Название | Glauben - Wie geht das? |
---|---|
Автор произведения | Matthias Beck |
Жанр | Религия: прочее |
Серия | |
Издательство | Религия: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990401989 |
Die Schriften des Alten Testamentes entstanden über viele Jahrhunderte. Es sind Erfahrungen von Menschen mit einer anderen Dimension des Seins, mit Erfahrungen, die sie rein innerweltlich nicht erklären können und die sie ihrem Gott zuschreiben. Das Aufgeschriebene ist nicht mehr nur Wort des Menschen, sondern ein von der Erfahrung göttlichen Handelns inspiriertes Menschenwort. So stammen die Antworten auf die Fragen des Menschen nicht mehr nur aus seinen eigenen Überlegungen, sondern vom Schöpfergott selbst. Die unglaubliche Größe und unfassbare Dimension der Schöpfung20 und des Schöpfergottes kommen auf den Menschen zu. Es mussten womöglich erst einige Milliarden Jahre vergehen, bis der Mensch das aushalten konnte. Er selbst, der Mensch, kam vor ca. zweihunderttausend Jahren auf diese Welt. Erst vor 3500 Jahren war er so weit evolutiv herangereift, dass er dieses Sprechen und die beginnende Nähe Gottes aushalten konnte.
Noch im Alten Testament heißt es: „Wer Gott sieht, stirbt.“21 Moses (1250 v. Chr.) hat Gott nur schemenhaft gesehen. Er fragt Gott nach seinem Namen, und es wird ihm gesagt, er solle dem Volk sagen, dass der Name des unbekannten Absoluten ist: „Ich-bin-da.“ (Ex 3, 13–20) Dies ist eigentlich eine philosophische Antwort. „Ich-bin-da“ heißt einfach ausgedrückt: Es gibt mich. Ihr Menschen habt so lange nach mir gesucht, und nun zeige ich mich und offenbare der Welt, dass es mich gibt. Mit dieser Selbstoffenbarung tritt Gott erstmals in der Geschichte an die Öffentlichkeit und offenbart sich selbst als Da-sein.
Der Mensch beginnt seinerseits langsam, sich auf diesen personalen Gott einzulassen. Erst jetzt kann der Mensch offenbar diese „Direktheit“ Gottes ertragen. Der Mensch hat Gott gesucht, und Gott lässt sich finden, indem er seinen Namen preisgibt. Es findet ein dialogisches Geschehen statt: Der Mensch sucht und findet Gott, Gott gibt sich zu erkennen und der Mensch beginnt, sich auf diesen personalen Gott einzulassen. Der Gott führt sein Volk durch die Wüste in die Freiheit, aber das Volk versteht nicht genau, was Gott von ihm will, es murrt. Da entschließt sich Gott – wenn man das so menschlich sagen darf –, sich noch genauer der Welt zu zeigen: Er wird Mensch. Man kann es auch philosophischer ausdrücken: Das Göttliche verdichtet sich in dieser Welt und zeigt, was es ist: menschlich. Das Dasein wird zum So-sein. Und das heißt im Umkehrschluss: Das Menschliche muss vergöttlicht werden, damit es wirklich menschlich wird. Das allein Menschliche steht in der Gefahr, hinter dem Menschlichen zurückzubleiben.
Teil B
~
Das Christentum
1. Das Neue Testament, ein erster Zugang
Im Christentum bekommt der absolute Gott eine konkretere menschliche Dimension. Der ferne Gott Jahwe, dessen Namen man nicht aussprechen und von dem man sich kein Bild machen darf, kommt nach christlicher Auffassung dem Menschen noch mehr entgegen: Sein wirkendes Wort wird Mensch. Diese Weise des Da-seins Gottes konkretisiert sich nun in der Weltgeschichte in seinem So-sein. In kleinen Schritten zeigt Gott immer mehr, wer er ist und wie er ist. Der Mensch gewordene Gott ist das Bild Gottes in dieser Welt. Der Christ darf sich jetzt ein Bild von Gott machen, Jesus Christus ist die Ikone Gottes.
So offenbart sich Gott in der Geschichte schrittweise und in kleinen Dosen. Die Wahrheit kommt prozesshaft ans Licht. Der Mensch kann sie offenbar nur in dieser Dosierung ertragen, sonst würde er von ihrer geballten Kraft erschlagen. Der Mensch kann die ganze Wucht Gottes nicht aushalten, sonst würde er auf der Stelle sterben. Der langsamen und schrittweisen Offenbarung Gottes entspricht das langsame Heranreifen des Menschen, der Gott entgegenreift. Das scheint in der Weltgeschichte so zu sein und auch in jeder einzelnen Biografie. Damit entstehen viele Fragen, die schrittweise beantwortet werden sollen.
Es ist, wie zwischen zwei Menschen, die sich kennenlernen. Mit jeder Begegnung lernt man einander besser kennen und verstehen. Es ist ein gegenseitiges Sich-Öffnen. So ist es auch in der Beziehung des Menschen zu Gott. In dem Maße sich der Mensch für Gott öffnet, kann sich auch Gott dem Menschen öffnen. Nach dem Satz von Augustinus: Die Wahrheit bricht sich Bahn. Dem, der sich ihr öffnet, eröffnet sie sich, dem, der sich ihr verschließt, verschließt sie sich. Dieses dialogische Geschehen scheint sich auch in der Geschichte ereignet zu haben: Der Mensch wird reif für die Öffnung auf die Nähe Gottes hin, und Gott entspricht dieser Öffnung durch seine Menschwerdung. So kommt er dem Menschen näher.
Gott zeigt also in der Geschichte nicht nur, dass es ihn gibt, sondern auch, wie es ihn gibt und was für Wesenszüge er hat. Das Dasein Gottes konkretisiert sich in dem So-sein des Mensch gewordenen Sohnes durch die Menschwerdung des göttlichen Wortes. Der Logos Gottes wird Mensch. Die Urlogik Gottes, der Logos Gottes lebt das Leben eines Menschen. Das ist die Auffassung des Christentums. Bisher war das Da-sein Gottes bekannt, aber doch eher aus der Ferne, distanziert, schemenhaft. Niemand kann Gott sehen und am Leben bleiben. „Du kannst mein Angesicht nicht sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben.“ (Ex 33, 20) Jetzt wird das Wort Gottes sichtbar in der Person Jesus Christi. Er wird der Sohn genannt und nennt seinerseits Jahwe seinen Vater. Durch diese Menschwerdung zeigt Gott sein Gesicht und Antlitz. Das So-sein Gottes zeigt sich als Liebe und Barmherzigkeit. Gott ist menschlich, Gott ist gut, er ist kein strafender Gott.
Dieses Geschehen kann man interpretieren als eine Verdichtung und Konkretisierung des göttlichen Geistes in das Wort und des göttlichen Wortes in menschlicher Gestalt. Gott lässt sich als Mensch auf die Bedingungen von Raum und Zeit ein. Der göttliche Geist verdichtet sich nicht nur im Wort, das Mensch wird, sondern in anderer Weise auch in jedem Menschen und in wieder anderer in jedem Begriff. Jeder Begriff in den vielen Sprachen der Welt enthält den göttlichen Geist.22 Und dieser göttliche Geist wohnt auch in jedem einzelnen Menschen, man nennt ihn den göttlichen Geist, den Heiligen Geist (später mehr dazu). Dieser ist dem Menschen innerlicher als er sich selbst sein kann (Augustinus), also nahezu noch näher im Menschen als der göttliche Geist im Sohn als Gegenüber.
Bevor dieses Zueinander von Vater, Sohn und Heiligem Geist genauer betrachtet wird, kann man noch einmal einen Schritt zurücktreten und die Menschwerdung des göttlichen Wortes anders betrachten: Gott offenbart sich dem Volk Israel, aber das Volk Israel versteht nicht genau, was Jahwe von ihm will und widersetzt sich seinen „Anordnungen“. Seine Regeln sind zu schwer einzuhalten. Lieber fällt es wieder in seine alten Abhängigkeiten im Haus Ägypten zurück, als den Weg in die Freiheit weiterzugehen. Denn diese Freiheit muss immer wieder mühsam erkämpft werden, sie führt auch durch die Wüste.
Die Mühsal des Weitergehens in die Freiheit führt immer wieder in die Versuchung, umzukehren und zu den Fleischtöpfen Ägyptens zurückzukehren. Da war zwar Knechtschaft und Gefangenschaft, aber es war bequemer. Freiheit und Eigenverantwortung erfordern tägliche Arbeit, gehen durch Einsamkeit und Wüste hindurch und machen auch Angst. Der Weg in die Freiheit ist beschwerlich. Aber er geht unaufhaltsam weiter und ist nahezu unumkehrbar.23 So wie ein Kind, das gezeugt wurde, geboren werden muss, da es sonst, wenn es im Geburtskanal stecken bleibt, stirbt und den Organismus der Mutter vergiftet, so muss sich auch Freiheit immer weiter nach vorne entwickeln auf mehr Freiheit hin.
Bevor genauer bestimmt wird, was diese Freiheit ist, soll noch einmal festgehalten werden, dass der Mensch auch in der Geschichte erst langsam zu dieser Freiheit heranreift. Er wird erst langsam durch seine eigene Entwicklung hindurch freiheitsfähig. Wie in der Kindheitsentwicklung ein Werdeprozess stattfindet vom Gehorsam des Kindes seinen Eltern und anderen Über-Ich-Strukturen gegenüber hin zum Freiwerden des jungen Menschen zur Selbstbestimmung (was dann auch mehr Verantwortung bedeutet), so gibt es auch einen Reifungs- und Befreiungsprozess des Menschen in der Weltgeschichte hin zum Mündigwerden des Einzelnen und zu seiner Autonomie.