Jahrbuch der Baumpflege 2016. Группа авторов

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Название Jahrbuch der Baumpflege 2016
Автор произведения Группа авторов
Жанр Социология
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Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783878152514



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insbesondere im Außenbereich („außerorts“) ist als „Allgemeiner Grundsatz“ (in § 13 BNatSchG) von Bedeutung: „Erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher vorrangig zu vermeiden. Nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen sind durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren.“ Nach § 9 SächsNatSchG (10.) gilt bspw. auch die Beseitigung von landschaftsprägenden Hecken, Baumreihen, Alleen, Feldrainen und sonstigen Flurgehölzen als Eingriff.

      Die Kronenpflege oder statisch begründete fachgerechte Kroneneinkürzungen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit gelten nach Auffassung von Juristen nicht als erhebliche Beeinträchtigung (KERN 2011), sie dienen ja dem Erhalt des Baumes. Nicht fachgerechte Kappungen sind dagegen als erhebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Einzelbaums und damit auch des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes zu betrachten (Abbildung 13).

       4 Möglichkeiten zum Baumerhalt bei ehemals gekappten Bäumen

      Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich ableiten, dass ehemals gekappte Bäume in vielerlei Hinsicht schwierige „Problemfälle“ sind. Dennoch wird häufig der Erhalt der geschädigten Bäume angestrebt. Die für die Erhaltung und für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht notwendigen Maßnahmen an gekappten Individuen hängen u. a. davon ab, wie die Bruch- und Standsicherheit eingeschätzt wird, wie gut sich der Baum regeneriert hat und wie lange die Kappung zurückliegt (ROLOFF & DUJESIEFKEN 2003). Falls der Baum genügend standsicher ist, sich ausreichend regeneriert hat und auch der Wille besteht, die erforderlichen Pflegekosten zu tragen, können baumpflegerische Maßnahmen innerhalb der neu entstandenen Sekundärkrone in Betracht gezogen werden. Wenn die genannten Voraussetzungen aber nur teilweise oder überhaupt nicht gegeben sind, sollte der gekappte Baum durch eine Neupflanzung ersetzt werden.

       Abbildung 13: Fachgerechte Kroneneinkürzungen (KE) erhalten weitgehend den ursprünglichen Baumhabitus (links, unterschiedliche Schnittstärke bei zwei benachbarten Rot-Buchen); die Kappung ganzer Baumreihen verändert dagegen das Landschaftsbild erheblich und führt künftig zu erheblichen Problemen am Einzelbaum (rechts).

       4.1 Baumpflege an vor kurzem gekappten Bäumen

      Soll ein vor kurzer Zeit gekappter Baum erhalten bleiben, gibt es zwei grundlegend verschiedene Möglichkeiten für die Gestaltung der neu entstandenen Krone:

       4.1.1 Kopfbaumähnlicher Schnitt

      Mit einer regelmäßig alle 1 bis 3 Jahre durchgeführten Entfernung der neu gebildeten Austriebe würde die Krone in eine Form überführt werden, die der eines Kopfbaumes ähnelt. Diese Möglichkeit bietet sich besonders bei kürzlich erfolgten Stammkappungen an. Eine derartige Vorgehensweise an Bäumen mit mehreren gekappten Stämmlingen hätte eine Kandelaberform zur Folge. Allerdings können auf diese Weise nur vitale Individuen reiterationsfreudiger Baumgattungen (z. B. Aesculus, Platanus, Tilia oder Salix) behandelt werden, da nach jeder Schnittmaßnahme neue Austriebe gebildet werden müssen. Dieser „nachträgliche Kopfbaumschnitt“ an gekappten Bäumen führt nicht zu „echten“ Kopfbäumen, weil dem Baum durch die Kappung eine große Verletzung zugefügt wurde (PFISTERER 1999; KLUG 2003). Wenn von vornherein ein Baum mit geformter Krone erwünscht ist, muss bereits frühzeitig im Baumleben mit dem regelmäßigen Schnitt begonnen werden, sodass erst gar keine großen Schnittwunden entstehen.

      Das Austriebsverhalten vormals vitaler Bäume erfordert unmittelbar nach der Kappung ein sehr kurzes Pflegeintervall. Nur langsam wird sich wieder ein normales Kronen-Wurzelverhältnis einstellen, dann wird auch die Wachstumsintensität der Reiterate nachlassen. Trotzdem müssen solche Bäume regelmäßig geschnitten werden.

       4.1.2 Aufbau einer artgerechten Sekundärkrone

      Um eine Hierarchie in der zunächst besenförmig erscheinenden Krone herzustellen, müssen Austriebe entfernt oder eingekürzt werden (FLL 2006b). Diese Vorgehensweise ist besonders für Stämmlings- und Starkastkappungen, aber auch bei länger zurückliegenden Stammkappungen mit bereits großen Ständern geeignet. Soll eine Ständervereinzelung erfolgen, ist bei gut abschottenden Baumgattungen (z. B. Platanus, Tilia) drei bis maximal vier Jahre nach der Kappung eine erste Schnittmaßnahme notwendig, um eine effektive Kompartimentierung der Wunden zu ermöglichen. An schwachen Kompartimentierern, wie z. B. Salix, muss der erste Pflegeeingriff nach der Kappung sogar meist früher durchgeführt werden.

       Abbildung 14: Kappungsstelle einer vor kurzem gekappten Linde, a) vor der Vereinzelung, b) nach der Vereinzelung

      Schwächere, insbesondere geneigte oder horizontal wachsende Austriebe können bei der ersten Pflegemaßnahme belassen werden. Damit wird erreicht, dass der geschwächte Baum etwas weniger Wunden kompartimentieren muss und mit einer größeren Menge an Assimilaten versorgt wird. Alle anderen starken Austriebe sollten bereits mit dem ersten Pflegeeingriff entfernt werden (Abbildung 14).

      Fehlt ein unter der Kappungsstelle entspringender (alter) Steilast zum Aufbau eines neuen Wipfels, sollte von den stärksten Austrieben der am besten die Stammachse fortsetzende (zentrale) Trieb für den Kronenaufbau ausgewählt und bis zu einem geeigneten Versorgungsast eingekürzt werden. Bei der Auswahl dieses künftigen Wipfeltriebes sind aufrechte Reiterate mit ausgeprägter Verzweigung zu bevorzugen. Gleichzeitig werden wenige erhaltenswerte Austriebe, die relativ weit voneinander entfernt und fest mit dem Stamm bzw. Stämmling verbunden sind, deutlich stärker eingekürzt (ähnlich wie in Abbildung 15). Damit wird frühzeitig für die zentrale Stammverlängerung (künftiger Wipfeltrieb) ein Konkurrenzvorteil geschaffen und eine Hierarchie innerhalb der Sekundärkrone aufgebaut. Im Idealfall wird die Apikalkontrolle der Terminalknospe des künftigen Wipfeltriebes das Wachstum der anderen Ständer dämpfen.

      Mit den folgenden Pflegeeingriffen müssen störende, steil wachsende Reiterate entfernt sowie die Verzweigung der verbliebenen Austriebe gefördert werden. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, dass die Dominanz der Stammverlängerung gegeben ist, damit sich die Achsen nicht gegenseitig in die Höhe treiben.

       Abbildung 15: Schwache Einkürzung des zentralen Ständers eines vor ca. 35 Jahren gekappten Spitz-Ahorns (als zukünftiger Wipfel), stärkere Einkürzung aller anderen dominanten Ständer, a) vor dem Schnitt, b) nach dem Schnitt

      Die Entwicklung einer hierarchisch aufgebauten Krone ist an einem vor kurzem gekappten Baum schwieriger zu verwirklichen als die Überführung in eine kleine, regelmäßig geschnittene Krone (Kopfbaum). Bei jedem Eingriff muss überprüft werden, ob die Hierarchie innerhalb der Krone noch besteht. Zudem sollte das Architekturmodell des Baumes berücksichtigt werden, um einen annähernd natürlichen Habitus wiederherzustellen (PFISTERER 1999). Mit zunehmender Kronengröße ist auch eine häufiger wiederkehrende Kontrolle der Verkehrssicherheit notwendig. Gelingt die annähernde Wiederherstellung des natürlichen Kronenhabitus, kann bei nachlassendem Wachstum die Pflege in größeren Abständen erfolgen. Falls eine dem natürlichen Habitus nahe kommende Kronenform erreicht wird, passt sich das arttypische Erscheinungsbild wieder gut in das Landschafts-, Stadt- oder Parbbild ein.

       4.2 Maßnahmen an vor längerer Zeit gekappten Bäumen

      Bäume, die vor sehr langer Zeit gekappt wurden, sind in der Regel stark in ihrer Verkehrssicherheit eingeschränkt. Es sollte jedoch keine Entscheidung „aus dem Bauch“ heraus getroffen werden, sondern entsprechend der abgestuften Vorgehensweise bei Baumkontrollen im Allgemeinen auch bei ehemals gekappten Bäumen eine Einzelbaumuntersuchung durchgeführt werden. Bei schweren Schäden sollte auch die Fällung und der Baumersatz in Erwägung gezogen werden. Dies kann insbesondere innerhalb denkmalgeschützter Anlagen, bei denen das ursprüngliche Pflegekonzept sehr lange nicht umgesetzt wurde, u.