Alfi, der Chaot. Inken Weiand

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Название Alfi, der Chaot
Автор произведения Inken Weiand
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783865067128



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der Tollste, der mittlere geht noch, und der mit den wenigsten ist der Loser per se. Obwohl er ja immerhin ein Pfund hat.

      Ich flüsterte Pa, der neben mir saß, zu, was eigentlich mit denen wäre, die überhaupt kein Pfund bekommen hätten. Pa flüsterte zurück, ich solle ihn hinterher fragen.

      Nach dem Gottesdienst wollte er dann von mir wissen, was ich eben gefragt hätte. Ich hatte die Sache schon wieder halb verdrängt, aber dann fiel es mir wieder ein. “ Was ist eigentlich mit denen, die noch nicht einmal ein Pfund verliehen bekommen haben? Die Totalloser eben? So wie ich?“

      Pa sah mich an. “ Du bist kein Totalloser. Du hast auch eine Begabung. Du hast sicher ein Pfund.“

      “ Aha. Und welches soll das sein?“

      Mit der Frage brachte ich Pa echt in Verlegenheit. Er sah sich hilflos nach Ma um, die aber gerade mit Frau Hasenberg redete. Dann stotterte er irgendetwas von inneren Werten.

      Deprimierend, das Ganze.

       Hey, Gott, wozu hast du eigentlich die Totalloser erfunden? Und wenn es schon sein muss: Warum muss dann ausgerechnet ich einer von ihnen sein?

      Schule. Schule ist wie immer, deprimierend und alles das, was dazugehört. Heute wurden wir Vokabeln abgefragt, und natürlich konnte ich mal wieder fast überhaupt nichts. Woher soll ich auch wissen, was “ chicken flavour” heißt? Ich schwieg vor mich hin, während ich krampfhaft nachdachte.

      Da flüsterte mir mein Sitznachbar Jens eine Lösung zu: “ Currywurst!“

      “ Currywurst“, sagte ich erleichtert.

      Die Klasse prustete los, die Heinrichs sah mich pikiert an. “ Currywurst“ war falsch gewesen.

      Bei mir ist mal wieder Holland in Not! Betti hat mir vorhin ein Fotobuch gezeigt, mit Gedichten – von ihr selber geschrieben – und Fotos unserer Familie im letzten Urlaub. Für Ma zum Geburtstag.

      Meine Güte, beinahe hätte ich den Geburtstag meiner eigenen Mutter vergessen! Dabei ist es doch eigentlich die Pflicht eines guten Sohns, seiner Mutter etwas Originelles und Liebevolles zum Geburtstag zu schenken. Nur was?

      Von Pa bekommt sie ein Schmuckstück, von Betti das Fotobuch. Wie soll ich daneben bestehen?

      Ganz egal, was ich mache: Es wird aussehen wie ein Haufen Müll neben den Geschenken der beiden anderen …

       Hey, Gott, gib mir eine Idee!

      Was schenke ich bloß meiner Mutter? Mein Taschengeld ist leider vorübergehend vollständig aufgebraucht wegen akuten Bedarfs an Cola und einer CD der Band “ die Dummis”, die sich allerdings im Nachhinein als Fehlkauf herausgestellt hat. Ob sich meine Mutter über eine Dummi-CD freut?

      Ich habe heute in der Schule ein paar Jungs gefragt, was sie ihrer Mutter zum Geburtstag schenken.

      Cedric schenkt seiner Mutter gar nichts. Andreas tut sich mit seiner Schwester zusammen. Ansgar besorgt Pralinen.

      Na klasse. Meine Schwester hat schon etwas, und über Pralinen freut sich Ma bestimmt nicht.

      Zu dumm! Übermorgen hat sie Geburtstag!

       Hey, Gott, jetzt ist wirklich deine Hilfe gefragt, was diesen Geburtstag angeht!

      Habe eine Umfrage in der Jugendgruppe gestartet. Johannes macht Laubsägearbeiten für seine Mutter, Bertram macht ihr ein Gutscheinheft, und Karlchen hat eine Decke gestickt.

      Du meine Güte, wenn ich säge, dann kommt meine Ma sofort an mit dem Erste-Hilfe-Kasten! Und das mit Recht, wegen einschlägiger Erfahrungen. Als ich damals das Vogelhäuschen bauen wollte, konnte ich danach zwei Wochen nicht mehr schreiben, weil ich mir in den Daumen gesägt und der sich entzündet hatte! Ob sich Ma darüber freut?

      Ansonsten brachte Christian, unser Jugendleiter, in der Jugendgruppe ein Faltblatt mit, in dem Gruppen aus Kirchengemeinden eingeladen wurden, an einem Theaterwettbewerb teilzunehmen. Das Ganze nannte sich “ Junge Menschen nähern sich Glaubenshelden”. Christian wedelte die ganze Zeit mit dem Blatt herum, bis endlich die ersten neugierig geworden waren und guckten.

      Die Mädels waren natürlich alle sofort begeistert, allen voran mein Schwesterchen Betti. Sicher sahen sie sich alle schon in einer Hauptrolle, umjubelt und beklatscht.

      Ich bin da eher realistisch. Wahrscheinlich darf ich den dritten Baum von links spielen – zumindest, wenn ein Baum vorkommt.

      Na ja, mal sehen … Im Moment ist Ma’s Geburtstag akuter.

      Ma’s Geburtstag. Ein bisschen peinlich, das Ganze. Ich bin heute morgen doch noch mit dem Fahrrad losgefahren, um Pralinen für das Geburtstagskind zu holen, habe dafür Kredit bei meinem Vater bekommen. Betti hat mit ihrem Fotobuch natürlich den Vogel abgeschossen, aber Ma hat sich auch über die Pralinen gefreut – zumindest tat sie so.

      Nachmittags kam dann Besuch von Tante Maibritt mit ihren Töchtern. Ich sollte mit den Kleinen spielen, weil Betti in der Küche half und danach für die Schule lernte. Ich überlegte eine Weile, auch für die Schule zu lernen, hockte mich dann aber doch mit den Kleinen hin und überlegte, was wir spielen könnten.

      Als wir gerade beschlossen hatten, Räuberbande zu spielen, erschien Tante Maibritt und erklärte, so etwas komme nicht in Frage, ihre Kinder würden nach christlichen Werten erzogen.

      Nach kurzer Beratung wichen wir auf den barmherzigen Samariter aus. Ich bekam aber trotzdem Ärger. Hey, Gott, das ist doch wohl ziemlich ungerecht, oder?

      Mal wieder Kirchgang. Mit der Familie. Ma stöhnte entsetzlich, sie habe so viel zu tun, allein mit dem Aufräumen der Fete gestern und überhaupt, da bot ich ihr an, den Kuchen zu backen.

      Das war keine gute Idee.

      Diese Backrezepte zu lesen ist eine Kunst für sich. Was bedeutet “ schwer reißend vom Löffel fallen”?

      Na ja, dann hab ich mich noch ein wenig verrechnet. Ich konnte Milliliter und Liter noch nie auseinanderhalten. Der Kuchen war klitschig und kritschesüß. Ma aß trotzdem ein Stück und danach zwei Magentabletten. Den Rest sah ich später in der Mülltonne …

      Mathearbeit zurück. O-Ton Frau Groß: „Da habe ich mich aber gefreut, Alfi. Diesmal war es eine gute Fünf!“ Gott, bist du etwa Sadist?