Evangelisches Kirchenrecht in Bayern. Hans-Peter Hübner

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Название Evangelisches Kirchenrecht in Bayern
Автор произведения Hans-Peter Hübner
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783532600627



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evangelischer Kirchenverfassung, 1972;

      J. Hermelink, Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens, Gütersloh 2011;

      H.-P. Hübner, Art. „Kirchenkreise“, in: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kirchenkreise;

      H. Munsonius, Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts, Jus Eccl. Bd. 89, Tübingen 2009.

       KAPITEL 3

       Das Verhältnis von Kirche und Staat

       § 6Grundlagen des Verhältnisses von Staat und Kirche in Deutschland

      1.Kirchliches und staatliches Verfassungsrecht

      Unsere Kirchenverfassung geht auf das Verhältnis der ELKB zum Staat und auf ihr Wirken in der Öffentlichkeit in zwei einleitenden allgemeinen Bestimmungen ein: Nach Art. 3 KVerf (RS 1) verwaltet sie ihre Angelegenheiten selbstständig und nach Art. 7 KVerf kann die ELKB ihr Verhältnis zum Staat und zu anderen Körperschaften durch vertragliche Vereinbarungen regeln. Mit diesen Bestimmungen im kirchlichen Verfassungsrecht sind zwei Grundsätze angesprochen, die grundlegend für das heutige Verhältnis von Kirche und Staat sind: Einmal das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, welches das staatliche Verfassungsrecht in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV (RS 100/101) bzw. in Art. 142 Abs. 3 BV (RS 105) anerkennt und garantiert, und zum anderen, dass Kirche und Staat sich als voneinander unabhängige, aber gleichberechtigte Partner gegenüberstehen. Denn der Abschluss von Verträgen setzt grundsätzlich die Gleichberechtigung der Vertragspartner voraus. In dieser heutigen Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften zeigt sich der Wandel gegenüber dem früheren staatskirchlichen System oder gegenüber manchen ausländischen Modellen.

      Kein Staat kommt daran vorbei, sich zu den in seinem Gebiet bestehenden Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Beziehung zu setzen, und sei es nur, um sich gegen sie abzugrenzen. Ob und wie der Staat etwa Religionsfreiheit gewährt oder den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den zu ihrem Wirken und zur Erfüllung ihres Auftrages erforderlichen Freiraum zugesteht und durch seine Rechtsordnung garantiert, ist nicht nur bestimmend für das Wesen dieses Staates. Das rechtliche Verhältnis des Staates zu den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist auch bestimmend für die Ausgestaltung der rechtlichen Ordnung der betreffenden Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.

      So ist z.B. das gesamte Kirchensteuerrecht oder etwa die Ausgestaltung der Dienstverhältnisse der Pfarrer und Kirchenbeamten als öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse ohne die Vorgaben im staatlichen Verfassungsrecht (vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3, 5 und 6 WRV) überhaupt nicht verständlich. Ungeachtet ihrer eigenständigen (vom Staat unabhängigen) Rechtsmacht handeln die Kirchen in diesen Bereichen zum Teil, d.h. soweit sie mit ihren Regelungen über den eigenen kirchlichen Bereich hinaus auch im staatlich-weltlichen Bereich unmittelbar wirksame Rechtsnormen setzen, aufgrund einer vom Staat verliehenen Rechtsetzungsbefugnis.

      Die rechtliche Ordnung der Beziehungen der Institutionen Staat und Religionsgemeinschaften zueinander und die Stellung des einzelnen Mitglieds oder der gesamten Religionsgemeinschaft als Träger von Grundrechten (hier der Religionsfreiheit) gegenüber dem Staat wird traditionell als „Staatskirchenrecht“ bezeichnet. Diese Bezeichnung wurzelt in unserer Geschichte, indem früher die Beziehungen des Staates zu den drei christlichen Hauptkonfessionen (römisch-katholisch, evangelisch-lutherisch und evangelisch-reformiert) Gegenstand eines besonderen Staatskirchenrechts gewesen waren. Demgegenüber war für diesen Rechtsbereich in anderen Ländern oder Rechtssystemen schon von jeher die Bezeichnung Religionsrecht oder Religionsverfassungsrecht gebräuchlich. Bedingt durch die Arbeitsmigration nach 1950 einerseits und die seit den 1990er-Jahren einsetzenden weltweiten Fluchtbewegungen andererseits hat sich mittlerweile aber auch in Deutschland das religiöse Spektrum in einer Weise aufgefächert, wie das vorher unvorstellbar schien. Ganz zu Recht hat sich deshalb für die ursprünglich schwerpunktmäßig auf das Verhältnis des Staates zu den christlichen Kirchen fokussierte Rechtsmaterie zunehmend die Bezeichnung Religionsverfassungsrecht durchgesetzt.

      Rechtsquellen des Religionsverfassungsrechts sind einmal das vom Staat selbst gesetzte Recht (Grundgesetz, Länderverfassungen, Gesetze und Verordnungen), soweit es sich mit dem Verhältnis zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften und der Stellung ihrer Mitglieder im staatlich-öffentlichen Bereich befasst, ferner das zwischen Staat und Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften im Wege der Vereinbarung gesetzte Recht (Konkordate – so die Bezeichnung auf katholischer Seite – und Kirchenverträge).

      Ein allgemein gültiges, für alle Zeiten geltendes „Grundmodell“ des Verhältnisses von Staat und Kirche gibt es nicht, denn in ihren äußeren Erscheinungsformen unterliegen Staat wie Kirche einem geschichtlichen Wandel. Die Vielzahl der aus der geschichtlichen Tradition erwachsenen Modelle lassen sich jedoch auf drei Grundformen zurückführen:

      a)Einheitsmodell

      Als Einheitsmodell wird die Verbindung von Staat und Kirche bezeichnet, wie sie früher üblich war und auch heute noch mit gewissen Modifikationen in Ländern mit Staatskirchen besteht: z. B. in Großbritannien (England und Schottland), ferner in den skandinavischen Staaten Dänemark, Norwegen, Finnland und Island oder in der islamischen Welt. Kommt bei diesem Modell der Kirche die Oberhand zu, spricht man von Kirchenstaatstum, im umgekehrten Fall von Staatskirchentum.

      b)Trennungsmodell

      Unter dem Trennungsmodell ist eine strikte Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, wie sie erst seit der Neuzeit im Grundsatz verwirklicht ist. Dabei kann diese Trennung in zweifacher Weise bestehen:

      Trennung kann im Sinne völliger Neutralität des Staates gegenüber Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bedeuten, dass diese und der Staat organisatorisch voneinander getrennt sind, schiedlich-friedlich nebeneinander bestehen, jedoch offiziell keinerlei Berührungspunkte miteinander haben, weil Religion und Weltanschauung eine reine Privatangelegenheit sind. Das kann so weit gehen, dass – wie in Frankreich – nach dem Modell des Laizismus religiöse Bezüge in der Öffentlichkeit strikt verboten sind. Es kann aber auch so sein wie in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo im Sinne der Freiheit und Gleichheit alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften – weder gehindert noch gefördert durch den Staat – in der Öffentlichkeit nach ihren Möglichkeiten im freien Wettbewerb mehr oder weniger öffentlichkeitswirksam agieren können.

      Trennung kann aber auch aus einer gerade nicht neutral-liberalen Haltung des Staates heraus dezidiert religionsfeindlich motiviert und gestaltet sein, wie dies in den atheistisch geprägten Staaten des ehemaligen Ostblocks der Fall war. Hier bedeutete „Trennung“ nicht ein Nebeneinander von Staat und Kirche, sondern letztlich die Einschränkung und Überwachung der Kirchen durch den Staat. Dies konnte bis hin zur Unterdrückung kirchlicher Organisation und kirchlichen Lebens