Название | Abenddämmerung im Westen |
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Автор произведения | Wieland Becker |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957448095 |
Diese Permanenz von Kriegen dürfte inzwischen weit mehr Tote gefordert haben, als der Zweite Weltkrieg mit über 50 Millionen.
Ich muss zugeben, dass es mich noch immer aufs Neue fassungslos macht, wenn irgendwo auf der Welt unschuldige Männer, Frauen und Kinder umgebracht werden, als Opfer von Machtkämpfen, von regulären Soldaten, Freischärlern, Marodeuren oder Terroristen, die bedenkenlos rauben, morden, foltern oder vergewaltigen und dafür nicht einmal mehr Befehle als „Rechtfertigung“ brauchen…
Ein „Kainsmal“ des XX. Jahrhunderts
Wie werden eigentlich normale Menschen zu Massenmördern? Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist auch eine Geschichte von Massenmorden. Am Beginn dürften die kolonialen Vernichtungskriege gegen Hereros, Hottentotten, Buren und der Genozid an den Armeniern in der Türkei stehen, an dem sich auch Abertausende von Zivilisten beteiligten, mit unvorstellbarer Grausamkeit. In den 20er und 30er Jahren wurden in den Jahren des Stalinschen Terrors in der Sowjetunion wahrscheinlich 20 Millionen Menschen, Bürger der UdSSR, ermordet.
Dann kam der Nationalsozialismus in Deutschland an die Macht. Der Antisemitismus wurde Staatsdoktrin ebenso das Ziel, die europäischen Juden zu vernichten. Massenerschießungen weit hinter der Front – vor allem in der Sowjetunion, Massentransporte aus allen besetzten Ländern in die Massenvernichtungslager Auschwitz, Majdanek, Sobibor und andere wurden mit teuflischer Präzision geplant und durchgeführt und endeten in den Gaskammern.
Die das vorrangig taten, waren keine mit dem Töten vertrauten Soldaten, sondern unter der Führung der SS gehörten zu den Massenmördern Polizeiangehörige, Ordnungspolizisten, die Wachmannschaften der Konzentrationslager, Juristen, die Verstöße gegen Verordnungen und Verbote des NS-Staates mit Verurteilung zur Haft im Konzentrationslager „ahndeten“. Millionen – Männer, Frauen, Kinder – wurden vor Massengräbern erschossen, Millionen erstickten in den Gaskammern, wurden erschlagen oder starben an Hunger und Krankheiten. Es waren keineswegs ausgesuchte Sadisten, die in dieser Mordmaschinerie dienten. Die wenigsten von ihnen haben Reue gezeigt oder sich schuldig gefühlt, was die Prozesse gegen die Mörder von Auschwitz und Majdanek bewiesen.
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In ihren Konsequenzen ungeheuerliche Vorgänge wie der Massenmord an den europäischen Juden und der „Große Terror“ in der Sowjetunion haben bewiesen, dass die tatsächlich Unschuldigen – gleich ob Juden, einfache Bürger – hilflos, ohnmächtig und unfähig zur Verteidigung oder zum Widerstand waren. Man kann – um einen einigermaßen zutreffenden Begriff für dieses Verhalten zu formulieren – von einer besonderen Ausprägung einer „Paralysierung“ von aus Millionen Menschen bestehenden Gruppen sprechen, die zu Schuldigen erklärt und verfolgt werden, aber außerstande sind, ihre Schuld zu begreifen, weil diese in Wahrheit nie gegeben war. Die europäischen Juden und andere Verfolgte, ausgeliefert den Massenmördern in Uniform und Zivil, wurden in ganz Europa zusammengetrieben, in Viehwaggons verladen und unter unmenschlichen Bedingungen auf ihre oft lange für viele bereits todbringende Reise nach Auschwitz oder in andere Konzentrationslager geschickt, wo sie der Tod in den Gaskammern, durch Sklavenarbeit, Totschlag, Hunger oder Krankheit erwartete – Männer, Frauen, Kinder jeden Alters. Ihre vorgebliche Schuld, mit der jener Massenmord begründet wurde, war, dass sie Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle waren. Kaum einer von ihnen hatte sich dem NS-Regime in irgendeiner Weise widersetzt. Um einen Grund für ihr Sterben zu erkennen, hätten sie ja die rassistischen „Begründungen“ ihrer Mörder annehmen müssen. Da ihnen das natürlich unmöglich gewesen ist, waren sie ihren Mördern in zweifacher Weise völlig ausgeliefert.
Der Aufstand der Juden des „Warschauer Ghettos“ vom 19. Mai 1943 kann nicht als Widerspruch dazu gesehen werden. Nach Monaten des Sterbens im Ghetto und den Transporten der Bewohner in die Vernichtungslager, beschlossen die Verbliebenen, sich zur Wehr zu setzen, wobei ihnen völlig klar war, dass sie, die ohnehin dem Tode Geweihten, mit ihrem bewaffneten Widerstand nur ihrem Sterben einen gänzlich anderen Sinn zu geben vermochten.
Die nach Millionen zählenden Gruppen der Opfer des Terrors unter Stalin waren dagegen den Verhaftungen, Folterungen und Massenhinrichtungen oder der Haft in den Gulags vollständig ausgeliefert. Schuldlos, aber hilflos auch deshalb, weil niemand wusste, ob, wann und warum er verhaftet werden würde. Hatte er nur die „falschen“ Bekannten, wurde er Opfer einer Denunziation oder wurde er einfach nur auf eine Liste gesetzt, weil er ein „Verdächtiger“ war, der in das „Schema“ der zu beseitigenden „Volksfeinde“ passte…
Die Unschuldigen mit den blutigen Händen
Das Verhalten der Täter steht im krassen Gegensatz zur Wehrlosigkeit ihrer Opfer. Zwar schrieb Goebbels in seinen Tagebüchern – im Wissen, was den NS-Staat wirklich ausmachte: „Wenn wir den Krieg verlieren, dann Gnade uns Gott.“, doch auf Gottes Gnade wollten sich aber weder die Generäle der Wehrmacht noch die Massenmörder in SS-Uniform und ihre zahllosen Mittäter verlassen. Bereits ab 1943 wurden im Generalstab der Wehrmacht Strategien entwickelt, um sich nach dem Krieg als redliche Soldaten, die nur ihren Befehlen gehorcht hätten, zu präsentieren. Insbesondere in SS-Führungskreisen wurden Vermögen ins neutrale Ausland verbracht und Fluchtpläne entwickelt. Man war auf den „Tag X“ vorbereitet. Schuldgefühle oder Reue waren angesichts des organisierten Schweigens gefährlich und ohnehin selten, selbst während der „Nürnberger Prozesse“.
Wirklich Unschuldige können definitiv keine Strategie zu ihrer Verteidigung entwickeln, weil es unmöglich ist, sich für etwas zu verteidigen, was man nicht getan hat. Demgegenüber haben wirklich Schuldige mehr als genug Gründe und „Möglichkeiten“, Strategien zu entwickeln, Zeugnisse ihrer Verbrechen verschwinden zu lassen und sich gegenseitig zu „entlasten“.
Während einige der exponierten Führungskräfte als überführte Kriegsverbrecher hingerichtet oder zu langen Zuchthausstrafen verurteilt wurden, waren die Eichmanns, Barbies und Mengeles untergetaucht, um dann mit vielen ihrer Mittäter mit Unterstützung aus dem Vatikan über die so genannte „Rattenlinie“ nach Südamerika oder Vorderasien zu gelangen, wo sie über Jahrzehnte unbehelligt lebten.
Der „Kalte Krieg“ hatte begonnen und die westlichen Staaten trafen eine schwerwiegende Richtungsentscheidung: Da der Antikommunismus gesetzt war –