Название | Explorer ENTHYMESIS |
---|---|
Автор произведения | Matthias Falke |
Жанр | Научная фантастика |
Серия | |
Издательство | Научная фантастика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943795325 |
»Leitungsaufbau auf 98,4«, befahl ich, »online gehen!«
Nach quälenden Augenblicken des Wartens, in denen die Anzeige trillerte und bebte und ich zum erstenmal seit der Piloten-Prüfung vor 74 Jahren meinen eigenen Pulsschlag hören konnte, sprang es vor mir auf grün um.
»Lokale Verbindung online. Schwaches Signal auf 98,4 Mhz. Position 352°. Richtstrahl aus einem Kilometer voraus und drei Meter Tiefe ...«
»Jennifer!«, brüllte ich und hörte das Summen, mit dem die Übersteuerung heruntergeregelt wurde. »Wo bist du?«
»Ich bin okay«, sang es aus meinem Helm, und mir taten die Backen weh, so sehr verzog sich mein Gesicht zu einer unwillkürlich grinsenden Grimasse.
»Bin bloß eingebrochen. Mach langsam und dreh deine Dämpfer hoch. Wir sind zu schwer. Der Untergrund ist porös und stellenweise hohl. So ‘ne Art Karst-Landschaft. Seismisch extrem instabil, wenn ich auch noch keine genauen Werte hab. Ich hab versucht, mich rauszukatapultieren, und bin beim Abstoßen nochmal ein Stockwerk runtergerasselt.«
Aber da war ich schon nahe genug heran, um es selbst zu sehen. Das Gelände fiel leicht ab und bildete eine Mulde von einigen Kilometern Durchmesser, die selbst wieder von Trichtern und schwarzschattigen Dolinen genarbt war. Aus einem solchen Einsturzkrater, einige hundert Schritt vor mir, kam eben eine silbergraue menschliche Gestalt herausgekrochen, die mir matt zuwinkte.
»Bleib, wo du bist«, hörte ich sie. »Es ist besser, glaube ich, wenn wir das umgehen. Hat die Konsistenz eines trockenen Schwammes. Auf einen Kubikmeter Fels kommen drei aus dunkelblauer Luft. Außerdem habe ich seismische Irregulari ...«
Plötzlich rannte sie, schlug einen Haken um einen lichtlosen Trichter, der an einen vulkanischen Nebenschlot erinnerte, und kam dann in gestrecktem Lauf auf mich zu. Staub stieg um sie auf. Mehrfach brach sie bis zu den Knien ein. Ich konnte über die Kopfhörer verfolgen, wie sie die Dämpfung regulierte und mit ihrer Automatik kämpfte, um sich gleichzeitig so leicht und so schnell wie möglich zu machen. Sie hatte ihr Gewicht fast ganz heruntergefahren und wollte sich eben abstoßen, um sich zu mir an den Rand der Kaldera – um etwas derartiges musste es sich handeln – heraufzukatapultieren. Aber der sandige Untergrund bot keinen Widerstand, sondern sackte unter ihren Füßen weg. Mineralische Fontänen stiegen auf, auch aus den Nachbarkratern erhoben sich Säulen von glitzerndem Staub. Dampf schien aufzuzischen. War es ein Geyser-Feld?
Jetzt schrie sie meinen Namen. Sie war bis zur Hüfte in einer Art Treibsand eingesunken, aus dem sie sich schwerfällig herauswühlte, aber da war ich schon unterwegs. Ich hatte mich flach abgestoßen und die Dämpfer auf volle Leistung gestellt, so dass ich schwerelos auf sie zuschwebte. Nur über die Trägheitssteuerung ließ ich mich ausgestreckt neben ihr nieder. Salven von feinkörnigem Gestein prasselten auf uns herunter, und ich konnte jetzt auch spüren, wie die Erde leise vibrierte. Ich erreichte ihren linken Arm, und indem ich ihre Automatik an meine ankoppelte und ihre Stabilisatoren ausschaltete, riss ich sie heraus und schleuderte sie über mich hinweg. Dann rappelte ich mich hoch und grätschte auf allen vieren zum festen Grund zurück. In diesem Augenblick geschah es.
»Unbekannte Aktivität«, hupte es in meinem Helm. »Achtung. unbekannte Aktivität! Phänomen unbekannt, Herkunft unbekannt.«
Wir lagen halb übereinander – ihr lang ausgestrecktes rechtes Bein ging über meine Brust hinweg. ohne die dämlichen Anzüge wäre es ganz appetitlich gewesen – am Rande des Kraters und robbten rückwärts auf dem Hosenboden davon, klammheimlich, schien es.
»Oh Mann!«, sagte sie. »Was ist das?!«
Eine der Dolinen, unweit der Stelle, an der sie zuerst eingebrochen war, fing an zu zittern. Risse zogen sich durch das Geröll und strahlten in die Umgebung ab. Der ganze Untergrund verwandelte sich in kochenden, bebenden Staub. Man wartete darauf, dass Chladny’sche Figuren entstanden. Irgendetwas rumorte unter der Oberfläche. Dann wölbte sich der Kies auf. Anstelle des Trichters bildete sich ein rasch wachsender Hügel aus tanzenden Fels-Splittern, der sich immer höher auftürmte, und auch in anderen Kratern vollzog sich, mit geringer zeitlicher Verzögerung, als schließe man sich allmählich dem Beispiel jenes ersten an, das gleiche Schauspiel. Der ganze Grund der Caldera brodelte.
»Seismische Aktivität. Richterskala SECHS. Herkunft unbekannt!«
Plötzlich zerbarst die Kuppe des ersten Gesteinshügels, der längst weit über unser Niveau hinausragte, und ein blauweißes, wurmförmiges, engerlinhaftes Wesen schob sich aus dem Kragen von Schutt und Geröll und reckte seinen stumpfen, an eine Blindschleiche erinnernden Schädel senkrecht in den staunenden Himmel.
»Unbekanntes Objekt!«, schrillte es wieder. »Konsistenz unbekannt!«
Auch aus den anderen Löchern, die mich plötzlich fatal an Schlangenlöcher erinnerten, kamen gleichgeartete, im fahlen Rosablau von Nabelschnüren glänzende Wülste heraus, die ebenfalls gerade nach oben stiegen, während Staub und Schotter von den glatten Flanken rieselten. Ja, ihre Leiber waren glatt, sie schienen feucht zu sein, fast schleimig. Nicht von Wasser versteht sich, das wäre längst gefroren, eher von ... ?
»Ich hab Angst«, kratzte es an meinem Ohr. »Was ist das?«
Doch als ich nach ihrem Arm fassen wollte, griff ich ins Leere. Ohne die Dinger da vor mir – das größte, das zweihundert Schritt vor uns »ausschlüpfte«, hatte inzwischen eine Höhe von gut fünfzig Schritt erreicht, und ein Ende schien nicht abzusehen – ohne das also länger als unbedingt nötig aus den Augen zu lassen, sah ich mich nach ihr um. Sie war weit hinter mir und ging langsam rückwärts. In ihrem Visier spiegelte sich ein weißliches Wesen, das jeden Dinosaurier an Größe übertraf und das seine Front ganz langsam herunter neigte, sich wie neugierig nach vorne beugte. Davor stand ein kleiner glitzernder Astronaut. Das war ich!
»Lauf!«, kreischte es an meinem Ohr. »Es kommt auf uns zu!«
In diesem Augenblick geriet ich in Panik. Kalter Schweiß brach mir aus, und vor meinen Augen rauschte das Blut.
»Weg! Weg! Weg!«, schrie jemand.
»Achtung Stress-Situation«, monierte die Automatik. »Adrenalin-Werte kritisch.«
»Sag mir lieber, wie’s da hinten aussieht. und was das ist!«, heulte ich ins Mikro und strampelte wie besessen. Denn ich war noch schwerelos und hatte mich unwillkürlich mehrere Meter hoch in die Luft gestoßen, wo ich jetzt zappelnd herumruderte.
»Stabilisieren! Dämpfung weg! Jennifer, was macht es jetzt?«
Ich krachte mit meinem ganzen Gewicht auf den Boden, von der eigenen Schwere gefesselt. Diese Computer sind doch zu dämlich.
»Es kriecht jetzt flach und kommt direkt auf dich zu!«
Das war Jennifer, aber warum klang sie so dünn? Hatte meine Automatik einen Knacks gekriegt? Ich versuchte aufzustehen, aber bei über drei Zentnern Masse und 1,6g war es praktisch ausgeschlossen, mich zu bewegen.
»Halloo!«, brüllte ich in meine Automatik. »Dämpfung – und Lagebericht! Sofort!«
Ich wälzte mich mühselig herum und sah nach hinten. In diesem Augenblick schob es seine »Schnauze« – von der anderthalbfachen Größe der ENTHYMESIS – träge über den Kraterrand und kroch glitschig und langsam auf mich zu. Man konnte nichts Genaueres erkennen, weder Augen oder Nüstern, noch sonst irgendwelche äußeren Konturen.
»Schockbedingter Ausfall im primären System«, meldete sich meine Elektronik. »Sekundärer Boot und Total-Check. Abgeschlossen in – sechzehn Sekunden, fünfzehn ...«
»Steh auf«, schrie jemand. Dann krachte es wieder, und die Dioden flackerten.
Plötzlich war ich ganz ruhig. Ich konnte definitiv nichts machen. Ich lag da, halb auf die Seite gestützt. Der Tornister lag bleiern unter mir, als wäre er am Boden festgenietet. Und so sah ich das seltsame Wesen an, das da gleichmäßig und gesichtslos heranglitt.