Fünf ungleiche Reiter. Jannis B. Ihrig

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Название Fünf ungleiche Reiter
Автор произведения Jannis B. Ihrig
Жанр Любовное фэнтези
Серия
Издательство Любовное фэнтези
Год выпуска 0
isbn 9783954882724



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Gesicht, was Brobus nicht sehen konnte: „Nicht jetzt.“

      „Bruder, du hast jetzt schon so viel Feuerholz verarbeitet, dass wir für das ganze Jahr genug haben.“

      „Von mir aus können es auch zwei Jahre werden.“

      „Gribus … „ Brobus schreckte hoch, als jemand plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Es war Ekarum, der mit sanfter, aber direkter Stimme sagte: „Brobus, du solltest deinen Bruder in Ruhe lassen. Er muss sein Unglück erst mal verarbeiten.“

      „Ich weiß, Vater. Doch beunruhigt es dich nicht? Er hat in den letzten Tagen mit niemandem viel geredet, weder mit mir, mit dir oder mit sonst jemandem. Wenn er sich zu sehr abschottet … „ Weiter kam Brobus nicht. Plötzlich ertönte ein Schrei, eine Tür wurde zugeschlagen und Glutia kam aus dem Haus gelaufen. „Glutia, meine Liebste, was ist geschehen?“ Ekarum nahm Glutia in die Arme und versuchte sie zu beruhigen. Jetzt kam Boron ebenfalls hinausgelaufen und fragte: „Was war das für ein Schrei?“ Brobus erklärte mit kalter Stimme: „Deine Mutter hat plötzlich geschrien und kam hinaus gelaufen.“ Glutia, die sich inzwischen beruhigt hatte, begann zu erzählen: „Ich stand in der Küche und machte wie jeden Tag zu dieser Zeit das Mittagessen, als ich etwas hörte.“ Ekarum sah sie an: „Etwas hörte?“

      „Ja, es klang wie ein Schmatzen und es kam aus der Speisekammer. Also schaute ich nach und entdeckte ein Ungeheuer.“

      „Ein Ungeheuer?“, fragte Ekarum. „Ja. Als ich es erblickte, habe ich mich erschrocken und bin dann raus gelaufen.“

      „Es war nicht zu überhören“, brummte Brobus. Gribus, der schon in die Küche gegangen war, rief: „Ich werde mir mal das Monster ansehen. Bleibt draußen. Bis ich euch rufe.“ Langsam ging er um den Esstisch, der mitten in der Küche stand, herum und näherte sich der Speisekammer. Tatsächlich hörte nun auch er das Schmatzen aus der Speisenkammer. Er näherte sich der Tür und öffnete sie. Sie ging mit einem lauten Quietschen auf. Gribus erschrak und horchte. Das Schmatzen brach nicht ab. Was auch immer drinnen war, es war mit seinem Essen sehr beschäftigt. Also schob Gribus die Tür ganz zur Seite und sah hinein.

      „Wo bleibt er nur? Er ist nun schon seit zehn Minuten da drinnen“, sagte Ekarum sichtlich besorgt. „Vielleicht hat ihn das Monster angefallen“, vermutete Boron. „Unwahrscheinlich. Wir hätten etwas gehört. Ich gehe jetzt rein“, beschloss Ekarum und schritt auf die Küchentür zu. Doch bevor er diese erreichte, ging sie auf und gab einen unglaublichen Anblick frei. Da stand Gribus, der in seinen Armen doch tatsächlich ein Drachenjunges hielt. Die Schuppen waren schwarz wie die Nacht, die Augen glühten rot. Doch es waren freundliche Augen. Die Krallen an den Füßen waren seltsam geformt. Sie erinnerten nicht an die von Raubtieren, sondern eher an jene von Tieren, die es gewohnt waren, sich durch Erdreich zu graben. Der Schwanz endete in einer natürlichen Stachelkeule. Der Kopf, der sehr groß im Vergleich zu dem restlichen Körper war, war mit vier dreißig Zentimeter langen Hörnern, die alle auf der Kopfdecke platziert waren und nach hinten wiesen, verziert. Der Rest des Kopfes ähnelte dem, was man sich unter einem Drachenkopf vorstellen würde. Das auffälligste Merkmal waren die riesigen Flügel. Der Drache, der zirka einen halben Meter lang war, hatte eine Flügelspannweite von einem Meter. Jetzt konnte man auch den Ursprung des Schmatzens erkennen: Das Drachenjunge fraß tatsächlich eine riesige Bergrübe. „Was beim Goldenen Hammer ist das?“, fragte Ekarum ungläubig. „Sieht aus wie ein Drache“, bemerkte Boron. „Quatsch, schon mal einen Rüben fressenden Drachen gesehen?“, widersprach Brobus. Dann stutzte er und gab kleinlaut zu: „Na ja. Eigentlich haben wir alle hier noch nie einen Drachen gesehen.“ Glutia sah es an und sagte: „Gefährlich sieht es nicht aus. Sogar ein bisschen niedlich.“

      „Vorsicht, der Eindruck kann täuschen. Und es könnte ein Allesfresser sein“, warnte Ekarum. „Glaube ich nicht. Außerdem ist es ein Männchen“, erwiderte Gribus. „Und warum bist du dir da so sicher?“, fragte Boron. Statt zu antworten, hob Gribus das Drachenjunge hoch und zeigte seine Unterseite. Das erklärte alles. Ekarum sagte nun mit Schamröte auf den Wangen: „Nun, da die Geschlechtsfrage geklärt ist, was machen wir mit ihm?“ Gribus schlug vor: „Gehen wir erst mal zu Medikusius. Er liest viel. Vielleicht kennt er ja so ein Wesen.“

      Später befand sich Gribus mit dem Drachen vor dem Haus von Medikusius, während die Blicke aller Zwerge, die sich auf der Straße befanden, auf ihm und dem Drachen ruhten. Zögernd hob Gribus die Hand und klopfte dann an die Tür des Elfenhauses, welches sich durch die hellen Steine von den Zwergenhäusern, die aus grauem Gestein gebaut waren, abhob. Einige Minuten vergingen, bis sich die Tür öffnete und die schlanke Gestalt von Medikusius sichtbar wurde. „Gribus! Schön dich zu sehen.“ Dann sah er den Drachen. Sein Gesicht entgleiste und er erstarrte. Erst als Gribus ihn besorgt anstupste, kam wieder Bewegung in ihn. „Das kann nicht sein. Und dennoch sehe ich es mit meinen eigenen Augen. Gribus, komm schnell herein. Ich habe dir eine Menge über deinen kleinen Freund zu erzählen.“

      Nun saß Gribus in einem Sessel in Medikusius’ Wohnzimmer. Der Drachenjunge lag neben den warmen Kamin und aß eine Rübe, die ihn der Elf gegeben hatte. Der Elf selber brachte gerade Bergbier herein. Er stellte das Tablett mit den beiden Bechern auf einen Tisch ab und setzte sich dann in einen zweiten Sessel. Zögernd fing er an zu sprechen; „Ich weiß nicht so ganz, wo ich anfangen soll.“

      „Dann sagt doch erst mal, was für ein Wesen das ist“, schlug Gribus vor. „Okay. Wie du schon vielleicht erkennen konntest, ist es ein Drache, wenn auch ein außergewöhnlicher. Er gehört der ausgestorben geglaubten Art der Schwarzen Vegetarier an.“

      „Schwarze Vegetarier?“

      „Ja. Sie sind beziehungsweise waren die einzigen Drachen, die sich ausschließlich von pflanzlicher Nahrung ernährten. Sieh dir die Krallen an! Sie dienen nicht dazu, um Beute zu reißen, sondern um zum Beispiel Knollen auszugraben.“

      „Du hast Recht. Doch du sagtest, sie wären ausgestorben“, fragte Gribus nach. „Ja. Aber ich fange am besten von vorne an. Diese Drachen waren keine wildlebenden Tiere, sondern eine Züchtung der Elfen. Die Elfen wollten Wesen, die die Weisheit der Drachen hatten, aber auch friedlich und freundlich waren. Das hatten sie auch geschafft, zum Teil zumindest. Die Schwarzen Vegetarier wurden die besten Gefährten der Elfen. Sie waren Gelehrte, Mentoren, aber auch Kämpfer.“ Gribus fragte nochmal nach: „Du sagtest aber, sie wären friedlich gewesen.“

      „Das stimmt. Sie waren friedlich. Wenn man aber kämpfen musste, so taten sie es wie die Elfen. Auch wenn sie Pflanzenfresser waren, konnten sie sehr gefährlich werden. Ihr giftiger Atem, etwas, was sie von ihren Vorfahren, den Sumpfdrachen, geerbt hatten, ätzte ganze Armeen weg. Und mit ihren Geisteskräften konnten sie selbst die mächtigsten Magier besiegen.“

      „Geisteskräfte?“, fragte Gribus nach. Medikusius nickte: „Ja, sie besaßen die Fähigkeiten der Telepathie und der Telekinese.“

      „Wenn sie so mächtig waren, warum sind sie dann ausgestorben?“ Das Gesicht des Elfen bekam einen traurigen Ausdruck: „Es geschah während des Kontinentalkrieges. Im Kampf hatten die Schattenelfen den Schwarzen Vegetariern nichts entgegen zu setzen. Deshalb griffen sie zu einem heimtückischen Mittel: dem schwarzen Tod. Es war eine fürchterliche Krankheit. Die armen Drachen bekamen überall Beulen, die extrem empfindlich waren und schmerzten, wenn sie mit etwas in Berührung kamen.“ Gribus war entsetzt: „Schrecklich!“

      „Ja, das war es. Und selbst die Lichtmagier verzweifelten an dieser Krankheit.“ Nun schwiegen der Elf und der Zwerg.

      Gribus ergriff als Erster wieder das Wort: „Danke, dass du mir das erzählst hast. Eine Frage hätte ich jedoch: Was soll ich mit dem Drachen machen?“ Medikusius lächelte dankbar für den Themawechsel und antwortete mit einer Gegenfrage: „Hast du schon mit den Gedanken gespielt, ihn zu behalten?“ Gribus nickte: „Ja, ich mache mir jedoch Sorgen um das Geld für die Rüben. So ein Drache isst vermutlich eine ganze Menge.“ Medikusius beruhigte ihn: „Die Schwarzen Vegetarier sind genügsame Esser. Na, dann ist es ja geklärt. Heute ist es schon spät. Morgen aber komme ich zu euch und werde dir helfen, alles für den Drachen einzurichten.“