»Dann sage einfach deinen Kollegen, dass du noch ein bisschen an der frischen Luft bist, dann wissen alle bescheid.«
»An der frischen Luft?«
»Ja, dann fragt niemand nach Dir, weil jeder mal was benötigt und solange man es nicht übertreibt ist alles in bester Ordnung.«
»Und was ist, wenn Genosse Liedke davon Wind bekommt?«
»Du kannst dich beliebt machen, wenn du ihm berichtest, was es an Besonderheiten in der BHG gibt und sonst ist er doch freitags immer an der frischen Luft.« Zehn Minuten später saßen sie beide auf der ETZ vom Genossen Krugmann und waren auf dem Weg zur BHG.
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Die Löcher im Putz des BHG – Gebäudes legten den Blick auf das Mauerwerk aus roten Ziegelsteinen frei. ›Läuferverband‹ dachte Axel, als er von der ETZ stieg, seinen Helm abnahm und sich die Haare vom morgenfrischen Wind umwehen ließ. Unter dem verwitterten Dachvorsprung klebten ein paar Schwalbennester. Zwischen den Treppenstufen machten sich Hirtenstängel und Spitzwegerich breit. Am Eingang hing eine verrostete Laterne. Er bezweifelte, dass sie überhaupt noch funktionierte. Doch ob sie nachts leuchtete, war ihm jetzt egal, denn es war bereits 10 Uhr und die Morgensonne erwärmte und erhellte die ganze Umgebung. Die Eingangstür war abgeschlossen. Hinter einem Türspalt aus Fensterglas baumelte ein selbst geschriebenes Schild aus Pappkarton, das in der Lage war, allen Lesern Respekt einzuflößen: Wegen Warenannahme bis 14:00 Uhr geschlossen! wehrte es alle kaufwilligen Kunden ab. Krugmann schüttelte niedergeschlagen den Kopf. Seine Enttäuschung dauerte allerdings nicht besonders lang, denn er hatte sich schnell wieder aufgerappelt. »Dann müssen wir gleich um zwei wieder hier sein, vielleicht haben die heute etwas bekommen, was wir gebrauchen können.« Sie waren zwar noch nicht weiter gekommen und hatten doch einen Informationsvorsprung vor allen denen, die nicht wussten, dass heute neue Ware gekommen war. Und wie oft entscheidet der richtige Ort zur richtigen Zeit über Erfolg oder Misserfolg. »Lass uns lieber zehn Minuten eher hier sein, damit wir in der Schlange ganz vorn stehen.« Krugmann nickte. »Frühzeitiges Erscheinen sichert die besten Plätze.« Und das traf nicht nur auf die Abendveranstaltungen im Kino oder im Kulturhaus zu.
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Um 13:50 Uhr warfen die Lindenbäume schon die ersten Schatten auf den ausgetretenen Vorplatz aus Sand und Steinen. Das Befahren und Betreten drängte das Gras zurück und übrig blieb ein vertrocknetes und staubiges Niemandsland zwischen ausgeblühten Fliederbüschen und rissigem Straßenasphalt. Sie waren nicht die ersten Interessenten. Vor der Treppe der kleinen BHG wartete schon eine Traube von zehn bis fünfzehn Menschen, die nicht miteinander sprachen, in unterschiedliche Richtungen starrten und sich abwechselnd immer wieder mithilfe ihrer Armbanduhren über die aktuelle Uhrzeit informierten. Jürgen Krugmann und Axel Weber vergrößerten die Schlange um zwei weitere Personen. Sie ließen sich von der verriegelten Eingangstür aufhalten wie der strömende Fluss von einer Schleuse. Krugmann zwinkerte: »Wir bekommen noch einen Korb.« Dann verstummte auch er, ließ sich von der drückenden Stimmung voller Hoffnungen und Vorahnungen anstecken und starrte wie Axel Weber geduldig auf das Pappschild hinter dem gläsernen Türspalt, dass sich pünktlich um 14:00 Uhr bewegte, ein Schlüsselklappern im Türschloss nach sich zog und die Menschenmenge vor der BHG in einen langsam fließenden und seufzenden Strom verwandelte.
Hinter dem Eingang, der nach Holz und Linoleum roch, standen etwa zwanzig Handkörbe aus Drahtgeflecht. Über dem Tisch war ein Schild an die Wand angebracht: Rundgang nur mit Korb. »Nimm dir auch einen Korb, Axel.« riet ihm Krugmann. »Dann kommen weniger andere Leute in den Laden. Und wenn du keinen Korb in den Händen hältst, macht die Leiterin wieder ein Riesentheater. Die kann ein ganz schöner Besen sein. Wenn du es bei ihr verspielt hast, dann bekommst du nicht mal einen rostigen Nagel zu kaufen. Dafür sorgt sie schon.« Axel nickte »Ordnung muss sein« und zog an dem Bügel eines Korbes, drückte mit der anderen Hand die restlichen Körbe zurück und begann seinen Einkauf, indem er durch die Gänge mit überwiegend leeren Regalen schlenderte. Mausefallen. Friedhofsvasen. Tüten mit Sämereien. Hier gab es einen Überfluss an Dingen, die man nicht benötigte.
»Sagen Sie bitte, was für Waren haben Sie denn den ganzen Vormittag angenommen, wenn das Geschäft immer noch genauso ausgefegt ist, wie gestern Abend?« Die erboste Stimme eines Kunden, der seine Enttäuschung immer noch versuchte freundlich zu verpacken schallte durch das kleine Geschäft und sprach genau das aus, was alle anderen Besucher der BHG dachten. Sie liefen durch die hohlen Gänge und suchten nach den besondern Waren wie die schnüffelnden Polizeihunde nach einer heißen Spur.
Eine scharfe Frauenstimme heulte wie eine Kreissäge zurück: »Das geht Sie überhaupt nichts an, mein Herr. Wenn Sie bei uns nicht einkaufen wollen, dann brauchen Sie diesen Laden ja nicht zu betreten.«
»Ich würde ja gerne ein paar Holzbretter kaufen.« entgegnete die energische Männerstimme. Die Verkäuferin war beleidigt und ließ sich entnervt zu einer Antwort hinreißen: »Das tut mir leid, junger Mann. Diesen Artikel führen wir momentan nicht in unserem Sortiment. Sie können aber jederzeit immer wieder nachfragen.«
Krugmann tauchte mit leerem Korb auf: »Das kannst du heute vergessen.« Er winkte in die Richtung, aus der das Gespräch gekommen war: »Die Alte hat heute wieder schlechte Laune. Da ist es besser, gar nicht erst in ihre Schussbahn zu geraten.«
»Wir haben es doch noch gar nicht probiert.«
»Ein Hoch auf deinen Optimismus, Axel, aber spare dir den Ärger.«
»Vielleicht freut sie sich ja über eine nette Anfrage.« Jürgen winkte ab. »Du kannst ja machen, was du willst. Ich warte draußen auf Dich.« Axel sah Jürgen Krugmann verwundert hinterher. Was hatte das zu bedeuten? Er war es doch, der ihm Mut machte. Und jetzt gab er sich hier so kampflos geschlagen? Ein wenig komisch kam ihm das schnelle Einlenken schon vor. Trotzdem entschied er sich, nicht unverrichteter Dinge verschwinden. Es musste vorwärts gehen mit dem Garten, sonst wäre Gerda enttäuscht. Und Gerdas Enttäuschung rief sofort wieder ihr Heimweh auf die Tagesordnung. Er atmete tief durch, wie er das neulich auch vor dem Büro des Kombinatsleiters Liedke getan hatte, und ging durch die Gänge, bis er die Kasse sah. Dort lehnte eine ältere Verkäuferin auf dem Ladentisch und langweilte sich. ›Diese Frau ist es, die zwischen mir und meinem Gartenwerkzeug steht.‹ »Entschuldigen Sie bitte.« Er legte alle Freundlichkeit in diese Worte und gab sich Mühe, trotzdem natürlich und bescheiden zu wirken. »Ich bin hier neu hergezogen und habe für meine Familie einen Garten gepachtet und jetzt wollte ich einmal anfragen, ob man bei Ihnen einen Spaten und eine Schippe anmelden kann.« Die Frau in der rosafarbenen Kittelschürze verarbeitete die Worte langsam und ohne Regung. Sie schien zu überlegen. »Sagen Sie, sind sie nicht in die Schmiedeberger Str. 13 c eingezogen?« Das brachte ihn aus dem Konzept und alle seine zurechtgelegten Worte waren auf einmal verschwunden. »Ja, wir wohnen ganz oben in der fünften Etage.« Die Frau lächelte: »Ich weiß, neben Schäfer. Wir wohnen in der zweiten Etage rechts.« Er ging in Gedanken den Hausgang bis in dien zweite Etage rechts hinauf: »Frau Müller?«
»Ja, mein Mann ist der Hausvertrauensmann und hat Sie überall vorgestellt, außer bei seiner eigenen Frau.« Er nickte: »Das haben wir ja jetzt nachgeholt.«
»Ich habe Sie schon ein paar Mal mit dem Moped kommen sehen. Und ihre Kinder grüßen immer so nett im Treppenhaus, dass das immer eine rechte Freude ist, ihnen zu begegnen.«
»Das freut mich, dass sie zu Ihnen nett sind und wir sagen ihnen immer, lieber einmal zu viel grüßen als einmal zu wenig.«
»Ihr Sohn hat mich neulich dreimal an einem Tag gegrüßt. Und Sie und Ihre Frau haben mir auch schon Guten Tag gesagt, aber wenn man neu ist, dann stürzt alles auf einen ein.«
»Beim nächsten Mal weiß ich ganz bestimmt, wer Sie sind, versprochen.« Frau Müller lehnte sich zu ihm, damit sie nicht so laut sprechen musste: »Was brauchen Sie denn für Ihren Garten?«
»Er flüsterte zurück: »Wenn wir dürfen, dann hätten wir gern zwei Spaten, eine Schippe, eine Harke, eine Hacke und einen Sack Zement.« Sie nickte. »Kommen Sie heute Abend kurz nach sechs mit einem Anhänger.«
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Um