Название | Die Musenfalle |
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Автор произведения | Nora Miedler |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867549561 |
»Ich nicht«, versuchte ich zu scherzen, doch Strehl zeigte keine Regung. »Keine Angst«, sprudelte ich hervor, »ich hab manchmal einen eigenartigen Humor, doch ich verspreche, ich bin hervorragend darin, mich an den Drehbuchtext zu halten.«
Er musterte mich. »Warum glaube ich Ihnen das nicht?«
Ich hob das Kinn. »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
Er fixierte mein Gesicht, dann ließ er den Blick nach unten wandern. Nicht lange, vielleicht nur für eine Sekunde, gerade so, dass ich es schaffte, nicht rot anzulaufen.
»Matilda«, drang die Stimme von Wollweste zu uns.
»Ich heiße –«, setzte ich an.
»Lilly«, endete Strehl für mich.
Jetzt wurde ich rot. Abrupt drehte ich mich zu Wollweste. »Ja?«
»Ich würde Sie bitten, ins Kostüm zu schlüpfen. Und dann schauen wir uns den Vertrag an.«
Lilly, 10:45
Als ich den Kostümfundus verließ, war ich um zwei Weisheiten reicher. Erstens, ich würde keine Millionärin werden, zweitens, ich musste meinen Körper stählen. Wenn ich die ganzen Klauseln, Ergänzungen und Zahlen im Vertrag richtig verstanden hatte, dann würde ich zwar mehr Geld erhalten, als ich jemals besessen hatte, jedoch würden abzüglich Magdas Provision und vor allem der Steuer monatlich nicht mehr als drei- oder dreieinhalbtausend Euro rauskommen. Nur so grob überschlagen.
Viel ärgerlicher aber war die Sache mit dem Kostüm. Ich hatte schon gewusst, dass die mich in fünfzehn Zentimeter Nuttenstiefel stecken würden, denn den Gang darin musste ich bereits beim Casting überstehen. Doch wenn mir einer gesagt hätte, dass ich ansonsten nicht viel mehr als eine Strumpfhose und einen Turnanzug anhaben würde, dann hätte ich bereits vor Wochen mit einer Diät begonnen. Nicht mal das kleinste Röckchen wurde mir gegönnt. Wenigstens war Strehl nicht mehr da gewesen, als ich in dem Glitzerteil herumstolzierte. Mir reichten die Diskussionen der drei anderen Männer über meinen Umfang. Und dazwischen Magda, die versicherte, dass ich jederzeit abnehmen könne, im Abnehmen sei Matilda einsame Spitze. »Die Oberweite macht aber vieles wieder wett«, hatte Kostüm-Puck zu meinen Gunsten gesprochen, »und am Bauch raffen wir einfach den Stoff. Mit der Strumpfhose können wir sowieso noch viel tricksen.«
So verlief er also, mein erster Vormittag als Star.
Den Nachmittag verbrachte ich alleine zu Hause. Ich tanzte eine Stunde lang im Bikini vor dem Spiegel und beruhigte mich schließlich mit dem Gedanken, dass sie eine Schauspielerin wollten und kein Model. Oder war bloß kein Model so blöd gewesen, einen Knebelvertrag auf zwei Jahre zu unterschreiben?
Meine Mutter rief an und teilte mir mit, dass sie bei sämtlichen Nachbarn und im gesamten Bekanntenkreis herumerzählt hatte, dass ich in einer Fernsehserie spielen würde.
»Es ist eine Werbung, Mama. Keine Serie.«
»Aber es ist doch im Fernsehen!«
»Jaja, natürlich. Und äh … Mama?«
»Ja, mein Schatz? Hier sind alle so stolz auf dich.«
»Na, super. Aber eines noch, Mama, das Kostüm ist … na ja, sportlich.«
»Siehst, die Tante Agathe muss ich noch anrufen.«
»Ja. Und es ist eine Werbesendung, hörst du?«
»Die Tante Agathe, und auch noch diesen alten Schulfreund von deinem Vater. Der – lebt der noch?«
Frieda, 16:30
Frieda pfefferte die Autotür hinter sich zu und strebte ihrem Haus entgegen. In einem Tempo, das vor allem dazu diente, die Niedergeschlagenheit und die Angst abzuschütteln. Es war der neunzehnte Oktober, die Tage endeten viel zu rasch, die frühe Dunkelheit drückte zusätzlich aufs Gemüt. Aber doch nicht bei mir, schrie Frieda im Innern, ich lasse mich von weltlichen Dingen nicht beeinflussen, ich habe keine Zeit für Schwäche. Zähne zusammenbeißen, Kopf heben und jedem Widerstand mit offenen Augen begegnen, das war ihre Devise. Das lehrte sie ihre Schüler, und das erwartete sie von ihnen. Das Theater war ein hartes Brot, nicht geeignet für allzu sensible Seelen, auch wenn die oft das meiste Talent besaßen. Doch es gehörte eben viererlei dazu: Talent, Disziplin, Begeisterung und ein eiserner Wille. Frieda biss die Zähne zusammen und streckte den Nacken.
Sie schloss die Tür auf und trat ein. Die Halle war leer, doch sobald sie ihren Mantel aufhängte, kamen die Ersten angelaufen.
»Wir haben uns Sorgen gemacht, Frieda, du warst lange weg.«
»Papperlapapp, Sorgen, was sollte einem alten Mädchen wie mir schon zustoßen. Habt ihr den ersten Akt geprobt?«
»Zweimal.«
»Zweimal?«
»Ich sagte ja, du warst lange weg.«
Sie musste lächeln. Diese lieben, eifrigen Menschen. Wer behauptete, dass die heutige Jugend keine Ideale, keine Werte besaß, lag falsch. Frieda wusste ganz genau, dass ihre jungen Leute denselben Ehrgeiz und dieselbe Freude in sich trugen wie sie damals. Sie tätschelte die Wangen der vertrauten Gesichter und fragte dann nach Max.
»Er ist noch drüben auf der Bühne und probt seinen Monolog«, antwortete Marianne.
Frieda nickte. »Hol ihn bitte, und dann kommt beide zu mir.« Zu den anderen sagte sie: »Und wir, meine Lieben, sehen uns beim Abendessen.«
Sie stieg die Treppe hinauf, die rechte Hand fest am Geländer, um den plötzlichen Schwindel in den Griff zu bekommen. Sechzehn junge Menschen lebten unter ihrem Dach, vertrauten ihr bedingungslos. Noch nie war ihr diese Bürde so bewusst gewesen wie heute Abend.
Sie hatte es gerade in ihr Zimmer auf das Sofa geschafft, als es auch schon klopfte. »Kommt herein!«
Max. Wie stets zog sich ihr Herz bei seinem Anblick zusammen. Seit drei Jahrzehnten arbeitete sie mit Schülern, doch keinem war sie je so nahe gewesen wie ihm, und das seit dem Tag vor elf Jahren, als er auf das Anwesen kam.
»Willst du etwas trinken, Frieda?«, fragte Marianne.
Friedas Blick wanderte von Max zu seiner Begleiterin. Sie vermutete schon lange, dass die beiden eine Beziehung hatten. Das störte sie nicht, junge Leute brauchten so etwas, und besser, sie fanden sich hier, als dass sie draußen zu suchen anfingen.
»Frieda?«, hörte sie die Stimme des Mädchens.
»Ja bitte, Marianne, ein Wasser, nur ein Glas Wasser.«
»Du siehst müde aus.«
Frieda wischte die Sorge in Max’ Stimme mit einer Handbewegung weg. »Wie geht es mit dem Ferdinand?«
Er setzte sich neben sie. »Ich hab ihn noch nicht ganz. Komischerweise macht mir die erste Szene zwischen ihm und Luise zu schaffen. Der Monolog funktioniert, denke ich.« Er machte eine kurze Pause, dann lächelte er. »Ich liebe diesen Monolog.«
»Und er liebt dich«, erwiderte sie und nahm das Wasserglas entgegen, das Marianne ihr hinhielt.
Max wartete, bis sie fertig getrunken hatte, dann sagte er: »Du hast nichts erreichen können, nehme ich an …«
Frieda schüttelte den Kopf. Dann rückte sie näher an Max und zog Marianne an ihre freie Seite aufs Sofa. »Ich möchte, dass ihr beiden mir jetzt gut zuhört«, begann sie. »Wir müssen eine Entscheidung treffen, wir drei, hier und jetzt.«
Marianne atmete heftig, Max legte seine Hand auf Friedas und drückte sie leicht. Sie liebte ihn allein für diese Geste. »Meine lieben, lieben Kinder, wollt ihr, dass unser Haus, unser Zusammensein, unsere Bühne, unsere Truppe bestehen bleibt?«
»Natürlich