Geschichten eines Geistreisenden. Axel Kruse

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Название Geschichten eines Geistreisenden
Автор произведения Axel Kruse
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957770745



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entlang des Friedhofes nicht zu entdecken. Was ich jedoch bemerkte, war, dass sämtliche Fahrzeuge auf der Straße keine Räder hatten, alles, was sich bewegte, glitt in Bodennähe über die Straßen. Ich fühlte mich in einen Science Fiction Film versetzt. Das änderte sich schlagartig, als ich in der Schule ankam, hier gab es keine wesentlichen Änderungen, zumindest was den Ablauf des Tages anging.

      Meine Schulkameraden schienen alle nur einen Traum zu haben: Ingenieur werden und bei Astrominc einen Job bekommen. Astrominc, die Asteroid Mining Incorporation, die mit Hilfe großer Raumstationen im Asteroidengürtel Bergbau betrieb und dort die Rohstoffe für die hungrige und ausgebeutete Erde beschaffte. Ich konnte es nicht fassen, hatte es noch eines Beweises bedurft, hier war er: Es musste andere Menschen wie mich geben, die immer wieder versuchten den Ablauf ihres Lebens und damit auch den der Welt um sich herum, zu verändern. Hier war ich Zeuge einer großen Veränderung geworden.

      Meine Nachforschungen ergaben, dass vor rund zwanzig Jahren, relativ kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, der Durchbruch in der Gravitationstechnik gelungen war. Hier und jetzt wurde so gut wie alles mittels eines so genannten Gravitationsmotors angetrieben. Die mögliche Aufhebung der Schwerkraft ermöglichte es auch, Raumschiffe ins All zu bringen und sie dort weiter zu beschleunigen. Fast unvorstellbar für mich, ein Traum war wahr geworden.

      Die folgenden Jahre bemühte ich mich in der Schule, ich wollte ins All. Das war etwas für mich, was ich in meinen bisherigen Leben noch nicht gekannt hatte, eine Herausforderung, auch wenn das bedeutete, dass ich mich zuallererst einmal mit Hausaufgaben auseinanderzusetzen hatte.

      Es funktionierte, das Abitur klappte, ein Ingenieursstudium schloss sich an und schlussendlich fand ich mich auf einem der kleinen Prospektorenschiffe wieder, die von der Station Astrominc 2 aus in den Gürtel starteten um dort nach abbauwürdigen Erzvorkommen zu suchen. Ein langweiliger Knochenjob, wie sich im Nachhinein herausstellte, Buchhaltung konnte spannender sein!

      Wir flogen zu zweit, meine Partnerin an Bord war Lisa, ja die Lisa. Wir waren Arbeitskollegen, die zusammen arbeiteten und mehr. Astrominc war es egal wer für sie flog. Gemischtgeschlechtliche Teams waren die Regel, so konnte man die Einsamkeit wenigstens ein wenig verdrängen und sich die Illusion von Familie schaffen. Wir waren pro Trip Nonstop ungefähr sechs Monate da draußen unterwegs, dann kehrten wir zu einem Zwischenstopp zur Station zurück, nur um kurze Zeit später erneut hinauszufliegen.

      Wir waren selbständige Prospektoren, das heißt, dass das Schiff uns gehörte, wir auf eigene Rechnung flogen, unsere Ausrüstung zu überteuerten Preisen bei Astrominc erwerben mussten und unsere Funde dort zu garantierten Preisen verkaufen konnten. Es war uns natürlich freigestellt, sie auch anderweitig zu verkaufen oder selber auszubeuten, nur ..., Astrominc war der einzige Abnehmer, es gab keine andere Organisation dort oben im Gürtel und selber ausbeuten? Hast du schon einmal versucht, einen Berg selber mit deinen eigenen Händen abzubauen? – Es lief auf eine faktische Abhängigkeit hinaus. Der Kredit, den wir für den Erwerb des Schiffes aufgenommen hatten, wurde zwar durch die von uns verdienten Honorare nach und nach getilgt, die neuen Kredite, die wir für die Ausrüstung, vor allem für Luft, Wasser und Lebensmittel aufnehmen mussten, waren jedoch höher oder zumindest genauso hoch, wie die Tilgungsraten für den alten Kredit. Es war im Prinzip eine Art moderner Sklaverei.

      Wir starteten immer von Astrominc 2, der Raumstation, die in der Nähe von Ceres gebaut worden war. Astrominc 1 befand sich ziemlich genau an der gegenüberliegenden Seite des Gürtels. Nr. 3 befand sich im Bau und Nr. 4 war geplant. So sollte nach und nach der komplette Gürtel erschlossen werden.

      Lisa und ich gaben unsere Abschiedsparty im Starlight-Casino. Der Name war Reminiszenz, ansonsten ging es hier jedoch recht schmuddelig zu. Wirklich erfolgreiche Prospektoren feierten mit den Managern von Astrominc mehrere Decks höher, wo auch die Schwerkraft stärker ausgeprägt war. Das Starlight befand sich nur wenige Decks über der Nabe der riesigen Raumstation, die wie ein überdimensioniertes Rad eines Fahrrades aufgebaut war. Durch die permanente Drehung wurde mittels Fliehkraft Schwerkraft simuliert. Je näher man der Nabe kam, desto geringer wurde sie allerdings. An der Nabe selbst herrschte Null g, von hier aus starteten die Raumschiffe zu ihren Erkundungsfahrten. – Wir konnten von Glück sagen, dass unsere Getränke in den Gläsern blieben. Warum hier nicht auch die Gravitationstechnik eingesetzt wurde, leuchtete mir beim besten Willen nicht ein. Mein immer noch vorhandenes Buchhalterherz sagte mir zwar, dass es so wirtschaftlicher sein musste, akzeptieren konnte ich das jedoch nicht.

      Die Party war bereits rund zwei Stunden im Gange, als die Kollegen begannen, uns die Schädel zu rasieren. Das war ein altes Ritual hier draußen. Man fuhr mit einem kahlen Kopf hinaus und kam mit ungefähr sechs Zentimeter langen Haaren zurück. Manche Prospektoren übertrieben es dergestalt, dass ihre Haare schulterlang waren. Es wurde sogar eine Liste geführt. Platz eins belegte ein mittlerweile verschollener Kollege, der hatte tatsächlich Haare, die einen Meter und dreizehn Zentimeter lang gewesen waren, als er zurückkehrte, das war notariell verbürgt worden. War man früher wieder da, war man auf einen Asteroiden gestoßen, der einen fürs Leben reich machte. – So weit die Theorie, ich hatte noch keinen Prospektor gesehen, der nicht entweder Glatze, Mecki oder Matte trug. Aber es sollte sie ja geben, das war der Antrieb für uns alle.

      Wenige Stunden später fanden wir uns im All wieder. Wir hatten unsere Route geheim gehalten, das war auch so ein Spleen der Prospektoren. Jeder wachte eifersüchtig darüber, dass kein anderer einem das vor der Nase wegstibitzte, was man noch gar nicht hatte. Astrominc bestand zwar darauf, dass man zumindest den Sektor angab, in den man fliegen wollte, aber wie wollten die denn kontrollieren, ob man dort tatsächlich ankam?

      Wie sehnte ich mich nach meinem Buchhalterleben auf der Erde. Wochen- und monatelang in einer Blechbüchse eingeschlossen zu sein, nur um für ungefähr vierzehn Tage zu Astrominc zurückzukommen und dann wieder loszufliegen, mir fehlten die grünen Hügel der Erde!

      Lisa dachte ähnlich, aber was half das? Wir hatten uns hoch verschuldet, uns blieb nichts anderes übrig, als den Job zu machen.

      79 Felsklumpen unterschiedlichster Größe hatten wir bereits untersucht und kartographiert, Geschwindigkeit und Vektor bestimmt. Astrominc hatte das ehrgeizige Ziel, den kompletten Gürtel zu vermessen, angesichts der schieren Größe schien mir das anmaßend zu sein, aber wer war ich schon, dass ich mir ein Urteil erlaubte!

      Ich hatte mich etwas hingelegt, Lisa war damit beschäftigt den Anflug auf Nummer achtzig vorzunehmen. So war sie es, die die Entdeckung des Jahrhunderts machte!

      Der Alarmton riss mich aus dem Tiefschlaf, sofort zerrte ich die Atemmaske aus dem Fach neben meiner Koje, zog sie über den Kopf und eilte ins Cockpit. Lisa erwartete mich dort mit einem schallenden Lachen.

      »Das wollte ich schon immer einmal machen«, sagte sie, wobei sie immer noch gluckste. »So hatte ich mir das vorgestellt! Sieh mal da!« Sie wies zu den Anzeigen. »Metall in reinster Form, das Ding da vorne ist eine Goldgrube, das sagen unsere Scanner. Wir sind reich, Thomas!«

      Ungläubig starrte ich auf die Anzeigen, unfähig meine Atemmaske abzuziehen. Lisa musste durchgedreht sein, sie musste sich einen Scherz erlaubt haben, fuhr es mir durch den Kopf. Langsam wurde ich sauer, mit dem Alarm spielte man nicht!

      Sie merkte mir meine Missstimmung an. »Tom, es ist wirklich so! – Das da draußen ist ein Vermögen wert. Warte ab, bis wir nahe genug dran sind, dann zeige ich dir ein Bild auf dem Monitor.«

      Sie meinte es ernst, ich sah mir die Instrumentenanzeigen genauer an, zog die Atemmaske vom Kopf und ließ mich in den Sessel neben ihr fallen. »Keine taube Nuss?«, fragte ich.

      Sie schüttelte den Kopf, ihr Gesicht strahlte so glücklich, wie noch nie zuvor, zumindest nicht in diesem Leben.

      Wir näherten uns an, nach und nach wurde es unheimlich. Das Ding war geometrisch aufgebaut. Länge exakt 0,873 km, Höhe 0,281 km, Tiefe 0,281 km. Es gab zwar einige Ausbuchtungen, die waren aber nicht wirklich von Bedeutung. Da draußen schwebte eine große Schachtel im Raum. Für uns sah das Ding aus, wie ein großer Quader. Je näher wir kamen, umso mehr Details, vielmehr das Fehlen von Details, konnten wir erkennen.

      »Das Ding hat eine glatte Außenhaut, Lisa«, entfuhr es mir.

      Sie