierte Beziehung, verheiratet mit Nachwuchs, verheiratet ohne Nachwuchs, geschieden, verwitwet, Single, suchend …“
„Suchend ist praktisch ein Codewort für einsam, stehe meiner Mutter unnatürlich nahe, masturbiere überdurchschnittlich oft, rasiere mich nur im Hochsommer, und ziehst du mich aus, findest du weiße Baumwollunterhosen mit Stockflecken … also Single.“
„Okay. Beruf?“
„Denk dir einen Begriff aus, der deinen Beruf zwar umschreibt, irrsinnig wichtig klingt, es aber nicht genau auf den Kopf trifft“, weist sie mich an und lässt noch etwas braunen Zucker in ihr Glas rieseln.
„Ähm … Assistenz in der Justizbranche.“
„Dann schreib doch gleich: Aktenschlepper“, prustet sie los, und ich werfe ihr einen ernsten Blick zu.
„Wann fängt deine Ausbildung eigentlich an?“
„Nach dem Praktikum. Also noch gut 10 Tage.“
„Wie wäre Bürokratin? Klingt offiziell, mit leicht historischem Flair.“
„Okay, weiter … Ausbildung/Abschluss … das geht ja wohl niemanden was an. Weiter … ich suche?“
„Jetzt wird’s interessant!“
„Wahlweise feste Beziehung, Freundschaft, Affäre, Mailkontakte oder was sich eben ergibt.“
„Jetzt musste aufpassen!“, fuchtelt Carmen wild mit ihrem Drink in der Luft herum. „Feste Beziehung klingt zu bedürftig. Als wärst du neulich 30 geworden und hättest einsam vor den tausend Kerzen gesessen und beschlossen, dass es endlich Zeit wird, ein Kind zu werfen. Freundschaft klingt armselig. Als würdest du jemanden suchen, mit dem du dich über deine Star-Trek-Figurensammlung unterhalten und eine Fahrgemeinschaft für die Cosplay-Messe gründen kannst.“
Sie räuspert sich kräftig und zupft ihren übergroßen Pullover zurecht.
„Affäre … klingt nach Werner, Mitte fünfzig, will endlich seine Lack- und Lederneigungen ausleben und sucht jemanden, der sich für ihn in den Ganzkörperanzug schmeißt und sich mit Pferdesalbe beschmieren lässt.“
„Ah!“
„Und Mailkontakte. Klingt ein bisschen zu sehr nach E-Mail für dich mit Meg Ryan und Tom Hanks. Hallo, lieber Seattle 35, ich bin heute über eine Brücke gelaufen. Da hab ich mich so tiefsinnig gefühlt. Brücken sind ja auch so tiefsinnig. Und das Leben ist so tiefsinnig. Was meinst du? Da ist, was sich eben ergibt‘ genau das Richtige“, schließt sie und grinst zufrieden.
„Finde ich nicht. Ich finde, ,was sich eben ergibt‘ klingt nach , Wir treffen uns und nichts muss, aber wenn du pimpern willst, bin ich natürlich gerne dabei‘! Das ist nicht unbedingt die Einstellung, mit der ich zu einem Date gehe …“
„Dann lass es halt frei“, brummt sie sichtlich beleidigt, dass ich ihre Internet-Dating-Eloquenz infrage stelle.
„Dann ist hier noch eine Zeile mit Charakterbegriffen.“
„Da schreibst du drei Wörter hin. Die meisten Frauen schreiben Sonnenuntergang, Spazierengehen und Katzen, die meisten Männer Party, Sport und Autos.“
Sie scheint schon ein wenig betrunken zu sein, denn aus ihrem niedlichen Kichern wird langsam, aber sicher ein geräuschvolles Grunzen. Ich überspringe die Rubrik.
„Jetzt muss ich ein Foto hochladen.“
„Die meisten Frauen laden Fotos hoch, bei denen sie aus ungefähr drei Meter Höhe fotografiert wurden, damit ihre Gesichter auch ja schön schlank aussehen.“
„Hast du über das Thema mal eine Facharbeit geschrieben?“
„Nö, man sammelt eben Erfahrungen.“
Nachdem Carmen auf der Couch eingeschlafen ist und Slatko es sich unbemerkt auf ihrem weichen Busen gemütlich gemacht hat, bekomme ich meine erste Nachricht im Online-Dating-Karusell.
„Hey Girl, I’m Gassimou. My friends call me Mo. I´m student in Berlin. Love your face on the photo and would like to meet ya. Greets.“
Leicht erschrocken betrachte ich das tiefschwarze, ernste Gesicht des Schreibers. In seinem Profil steht nicht viel, bloß ein paar Floskeln à la My german is awful, but I love German Girls with blonde hair and blue eyes. Kurz schaue ich zu Carmen, die laut schnarcht.
„Ach ja, hier sind also keine armen Schweine und Freaks unterwegs?“, flüstere ich ihr kaum merklich zu, als ich die Nachricht lösche und mich auslogge.
Kapitel III
„War man eben noch lediglich das Leben und Lieben satt
Und ist jetzt dank Trank ganz krank vom Sinn
Morgengrauen mittendrin und ich bin ohne her und hin
Weil ich hin bin und nicht mehr Herr der Lage.“
Sebastian 23
„Weißt du, wie schnell so eine hellgraue Couch versaut ist?“, blinzelt Katja ihren Kevin mit mütterlicher Fürsorge an und streicht ihm ein paar Pizzabrötchenkrümel vom Bauchansatz. Schon wieder frage ich mich, wie zum Teufel ich auf die Idee kommen konnte, mit einem Pärchen, noch dazu mit einem, wie die beiden es sind, essen zu gehen. Manche alten Freunde sollte man einfach in der Schublade lassen.
„Aber florales Muster kommt mir auch nicht in die Tüte, Schatz“, erwidert Kevin bestimmt und schmunzelt mich an, anscheinend