Mutterboden. Lotte Bromberg

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Название Mutterboden
Автор произведения Lotte Bromberg
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783945611081



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Wein?«

      Oskar winkte ab. »Hab noch keinen Feierabend. Focke hat uns eine russische Razzia eingebrockt. Lächerlich, irgendein Schmieröl wird es ihnen längst gesteckt haben. Keine Ahnung, wen er damit beeindrucken will.«

      »Die Medien?«

      »Das müßte dann ohne Bildchen sein. Sein Auge ist noch grün-violett. Kommt im Fernsehen nicht so gut.«

      »Also biste nur auf einen Sprung da?«

      »Du sollst noch mal an den Georgierfall ran. Guck nicht so kraus, kriegst nur die Rosine.« Oskar zwinkerte. »Wir haben ein Problem mit der rassigen Tochter. Sie springt uns ständig an, es ginge ihrem Vater schlecht, wir müßten ihn finden.« Oskar verdrehte die Augen.

      »Wart ihr denn schon bei dem Russen, dem Vater ihres Sohnes?«

      »Der ist ʼne ganz heiße Nummer in der Berliner Unterwelt. Hat eine riesige Akte bei uns, wir ackern uns gerade durch. Tanja und ich wollen gut vorbereitet zu ihm. Bei dem Schwiegersohn ist es nicht sicher, ob es Guram Geladse überhaupt noch geht. Glaube nicht, daß Jurij Iwanow Geduld für eine Geiselnahme hat.«

      »Dann ist Alikas Angst um ihren Vater berechtigt.«

      »Gut, daß Du so viel Verständnis für sie hast. Der Grund, warum ich hier auf Deiner Couch sitze, ist nämlich«, er senkte den Kopf und sah Jakob schräg von unten an, »sie will mit Dir reden. Nur mit Dir. Du würdest sie verstehen, Du hättest eine Verbindung zu ihr und deshalb würdest Du ihren Vater finden. Wie machst Du das, Alter?« Oskar schüttelte den Kopf. »Hast so gut wie nichts gesagt in ihrer georgischen Boulettenbude, saßt da wie ein Beutel Falschgeld. Als könntest Du es nicht erwarten, endlich wieder wegzukommen. Und was sagt die schöne Alika? Ihr habt eine Verbindung.«

      »Das müßt Ihr ohne mich machen.«

      »Wieso?«

      »Ich habe keine Zeit.«

      »Spinnst Du? Deine Kellerasseln können warten.«

      »Falsch. Meine drei Tage diese Woche sind um. Ich habe jetzt vier Tage frei. Und die nutze ich, um Hannas Mutter zu suchen.«

      »Das kann auch warten. Alika hat …«

      »Das wartet sicher nicht.«

      »Was soll das Alter? Dieser Fall ist Deine Chance aus dem Keller. Mach bloß keine Zicken.«

      Jakob stand auf, nahm die Gießkanne und goß seine Pflanzen. »Ich habe Hanna versprochen, ihre Mutter zu suchen. Das ist sehr wichtig für Hanna. Und Hanna ist wichtig für mich.«

      »Die ist seit über zwanzig Jahren futsch, da wird es auf einen Tag mehr nicht ankommen.«

      Jakob goß schweigend die Pflanzen. Oskar sah ihm dabei zu. »Was rennst Du so durch die Wohnung? Hast Du neuerdings ein Problem mit der Prostata?«

      »Die Blumen sind durstig.«

      Jakob holte frisches Wasser. Als er zurückkam, stand Oskar in der Tür. Er nahm ihm die Kanne ab und führte ihn zur Couch. »Was ist los?«

      Jakob sah aus dem Fenster.

      »Komm zurück, Geisterseher. Ich rede mit Dir.« Oskar tätschelte ihm den nackten Oberschenkel. »Sieh mich an, mein Freund.« Jakobs Kopf drehte sich in Zeitlupe. »So istʼs fein. Und jetzt erzählst Du direkt in Oskars Visage, wo das Problem ist.«

      »Ich will nicht und ich kann nicht.«

      »Du bist verknallt.« Oskar sprang auf. »Du bist in Alika verknallt. Ich fasse es nicht.« Oskar schlug mit der Faust an die Wand. Jakob zuckte zusammen. »Hast Du keine anderen Probleme?«

      Jakob schwieg.

      »Verdammte Scheiße.« Jetzt lief Oskar durch das Zimmer, immer von einer Bücherwand zur nächsten. »Nicht, daß es mich was angeht, aber war Hanna nicht eben noch die Liebe Deines Lebens?«

      »Das ist sie auch.«

      »Ach ja, aber dann hattest Du noch Spitzen frei für Alika? Kannst Du Deinen Königstiger nicht mal erziehen? Als sie in Amerika war, hätte ich das ja noch verstanden, aber jetzt?« Er warf sich in den Sessel, die Fäuste lagen geballt auf den Armlehnen. »Wenn man nicht immer auf Dich aufpaßt, rennst Du wirklich direkt in die Scheiße.«

      »Und was schlägst Du vor, soll ich anders machen?«

      »Das fragst Du mich? Keine Hanna, einen Königstiger mit Arthrose und vergucke ich mich in die schöne Alika? Nee.«

      »Du stehst auf Blondinen.«

      »Jetzt bring mich nicht raus. Ich will sauer sein.«

      Jakob verließ das Zimmer und kam angezogen zurück. Ein tiefrotes Wildseidenhemd über einer Jeans, die gerade eng genug war, um seine langen, wohlgeformten Beine anzudeuten. Das dunkle Haar fiel chaotisch um seinen Schädel.

      »Mannomann, wie Du aussiehst.« Oskar schüttelte den Kopf.

      Jakob stand vor ihm. »Ich kann nicht an dem Fall mitarbeiten.

      Ich darf sie nicht wiedersehen.«

      »Da gibt es nur ein kleines Problem. Wir haben das Leben von Alikas Vater durchleuchtet, so weit es öffentlich ist. Er ist eine Friedenstaube, die am großen Rad dreht. Politik, Mafia, Russen, alles da. Lauter Diplomaten und unberührbare Kriminelle. Der ist ʼne richtig große Nummer. Und ihn hat der Erdboden verschluckt. Er ist einfach verpufft. Um weiterzukommen, brauchen wir mehr Informationen von Alika. Und sie will Dich, sonst niemanden.«

      Jakob schwieg.

      »Sie will, daß Du in ihr Atelier kommst. Eigentlich ist sie nämlich Malerin, wußtest Du das? Die Bilder im Restaurant sind von ihr.«

      »Diese riesigen, sinnlichen, erotischen Bilder sind von ihr?«

      »Exakt.«

      Jakob stöhnte.

      »Und dieser Fall wird Dich zurück an meine Seite bringen. Nie wieder Kellerloch. Und Du wirst da hingehen und die Finger von Alika lassen, so wahr ich Oskar Blum heiße. Sie hat eine Narbe auf der Stirn, die ihr Gesicht teilt. Sie ist überhaupt nicht so schön, wie alle sagen. Eigentlich sieht sie aus wie der Glöckner von Notre Dame.«

      Jakob stöhnte wieder.

      »Meinetwegen nimm vorher eine Baldrian oder zieh einen Schlüpper von Hanna an, mit Vorhängeschloß, aber Du gehst hin in das Atelier vom Glöckner.«

      »Verlang das nicht von mir.«

      »Du kannst gar nicht ausweichen, das weißt Du. Ich kann ausweichen, vor bösen Geistern, Tretminen, notfalls mein ganzes Leben. Aber Hagedorn, mein Jakob, die Geisterlatte, der Frauenversteher, nee, Du faßt in den Honigtopf, mit beiden Armen, bis an den Grund. Und wenn Du dann festklebst, bist Du in Deinem Element.«

      Im Stationsflur versuchte seit drei Tagen eine Neonröhre flackernd zu sterben. Unter ihr saß ein magerer alter Mann in grauen Pantoffeln. Er trug einen Frotteebademantel, die nackten Beine steckten in Wollstrümpfen. In der Rechten hielt er einen Laufzettel, den ihm eine Schwester vor zwei Stunden auf seiner Station gegeben hatte. Er hatte den Fahrstuhl gefunden, nach einigen Umwegen auch die richtige Station. Ihre Zahl stand über der Tür, die zusätzlich im gleichen Blau gestrichen war wie sein Laufzettel. Das fand er hilfreich für einen so alten wie klapprigen Mann, auch wenn für seinen Grauen Star das Blau und das Grün ununterscheidbar waren.

      Mit der Linken umklammerte er seinen Galgen, den er, wenn wieder ein Mensch im weißen Kittel an ihm vorbeihastete, an sich zog. Hin und wieder kratzte er vorsichtig an der Schmetterlingskanüle auf seinem Handrücken, der gerötet und etwas geschwollen war, und sah hoch zu der Nährlösung, die weit über seinem dünnen Haar baumelte.

      Eine Tür schräg gegenüber wurde vom Hinterteil einer Putzfrau aufgeschoben. Rückwärts ging sie durch die Tür, zog ihren Wischeimer hinterher und drückte den Feudel im Wischwasser aus. Unendlich langsam wischte sie den Gang. Aber sie war gründlich, den Ecken widmete sie sich mit besonderer Hingabe. Der