Froststurm. Jan-Tobias Kitzel

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Название Froststurm
Автор произведения Jan-Tobias Kitzel
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783957770615



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auf derselben Erde leben.«

      Wie er sich aufregte. Er sah dabei so herrlich süß aus, wie sich seine Wangen auf den gemeißelten Zügen röteten.

      »Wieder mal einbrechen? Anlagen sabotieren, so wie vorgestern? Oder die Aktenschränke voll Wasser laufen lassen und Grassamen drauf geben so wie gestern? Oder sind diesmal deine Freunde dran, die den Fuhrpark auseinandernehmen, wie du mal erzählt hast? Die haben Security und sind nicht völlig verblödet. Dafür landest du im Knast!« Sie krallte sich ein Kissen, stopfte es sich vor den Bauch, knüllte es zusammen.

      Einen kurzen Moment sah es so aus, als ob er explodieren würde. Dann atmete Ben tief durch, leerte die Flasche auf einen Zug und warf ihr den Mantel zu.

      Sie schaute ihn fragend an.

      »Komm, lass uns eine Runde gehen.«

      Sie traten vor die Tür, hakten sich ein und schlenderten die Straße hinunter. Der Verkehr rollte neben ihnen, »malerisch« oder »ruhig« wohnte Ben mit seiner Wohnung in Hauptverkehrslage nahe Innenstadt nun wirklich nicht. »Aber dafür zentral« hatte er ihr geantwortet, als sie auf die Abgasbelastung hingewiesen hatte. Ein Küsschen und das Thema war erledigt gewesen, man musste nicht alles ausdiskutieren. Sie gingen schweigend die Straße hinunter. Einige Fußgänger hasteten, erledigten die letzten Weihnachtseinkäufe wenige Tage vor dem Fest. Sie hingegen schlenderten. Ließen den Kopf zur Ruhe kommen, genossen das Beisammensein. Selbst wenn bei dieser Wärme kein echtes Weihnachtsgefühl aufkommen wollte.

      Nachdem sie ein Weilchen gegangen waren, hockten sie sich auf eine Bank in der Innenstadt, sahen dem Treiben zu und Ben besorgte bei einer bekannten »Kaffeerösterei mit angeschlossenem Shop« zwei Kaffee und belgische Waffeln.

      Kaum waren die letzten Krümel verspeist, drehte er sich zu ihr, strich ihr über die Haare.

      »Es muss einfach sein, Reggi. Meine Freunde und ich, wir wollen einfach mal einen der Großen erledigen, ihm so richtig seine dreckige Tour vermasseln.«

      Regina seufzte.

      »Und? Was habt ihr vor?«

      Ben zuckte mit den Achseln.

      »Keine Ahnung. Ich treffe mich morgen mit den Jungs. Bis dahin soll ich mir was überlegt haben.« Er nahm einen weiteren Schluck Kaffee. »Warum eigentlich immer ich?«

      Sie küsste ihn auf die Wange. »Weil sie dir vertrauen. Weil alle dir vertrauen, wenn sie dich kennen. Du bist einfach die geborene Führernatur.«

      Er lachte laut auf, was ihnen einige merkwürdige Blicke von Passanten einbrachte, was Ben nur nochmal lachen ließ.

      »Na, vielen Dank auch.« Dann wurde er wieder ernster. »Ich will eigentlich keinen direkten Einbruch riskieren. Aber Multichem hat es einfach verdient. Unterzeichnen erst mit großem Brimborium die Konzernerklärungen von Rom und machen dann immer noch keinen Deut mehr gegen ihren Schadstoffausstoß.

      Regina sah den Fußgängern zu und einem Fahrer eines Lieferwagens, der verzweifelt versuchte, viel zu schwere Paletten von Zeitungen und Zeitschriften allein abzuladen. Presse. Medien. Sie drehte sich zu ihm.

      »Ist nicht dieser komische Herr Müller deren Vorstandsvorsitzender? Der sich so gerne in der Zeitung sieht?«

      »Ja, wieso?«

      Sie grinste ihn an. »Oh, ich glaube, ich habe da eine Idee.«

      »Und du meinst, das funktioniert?« Er schaute ihr über die Schulter, wie sie den Laptop malträtierte. Bobo raste zwischen ihren Füßen umher, sprang Ben wild an und verlangte Aufmerksamkeit. Davon hatte sie ihm in der letzten Woche leider viel zu wenig zukommen lassen und nicht mehr als das Notwendigste getan. Ben war über sie und ihr wohlgeordnetes, langweiliges Leben gekommen wie ein Orkan. Gott, wie schmalzig. Aber wahr.

      Sie scheuchte ihn in die Küche und ließ Ben das Abendessen für Bobo zusammenstellen.

      »Mach du dich da nützlich, ich löse jetzt dein Problem.«

      Klappernd wurden nacheinander die Schränke durchstöbert, während Regina im Wohnzimmer weiter hackte.

      »Unter der Spüle«, rief sie hinüber und vertiefte sich dann wieder in ihre »Arbeit«. Eigentlich war es mehr Spaß als das.

      Ein paar Minuten später hörte man einen schmatzenden Hund und Ben hockte sich neben sie auf das Sofa.

      »Du hast meine Frage vorhin gar nicht beantwortet. Warum sollte dein Plan klappen?«

      Sie stupste ihn auf die Nase.

      »Weil Multichem geizig ist.« Sie drehte den Laptop zu ihm, die Homepage des Chemieriesens war eingeblendet. »Siehst du dieses Logo hier unten am Seitenende? Open Page.«

      »Und?«

      »Open-Source-Software. Wahrscheinlich von ihrer IT-Abteilung abgewandelt, aber den Kern haben sie von diesem Open-Source-Toolkit übernommen, das zur Homepage-Erstellung samt CMS und so gedacht ist. Und sie waren so nett, den fest eingebauten Link auf die Openpage-Webseite drin zu lassen.« Sie schmunzelte.

      »Aha.« Er zuckte mit den Achseln. »Verstehe kein Wort.«

      »Nicht ganz deine Baustelle, ich weiß, mein Schatz.«

      Sie klickte auf ein anderes Browserfenster.

      »Rübezahls Freunde?«, las er vor.

      »Ja, ich weiß, bescheuerter Name. Irgendein Insider-Gag von vor meiner Zeit. Ist ein sehr aktives Hackerforum. Wenn du schon immer wissen wolltest, warum deine Lieblingssoftware in immer kürzeren Abständen einen Sicherheitspatch braucht, hier ist die Antwort.« Sie klickte sich durch das Forum und lachte dann triumphierend auf. »Und hier ist genau das, was ich gesucht habe. Es ist eine weitere Sicherheitslücke in Openpage aufgetaucht. Und das Update, um diese zu schließen, kommt erst nächste Woche raus, wie meine Hackerfreunde hier zu berichten wissen.« Ein paar Klicks später hatte sie sich alle Infos gezogen und surfte zur Homepage der Open-Source-Software.

      »Und was willst du nun beim Hersteller von Openpage?«

      »Hersteller ist hier nicht ganz richtig, mein furchtloser Adonis. Open-Source wird grundsätzlich von allen mit programmiert, die daran Spaß haben. Jeder kann mitmachen. Und damit das möglich ist, muss der Quellcode der Software natürlich auch frei einsehbar sein.« Sie führte ihre Maus auf einen Downloadlink. »Probier das mal bei Microsoft.«

      »Und damit hast du nun...?«, fing er an.

      »Und damit habe ich nun sowohl den Code der Software als auch eine Lücke, wie man sich in eine von ihr erzeugte Homepage hinein hackt«, schloss sie den Satz ab.

      Sie ging in die Küche, nahm sich einen Prosecco aus dem Kühlschrank und ließ das Fläschchen sanft, aber eiskalt auf seinem Nacken nieder, was zu einem protestierenden Aufschrei führte. Sie umklammerte ihn von hinten und er warf sie auf das Sofa und sie küssten sich mit der Intensität frisch Verliebter.

      »Und was will meine Cyberschurkin nun mit all diesen Angaben machen?«, fragte er und schaute ihr tief in die Augen.

      »Jetzt, mein Lieblings-Einbrecher, sorgen wir dafür, dass Versprechen auch eingehalten werden.

      »Es ist in den Nachrichten«, rief Ben begeistert aus dem Wohnzimmer und Regina beeilte sich, aus dem Bad zu kommen.

      »Meine Freunde haben grad schon angerufen und gratuliert. Aber sie wüssten gern, wie wir das im Alleingang geschafft haben.«

      Regina eilte zu ihm. Auf einem Nachrichtensender liefen die stündlichen Zusammenfassungen des Tagesgeschehens.

      »Multichem verkündet als erstes Unternehmen Deutschlands, konkrete Bauaufträge zur Umrüstung ihrer Chemieanlagen erteilt zu haben, um das Rom-Abkommen einzuhalten. Mit diesem Schritt überraschte der Branchenführer selbst Eingeweihte, aber die zuerst im Internet veröffentlichte Pressemitteilung des Unternehmens lässt keinen Zweifel zu. Die Kosten werden von Experten auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt, dem allerdings Einsparungen durch umweltfreundlichere Fertigungen samt