Was sie nicht umbringt. Liza Cody

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Название Was sie nicht umbringt
Автор произведения Liza Cody
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783867548847



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einer ohnmächtigen, besoffenen Sängerin auf dem Buckel kann man sich keinen Wagen ausborgen, also zog ich ihr, so weit es ging, das Kleid runter und setzte sie erst mal irgendwo ab.

      Um ein Haar hätte ich sie wirklich sitzenlassen. Wir waren schließlich in Notting Hill und die Polizei schnüffelte überall rum, so dass ein passender Untersatz schwer zu finden war. Ich konnte nur einen Fiat Panda auftreiben, eine richtige Sardinenbüchse, in die mich normalerweise keine zehn Pferde reingekriegt hätten.

      Goldlöckchen wohnt bestimmt in Hampstead oder Highgate, jedenfalls garantiert nicht bei mir in der Nähe, dachte ich mir. Und dann dachte ich, bestimmt ist sie einfach aufgestanden und hat sich ein Taxi nach Hause genommen. Sie war eine von der Sorte, die einen Taxifahrer dazu hätte bringen können, sie ohne einen müden Penny in der Tasche bis nach Watford zu fahren.

      Aber andererseits hatte ich sie nicht gerade an einer Bushaltestelle abgeladen. Sie hockte in einer abgelegenen Seitenstraße, die nicht besonders vornehm war. Also wollte ich wenigstens noch mal umkehren und sehen, ob sie weggekommen war.

      Sie war noch da.

      Und so kam es, dass Goldlöckchen zu mir auf den Schrottplatz zog.

      Ich musste sie zusammenknicken, damit sie in den Fiat Panda passte. Ich musste sie über den Platz tragen. Ich musste sie in mein eigenes Bett legen.

      Und je später es wurde in dieser Nacht, desto mehr Sorgen machte ich mir. Sie war nicht nur betrunken, sie war krank. Sie musste andauernd brechen. Sie zitterte vor Kälte. Und sie glühte.

      Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Eine Betrunkene ins Bett zu packen ist ein Klacks. Aber mir war noch nie im Leben schlecht gewesen, also wusste ich nicht, was ihr fehlte, und ich wusste nicht, ob ich sie wärmen oder kühlen sollte.

      Ich fuhrwerkte herum wie ein einarmiger Tapezierer.

      Wenn sie zitterte und wimmerte, deckte ich sie zu. Dann wieder hätte sie den Schlafsack am liebsten aus dem Fenster geschmissen. Ein andermal sagte sie: »Bitte, Wasser.« Und dann kotzte sie es in den Eimer.

      Ihre Augen gefielen mir auch nicht. Manchmal kamen sie ihr aus dem Kopf gequollen, als ob sie auf dem elektrischen Stuhl säße, dann wieder kugelten sie in den Höhlen herum wie Murmeln in einem Becher.

      Wie schon gesagt, Freundlichsein ist harte Arbeit, aber das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass ich Angst hatte, sie könnte sterben. Ich hatte keine Ahnung, wie ich eine Leiche in meinem Hänger erklären sollte. Mit ein Grund dafür, dass ich wie eine Ratte mit juckendem Schwanz durch die Gegend raste, war also auch der, dass ich sie wenigstens so lange am Leben halten wollte, bis ich sie am Morgen irgendwie loswerden konnte.

      Aber am Morgen, gleich nachdem ich die Hunde gefüttert und in den Zwinger gesperrt hatte, trank Goldie ein paar Schluck Wasser, behielt sie bei sich und schlief ein. Bevor sie einschlief, sah sie mich an, als ob wir uns noch nie begegnet wären, und sie sagte: »Danke.«

      Nur danke, sonst nichts. Aber wegen der Art, wie sie es sagte, so als ob sie es wirklich ernst meinte, hatte ich es nicht mehr so eilig, sie loszuwerden.

      Ich machte auf dem kleinen Gaskocher Wasser heiß und kochte mir einen Tee. Dann setzte ich mich zu ihr aufs Bett und sah zu, wie sie schlief. Mir zitterten die Hände, und es tat mir hinten im Hals weh. Ich dachte, ich hätte mich angesteckt.

      Schließlich warf ich im Wohnzimmer die Polster vom Sofa auf den Boden und legte mich schlafen. Es war ein anstrengender Tag gewesen, und ich war müde.

      Ich träumte, Simone und ich wären wieder in der Schule – genauer gesagt, in einem Erziehungsheim, in die wir im wirklichen Leben immer gesteckt wurden. Und wir beschlossen abzuhauen – genau, wie wir es im wirklichen Leben immer gemacht hatten. Wir kamen an eine Mauer, und Simone sagte: »Nein, ich kann nicht. Das ist zu hoch. Wir kriegen Ärger.« »Ärger haben wir jetzt schon genug«, sagte ich. »Komm, ich mach dir eine Räuberleiter.« Sie stellte einen Fuß in meine Hände, und ich sah, dass sie weiße Satinpantöffelchen trug, die mit kleinen roten Edelsteinen besetzt waren. »Wo hast du denn die Schuhe her?«, fragte ich. Und ich hievte sie auf die Mauer. »Das sind meine gläsernen Schuhe«, sagte sie. Und während ich noch dastand, fielen die kleinen roten Edelsteine wie Regentropfen herunter, und ein paar verfingen sich in meinen Haaren. Ich bückte mich danach, weil Simone sehr eigen war, wenn es um ihre Schuhe ging. Aber auf einmal wurden sie ganz flüssig. »He!«, rief ich. »Du blutest.« Ich sah hoch und merkte zum ersten Mal, dass die Mauer oben mit Stacheldraht gesichert war. Und Simone hing darin fest. Ich wollte hinter ihr herklettern, um ihr zu helfen, aber die Mauer war höher geworden. Mir konnte keiner eine Räuberleiter machen. Also blieb sie, wo sie war, und ich blieb, wo ich war, mit Blut in den Haaren. Ich hasse Träume.

      Es war komisch, aufzuwachen und zu wissen, dass jemand in meinem Schlafzimmer lag. In all den Monaten, die ich schon hier wohnte, hatte außer mir kein Mensch den Hänger betreten. Ich schaute zu ihr rein, aber Goldie war immer noch k. o. Sie hätte tot sein können. So ruhig lag sie da. Aber bei jedem Ausatmen flatterte eines ihrer Goldlöckchen. Ich war erleichtert.

      Ich machte die Schlafzimmertür fest zu. Ich hatte einiges zu erledigen, bei dem ich keine Zeugen gebrauchen konnte.

      Gestern Abend waren mir zwar nur ein paar Brieftaschen in die Hände gefallen, aber ich wollte nicht, dass jemand einen falschen Eindruck von mir bekam. Ich bin keine Diebin. Eigentlich nicht. Ich kann mir nur manchmal eine günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen, und die Leute sind ja auch so unvorsichtig. Du würdest es kaum glauben, wie unvorsichtig manche Leute sein können. Sie hängen ihre Jacke über die Stuhllehne, obwohl die Brieftasche rausguckt. Sie stellen ihre Handtasche auf den Boden, wo sie sie nicht im Auge behalten können. Sie sind verrückt. Wenn du etwas hast, was du behalten willst, musst du um Himmels willen auch darauf aufpassen. Wenn du nicht darauf aufpasst, zeigst du damit Leuten wie mir nur, dass du es nicht willst. Und wenn du es nicht willst, nehme ich es mir. So einfach ist das.

      Wenn du was von meinen Sachen haben willst, musst du mich erst umbringen. Das ist auch einfach.

      Die Beute auszusortieren war nicht besonders schwer. Ich interessiere mich nur für Knete. Plastik finde ich zum Kotzen. Ich weiß, dass es auch dafür Abnehmer gibt – genau wie für Führerscheine –, aber auf so was habe ich keinen Bock. Ist schon lästig genug, den restlichen Krempel loszuwerden, ohne dass er zu mir zurückverfolgt werden kann.

      Die Knete steckte ich ein. Schon war nur noch ein kleiner Stapel Brieftaschen übrig. Normalerweise wären die mir nie in den Hänger gekommen. Sie wären auf dem Heimweg im Abfalleimer gelandet. Aber normalerweise rette ich auch keine Goldies – so was bringt einen aus dem Konzept.

      Ich überlegte noch, da klopfte es plötzlich an der Tür, und ich wäre fast aus der Haut gesprungen vor Schreck. Kein Mensch klopft bei mir an.

      Auf dem Boden lagen noch die Polster, auf denen ich geschlafen hatte, und zuerst wollte ich die Brieftaschen darunter verstecken. Aber dann erinnerte ich mich an Ma, und mir wurde schwummerig. Also stopfte ich sie hinter den Gasofen.

      Es klopfte noch einmal.

      Eigentlich hätte ich vorsichtig durch die Gardine lugen sollen, aber die Klopferei machte mich sauer, also tat ich genau das Falsche. Ich riss die Tür auf und brüllte: »Ja?«

      Nie im Leben hätte ich die Tür aufmachen sollen, denn nun stand ich Auge in Auge der Bullentante von gestern Abend gegenüber.

      »Tag«, sagte sie und lächelte. Da wurde ich erst richtig misstrauisch. Wer überleben will, darf der Polizei nie vertrauen, wenn sie lächelnd daherkommt. »Eva?«, sagte sie. »Eva Wylie?«

      »Falsch verbunden«, sagte ich und knallte die Tür zu.

      Sie klopfte noch einmal. Ich überhörte es. Ich linste durch die Gardine. Sie stand ein Stückchen weiter weg und wartete. Sie sah relaxt und munter aus.

      Warte noch ein bisschen, dachte ich, dann wird dir das Lachen schon vergehen. Ich bin ein sehr geduldiger Mensch, aber langsam wurde ich richtig giftig.

      Ich schmierte mir Margarine auf ein paar Scheiben Brot und schraubte das Marmeladenglas auf. Ich hatte noch