Hüter meines Herzens. Denise Hunter

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Название Hüter meines Herzens
Автор произведения Denise Hunter
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783961400454



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doch Bryce Collins Stimme erkannt. Er war ein guter Junge, beinahe zehn Jahre jünger als Noah, aber er tat sein Bestes für die Neue in der Stadt.

      Viel Glück dabei, dachte er und rutschte auf der alten Kirchenbank hin und her, die im Wartebereich als Sitzgelegenheit diente. Ihm stand es noch bevor, die neueste Mitbewohnerin in Copper Creek zu sehen, aber er hatte gehört, dass sie eine echte Augenweide sein sollte. Und wenn sie, wie es hieß, 26 war, war sie eher in seinem Alter als in Bryces. Die Mutter des Jungen würde sich bei seiner Dreistigkeit im Grab umdrehen.

      Was Noah anging, war er nur wegen eines Haarschnitts hier. Er hatte seinen Teil Verabredungen schon gehabt und hatte nicht vor, sich niederzulassen, sehr zum Unwillen seiner Mutter. Er war einfach nur froh, lediglich wegen eines Haarschnitts nicht mehr nach Ellijay fahren zu müssen.

      Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Erst kürzlich war er nach einem kurzen Einsatz mit den Marines zurückgekehrt, aber sein raspelkurzer Militärschnitt war schon lange herausgewachsen. In seiner Abwesenheit hatte sich hier nicht viel verändert, aber das gefiel ihm irgendwie. Er hatte die Zeit gebraucht, um erwachsen zu werden und sich zu überlegen, ob Copper Creek und das Familienunternehmen das waren, was er wirklich wollte. Als er nach Hause gekommen war, war er sich sicherer denn je gewesen, dass das der Fall war.

      Im Nebenraum ging das Gespräch weiter, und Noah fühlte sich wie angezogen von der gedämpften, sinnlichen Frauenstimme. Ihre handwerklichen Fähigkeiten als Friseurin konnte er noch nicht beurteilen, aber das Ding mit den Waffen einer Frau hatte sie auf jeden Fall voll drauf. Der arme Junge hatte keine Chance.

      Obwohl ihre Art ganz dem Südstaatencharme entsprach, entdeckte er einen Hauch Zynismus in ihrem Lachen, in ihren schnellen Antworten. Zynismus war ein Schutzmechanismus – das wusste er aus erster Hand von seiner Oma. Sag dir, man kann den Leuten einfach nicht vertrauen, dann wirst du nicht enttäuscht werden, wenn sie dich im Stich lassen.

      Seine Neugier auf die Neue wuchs. Er fragte sich, was diesen Unterton in ihre Stimme gebracht hatte.

      Es war kein Geheimnis, warum sie gerade in der Herrenfrisurenbranche gelandet war. Was sie konnte, musste er noch herausfinden, aber das machte nicht viel aus. Solange sie ihre Kunden nicht glatzköpfig hinausschickte, würde sie alleine durch ihre Art, mit Leuten umzugehen, für eine volle Kundenkartei sorgen.

      Das Summen des Haarschneiders verstummte. Dann war das Ratschen des Klettverschlusses zu hören. „Das wär’s!“

      „Sieht super aus, Josephine. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen.“

      „Sag all deinen Freunden, sie sollen vorbeikommen. Für Weiterempfehlungen gebe ich zehn Prozent Rabatt.“

      „Ich werd’s mir merken.“

      Mit einem dämlichen Grinsen kam Bryce um die Trennwand herum und grub seinen Geldbeutel aus der Hosentasche. Dann fiel sein Blick auf Noah, und seine Ohren wurden schlagartig rot. „Was liegt an, Noah?“

      „Nicht viel. Ich habe gerade Feierabend. Wie geht’s deinem Daddy? Ich habe ihn schon ein paar Wochen nicht mehr gesehen.“

      „Ach, dem geht es ganz gut. Hauptsächlich ist er mit seiner Arbeit beschäftigt.“

      Der Junge redete weiter, aber gerade da kam die neue Friseurin nach vorne. Sie schaute Noah mit ihren blauen Augen an – zwei Portionen Himmel –, und er wurde blind und taub für alles andere.

      Ihre roten Lippen schwangen sich zu einem trägen Lächeln. „Bin gleich bei Ihnen.“

      „Nur keine Eile“, krächzte Noah, dessen Kehle plötzlich ausgetrocknet war. Seine Augen folgten ihren schlanken Kurven, bevor sie hinter dem Tresen verschwand.

      Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, während sie Bryce abkassierte. Sie hatte schulterlanges blondes Haar, das kunstvoll um ihr hübsches Gesicht zerzaust war.

      Obwohl hübsch ihr nicht gerecht wurde. Ihre alabasterfarbene Haut war fast blass im Kontrast zu ihren üppigen Lippen. Sie hatte dem Bräunungswahnsinn nicht nachgegeben, dem der Rest des Landes verfallen war, und das stand ihr. Lange, dunkle Wimpern strichen über ihre Wangen, als sie in die Schublade griff.

      Kein Wunder, dass der arme Bryce in sie verschossen war. Sie war eine Granate. Eine Sirene. Selbst ihre Bewegungen – das wissende Zucken ihres Kinns, der selbstbewusste Hüftschwung – verströmten rohe Sexualität. Aber es waren ihre Augen, die ihn trafen wie ein Blitz. Blasses Eisblau. Und irgendwie älter als der Rest ihrer Person. Hinter diesen Augen steckten Geheimnisse, und plötzlich wollte er sie alle erfahren.

      Josephine schickte ein weiteres Lächeln in seine Richtung. „Ich bin gleich so weit. Geben Sie mir nur eben ein Momentchen zum Aufkehren.“

      Noah wurde bewusst, dass Bryce gegangen war. Die Glastür war immer noch im Schließen begriffen, und die klingelnden Glöckchen darüber vermischten sich mit seiner Erinnerung. Er wusste nicht einmal mehr, ob er sich ordentlich von dem Jungen verabschiedet hatte.

      Er versuchte, sich an alles zu erinnern, was er über sie gehört hatte. Paul Truvy war ihr Vater, und er hatte ihr seinen Besitz vererbt, als er letzten Herbst gestorben war. Sie hatte in Cartersville bei einem Herrenfriseur gearbeitet und war zu Frühlingsanfang von dort heraufgekommen, um hier ihren eigenen Salon zu eröffnen.

      Sie hatte Beamus Jenkins, dem stadtbekannten Trinker, nach Feierabend an ihrem ersten Samstag einen Haarschnitt gratis verpasst. Am nächsten Morgen war er das erste Mal seit zwanzig Jahren wieder in der Kirche aufgetaucht. Möglicherweise machte noch mehr die Runde, aber Noah war kein Typ für Gerüchte.

      Die Baufirma seiner Familie hatte für die erste Phase des kleinen Renovierungsprojekts, die ihr Geschäft auf die Beine brachte, ein Gebot abgegeben. Sein Bruder, Seth, hatte den Kostenvoranschlag gemacht; er erinnerte sich daran, dass er die Akte im Büro hatte liegen sehen. Aber ein Mitbewerber hatte den Zuschlag bekommen.

      Er schaute sich im Empfangsbereich um. Hier war immer noch viel Arbeit nötig, soweit er das von hier aus sehen konnte. Der ursprüngliche Holzboden musste aufbereitet werden, und der klappbare Wandschirm, der den Eingangsbereich vom Arbeitsbereich abtrennte, war nicht genug. Durch die Eingangstür ging Luft verloren. Das würde ein echtes Problem werden, wenn das schwülwarme Sommerwetter erst einmal da war.

      Er würde eine Trennwand einbauen, etwa drei viertel hoch. Den Boden würde er gerade so weit abschleifen, dass der alte Schmutz und die Flecken weg waren, aber die Maserung und der Charakter des Holzes erhalten blieben. Eine schöne Espressofarbe würde einen netten Kontrast zu der alten Backsteinmauer zu seiner Rechten bilden.

      Josephine kam hinter dem Paravent hervor. „Kommen Sie mit durch, Schätzchen.“

      Sein verrücktes Herz machte einen Luftsprung wegen des Kosenamens. Er stand auf und folgte ihr zu dem Stuhl. Dabei zerbrach er sich den Kopf darüber, was er nur sagen sollte. Er fühlte sich, als hätte ihm einer eins mit einem Kantholz über die Birne gezogen.

      Seine Augen funktionierten immerhin ganz großartig. Josephine war zierlich, fiel ihm auf, jetzt, wo er auf den Füßen stand. Mindestens einen Kopf kleiner als er mit seinen knappen 1,90. Starke, gerade Schultern und eine schlanke Taille. Kurven wie eine Bergstraße.

      Er setzte sich in den Stuhl und begegnete im Spiegel ihrem Blick.

      Seine Stimme schien sich in seiner Kehle verhakt zu haben. Was stimmte bloß nicht mit ihm? Er war vielleicht kein goldzüngiger Plauderknabe, aber wortkarg war er nun auch nicht. Noah zollte Bryce stummen Respekt dafür, dass er sich so zusammengerissen hatte. Das war mehr, als er gerade fertigbrachte.

      „Ich bin Josephine Dupree.“ Mit einem Schwung legte sie ihm den schwarzen Umhang um.

      „Noah Mitchell.“

      „Freut mich, Sie kennenzulernen, Noah.“ Sie legte ihm die Hände auf die Schultern, und er spürte die Berührung bis in die Zehenspitzen. „Was kann ich für Sie tun?“

      Er riss seine Augen von ihrem Spiegelbild los und starrte sein eigenes an. „Da müssen vielleicht drei, vier Zentimeter ab.“ Seine Stimme brach, als