Die germanische Blutsbrüderschaft. Leopold Hellmuth

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Название Die germanische Blutsbrüderschaft
Автор произведения Leopold Hellmuth
Жанр История
Серия
Издательство История
Год выпуска 0
isbn 9783964260185



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besteht also in der Schaffung eines besonders engen Freundschaftsbundes („amicitiarum pignus… firmaturi“). Die Blutsbrüder sind „artissimis societatis vinculis colligati“.

      Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß hier Odin selbst als Stifter der Blutsbrüderschaft genannt wird („grandævus forte quidam, altero orbus oculo“).

      Ähnlich wie im Alten Sigurdlied wird auch hier erwähnt, daß das Blut der Beteiligten in die „Spuren“ vergossen wurde („vestigia sua mutui sanguinis aspersione perfundere“). Der beiderseitige Charakter dieses „Bluttausches“ wird besonders hervorgehoben („mutui sanguinis aspersione“ – „alterni cruoris commercio“).

      Ebenso wie im Alten Sigurdlied wird auch hier nichts davon erwähnt, daß die Blutmischung unter einem „jarðarmen“ stattgefunden habe.

      SAXO bezeichnet das Verhältnis zwischen den Blutsbrüdern mit dem Ausdruck „fœdus“: der juristische Aspekt ist ihm offenbar wichtig, denn die Blutsbrüderschaft wird unmißverständlich als ein besonders feierlicher Rechtsvertrag definiert („solemni pactionis ius“).

      Besonders in den Fornaldarsögur ist sehr häufig von „fóstbrœðr“ und der Institution des „fóstbrœðralag“ die Rede; nur zweimal jedoch wird erwähnt, daß das fóstbrœðralag durch Blutmischung geschlossen wurde.46

       5. Egils saga einhenda ok Ásmundar berserkjabana

      Ásmundr berserkjabani erzählt sein Leben: nach dem Bericht von Kindheit und Jugend schildert er, wie er sich einmal auf der Jagd verirrte und dabei mit Árán von Tattaríá zusammentraf. Nachdem sie beide miteinander gekämpft hatten, schwören sie sich Blutsbrüderschaft:

      Þá talaði Árán til Ásmundar: ‚Ekki skulu vit vapnaskipti

      prófa, Því Þat verðr skaði okkar beggja. Vil ek, at vit

      sverjumz í fóstbrœðralag; at hvárr skal annars hefna, ok

      eiga fé saman, fengit ok ófengit.‘ Þat fylgði ok svardaga

      Þeirra, at hvárr sem lengr lifði, skyldi láta verpa haug

      e

tir annan, ok láta Þar í svá mikit fé, sem Þeim pætti

      sóma. Sian skal sá, sem lengr lifir, sitja hjá enum dauða

      III nætr í haugi, ok fara síðan burt, ef hann vildi.

      Voktu sér síðan blóð, ok létu renna saman; heldu

      menn Þat Þá eiða.47

      Der Vorschlag, Blutsbrüderschaft zu schließen, geht von Árán aus („vil ek, at vit sverjumz í fóstbrœðralag“).

uch hier wird die Eingehung des Bundes mit der Wendung „sveria í fóstbrœðralag“ bezeichnet.

      Über das Ritual wird nur gesagt, daß sie sich „das Blut weckten“ und es zusammenfließen ließen („voktu sér síðan blóð, ok létu renna saman“). Weder die Fußspuren noch das jarðarmen werden erwähnt. Mit diesen Worten war die Blutmischung schon in der bedeutend älteren Gísla saga beschrieben worden („… ok nú vekja Þeir sér blóð ok láta renna saman“). Dies könnte auf eine literarische Übernahme deuten.

      Anders verhält es sich bei den Konsequenzen, die aus der Blutsbrüderschaft entspringen. Hier ist die Egils saga einhenda bei weitem ausführlicher als die Gísla saga: neben der Rachepflicht („hvárr skal annars hefna“) erwähnt sie außerdem, daß den Blutsbrüdern ihr Besitz gemeinsam gehören soll, und zwar nicht nur all das, was sie derzeit ihr Eigentum nennen, sondern auch alles, was sie erst in Zukunft erwerben werden („eiga fé saman, fengit ok ófengit“). Darüber hinaus soll der Überlebende für den Verstorbenen den Grabhügel aufwerfen lassen und ihm so viele Grabbeigaben mitgeben, als ihm geziemend erscheint („hvárr sem lengr lifði, skyldi láta verpa haug eptir annan, ok láta Þar í svá mikit fé, sem Þeim pætti sóma“) und endlich ist der Überlebende verpflichtet, drei Nächte bei seinem toten Blutsbruder im Grabhügel zu verbringen; dann kann er fortgehen, wenn er dies will („skal sá, sem lengr lifir, sitja hjá enum dauða III nætr í haugi, ok fara síðan burt, ef hann vildi“).

      Dieses Motiv vom Mitbegraben, das dann in dieser Saga zu einem schrecklichen Kampf zwischen dem Toten und dem Lebenden führt, findet sich schon in der Geschichte von Asmund und Aswit, die SAXO GRAMMATICUS im 5. Buch seiner Gesta Danorum berichtet.48 Die entsprechende Erzählung der Egils saga einhenda ok Asmundar berserkjabana ist höchstwahrscheinlich aus der selben nordischen Vorform entsprungen wie die Geschichte SAXOs.49 Allerdings erwähnt SAXO nichts davon, daß die Verbrüderung durch eine Blutmischung erfolgt sei. Der Verfasser der Egils saga einhenda hat das bei SAXO geschilderte Freundschaftsverhältnis jedoch offenbar als ein solches von Blutsbrüdern aufgefaßt und es dementsprechend in seiner Erzählung mit den fast stereotyp wiederkehrenden Elementen kurz charakterisiert. Die Beschreibung dieser Blutsbrüderschaft könnte geradezu als eine Synthese zweier Vorlagen angese

en werden: der Grundstruktur des Berichts in Anlehnung an die Quelle von SAXOs Buch V, und einer Ergänzung und Verdeutlichung nach der „klassischen“ Beschreibung eines fóstbrœðralag in der Gísla saga und anderer Sogur. Sollte dies der Fall sein, dann wäre der Aussagewert dieser Stelle der Egils saga einhenda nicht sehr hoch anzusetzen. Vielleicht läßt sich aus ihr jedoch schließen, daß das bei SAXO beschriebene Freundschaftsverhältnis Asmunds und Aswits tatsächlich eine Blutsbrüderschaft war.

       6. Þorsteins saga Víkingssonar, Kap. 21

      Wie bei der Egils saga einhenda handelt es sich auch bei der Þorsteins saga Víkingssonar um eine junge Fornaldarsaga aus dem Spätmittelalter.50

      Es war berichtet worden, wie Þorstein seinen Gegner Beli überwunden hatte, dem auf dem Boden Liegenden das Leben geschenkt und mit ihm fóstbrœðralag geschlossen hatte. Im weiteren Verlauf des Erzählgeschehens macht Þorstein den Vorschlag, daß Beli und Angantyr ebenfalls fóstbrœðr werden sollen:

      Nú vil ek bjóða Þér Þann kost, ęf Þú gefr Bela líf, at

      við sverjumst í fóstbrœðralag. Angantýr segir: Þat Þikki

      mér jafnaðarbóð, at við Beli gerumst fóstbrœðr, en í Því

      Þikki mér mikit veitt, ef ek skal vera Þinn fóstbróðir. Var

      petta síðán bundit fastmælum; Þeir vöktu sér blóð í lófum,

      ok gengu undir jarðarmen, ok sóru Þar eiða, at hverr skyldi

      annars hefna, ef nokkur Þeirra yrði með vöpnum veginn!51

      Þorsteins Angebot lautet ganz genauso wie dasjenige Árán von Tattaríás in der Egils saga einhenda („vil ek… at við sverjumst í fóstbrœðralag“ bzw. „vil ek, at vit sverjumz í fóstbrœðralag“). Beide wiederum sind der Gísla saga sehr ähnlich, wo der Vorschlag von Gisli ausgesprochen wird („… sé ek gott ráð til Þessa, at… ok sverjumz í fóstbrœðralag“).

      Auch in der Þorsteins saga Víkingssonar wird – wie in der Gísla saga und der Egils saga – das Blut „geweckt“ („Þeir vöktu sér blóð“). Darüber hinaus erfahren wir an dieser Stelle, daß dies durch eine Verwundung der Innenseite der Hand geschah („í lófum“).

      Weiters erscheint die Blutmischung, die zwar nicht erwähnt wird, aber für die das Blut offenbar „geweckt“ wurde, auch hier wiederum in Verbindung mit dem „ganga undir jarðarmen“ („Þeir vöktu sér blóð í lófum, ok gengu undir jarðarmen“). Wegen einer Aneinanderreihung der Satzteile durch zweimalige Verwendung der Konjunktion „ok“ wird es ziemlich schwierig, zu entscheiden, ob eine Aufeinanderfolge