Jesus findet Muslime. Christiane Ratz

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Название Jesus findet Muslime
Автор произведения Christiane Ratz
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783961400102



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Blumen. Sue war auf Hochzeits-Make-ups spezialisiert und gab sich nicht mit weniger zufrieden, als dass Braut und Brautmutter sich am Hochzeitstag als die schönsten Frauen der Welt fühlten. Von Schönheit konnte Sue einfach nicht genug kriegen. Sie war regelrecht süchtig danach. Doch das gestand sie sich kaum selbst ein.

      Nun musste noch das Wachsbad für die Hände eingesteckt werden, damit es genau die richtige Temperatur bekam, und eine neue Packung Einwegwaschlappen bereitgelegt werden.

      Zufrieden blickte sich Sue in ihrem apricotfarbenen Zimmer um, dem „Himmelreich für Bräute“, wie sie es beinahe zärtlich nannte. Sie würde den Damen einen Kaffee servieren, dann würde alles perfekt sein.

      Jetzt ließ Sue sich erst mal auf dem Friseurstuhl nieder. Ihre Augen blieben an ihrem Lieblingsbild hängen, das sie gut sichtbar aufgehängt hatte: Marijam mit dem Jesus-Baby auf dem Arm.

      Immer, wenn sie es ansah, regte sich eine Sehnsucht in ihr, genauso schön und rein zu sein wie Marijam. Kritisch betrachtete sie jetzt ihr Spiegelbild und schob eine Locke hinter ihr Ohr.

      Ihre Gedanken gingen zurück zu ihrer eigenen Hochzeit.

      Sie war zu jung gewesen. Hatte nichts über sich selbst, die Liebe oder gar Männer gewusst. Kein Wunder, dass es nicht funktioniert hatte. Trotzdem war es traurig. Ob es anders gekommen wäre, wenn sie noch zwei, drei Jahre gewartet hätte? Sicher! Jetzt hörte sie, wie ihre Kundinnen das Vorzimmer betraten. Noch schnell romantische Musik einschalten, und dann konnte es losgehen.

      Das Braut-Mädchen erinnerte sie stark an sich selbst. Vor einigen Tagen, beim Beratungsgespräch, hatte sie ihr die Augenbrauen tätowiert, bevor sie gemeinsam die Frisur ausprobiert und die passenden Farben für das Make-up zusammengestellt hatten. Dabei hatte sie viel über das Mädchen erfahren, das, wie so viele, ihren Mann kaum kannte. Sue wünschte der knapp 16-jährigen Braut, dass sie bei ihrer Hochzeit noch einmal ihre Schönheit feiern könnte, denn in Zukunft würde sie diese meist verstecken müssen.

      Die nächsten vier Stunden arbeitete Sue konzentriert. Sie wollte ihrerseits alles tun, dass das Mädchen einen wunderbaren Tag hatte.

      Nachdem Brautmutter und Tochter gegen Mittag von einer Luxuslimousine abgeholt worden waren, schminkte Sue sich selbst sorgfältig. Dann hüllte sie sich in ihren Hijab und eilte zum Gebet in die Moschee. Das war ihr wichtig. Anschließend würde sie ihr „Himmelreich“ wieder salonfähig machen, und dann könnte sie endlich nach Hause gehen.

      Diesen Monat arbeitete sie nur halbtags, denn sie fastete. Gott zu suchen war ihr wichtig, und dies war der einzige Weg, den Sue kannte.

       Sue hat entsetzlichen Durst. Doch weit und breit gibt es hier kein Wasser. Trocken klebt ihr die Zunge am Gaumen. Unaufhörlich rinnt ihr der Schweiß die Stirn und den Rücken hinab. Ihre Füße finden im Sand keinen Halt, mühsam kämpft sie sich vorwärts durch die Einöde. Die Sonne steht senkrecht, nirgends ist eine Wolke zu sehen, und weit und breit gibt es keinen Schattenplatz. Die hoch aufragenden Felswände, an denen ihr Weg nun vorbeiführt, strahlen zusätzlich Hitze ab. Wenn sie nicht bald Wasser findet, wird sie hier draußen elend sterben.

      Ihr Blick tastet verzweifelt suchend die zerklüftete Wand ab und bleibt an einem Vorsprung hängen. Vielleicht kann sie sich dort etwas ausruhen? Sie muss es versuchen. Als sie näherkommt, entdeckt sie tatsächlich eine unterirdische Höhle. Die Hände ausgestreckt tastet sie sich hinein. Ob es hier Wasser gibt? Langsam gelingt es ihr, im Dunkeln etwas zu erkennen. Befindet sie sich etwa im Grab von Marijam? Ihr Bild hängt groß gegenüber des Höhleneingangs. Marijam ist darauf von überwältigender Schönheit.

       Sue geht näher, solch ein Bild hat sie noch nie von ihr gesehen. Plötzlich beginnt ein Licht zu strahlen und den Höhlenraum zu erhellen. Die Gestalt eines Mannes löst sich aus dem Bild. Er ist nicht wie ein Araber, sondern wie ein Römer gekleidet. Er kommt auf Sue zu und bietet ihr ein halb volles Glas Wasser an. Ohne lange zu überlegen, streckt sie durstig die Hände danach aus. Endlich!

       Plötzlich weiß sie, es ist Jesus, der ihr das Wasser reicht.

       Sie fragt ihn: „Warum ist das Glas halb leer?“

       „Wenn du es austrinkst, wirst du nie mehr Durst haben.“

       Nie wieder Durst haben …?

       Ihr Blick wandert von Jesus zu dem Bild seiner Mutter hin. Warum hält sie denn kein Kind auf ihren Armen? Als hätte sie laut gefragt, antwortet Jesus ihr: „Marijam ist tot. Aber ich bin lebendig.“

      Die Sonnenstrahlen fielen schon weit in ihr Zimmer und tauchten es in ein lichtes Gelb, als Sue aufwachte. Verwirrt schaute sie sich um. Sie war zu Hause und nicht mehr in der Wüste. Nie wieder Durst haben!? Das nächtliche Erlebnis hielt sie noch umfangen.

      Unbewusst fuhr sie sich mit der Zunge über ihre Lippen. Jetzt eine Tasse Kaffee. Sorgfältig kleidete sie sich an und schminkte sich. Dabei dachte sie über den eigenartigen Traum nach. Sie war in der Wüste Sahara gewesen, und Jesus, nicht ihre geliebte Marijam, hatte zu ihr gesprochen. „Wie komme ich denn auf solche Ideen, ich war doch noch nie in der Sahara. Und Jesus … warum hat er gesagt, er lebe?“

      Wochenlang ging ihr dieses nächtliche Erlebnis nicht mehr aus dem Sinn. Sicher hatte es nichts zu bedeuten, oder doch?

       Wenn ich eine Bibel hätte, könnte ich vielleicht herausfinden, was der Traum meinte.

      Wochen später hielt Sue endlich das verbotene Buch in ihren Händen. Ihre Tochter hatte es ihr während eines USA-Aufenthalts besorgt. Stundenlang blätterte sie darin, las mal hier, mal dort. Es verwirrte sie, und irgendwann legte sie es enttäuscht zur Seite. Die Sprache war recht altertümlich, die Geschichten aus einer ihr fremden Kultur. Sie konnte nichts damit anfangen. Außerdem war es viel zu dick. Resigniert legte sie das Buch in das unterste Fach ihrer Kommode und verschloss es fest. Ihre Fragen über Jesus ließen sich jedoch nicht einfach so wegsperren.

      Immer wieder passierte es, wenn sie abends auf ihrer Couch saß, müde von der Arbeit im Beauty-Salon, dass sie beim Zappen auf christliche Fernsehsender stieß. Hier erfuhr sie mehr über Jesus. Dass er kranke Menschen geheilt hatte. Und mit ein paar wenigen Broten hatte er Tausende satt gemacht. Er war sogar mit Frauen befreundet gewesen und hatte mit Außenseitern gesprochen. Jesus hatte sich anscheinend um Leute gekümmert, mit denen sich sonst niemand abgab. Er musste schon ein verrückter Typ gewesen sein.

      Heute war sie selbst die Braut, die sich vor dem Spiegel drehte. Sue hatte ihre Lieblingsmusik aufgelegt, aufgeregt tanzte sie durch ihr apricotfarbenes Reich. Im Schein der Kerzen frisierte sie ihr Haar und zog einen exakten Lidstrich. Für ihre vollen Lippen wählte sie ein dunkles Orange-Pink.

      In ihrem Alter hatte sie nicht mehr damit gerechnet. Sie hatte sich in Mohammed verliebt. Er war unmerklich ihr Freund geworden, obwohl sie das nicht gesucht hatte und er mehr als zehn Jahre jünger war als sie. Ihre Liebe zueinander war langsam und stetig gewachsen. Wie die Blumen im Frühling hatte sie sich unaufhaltsam ihren Weg an die Oberfläche gebahnt. Zuerst hatte es keiner von ihnen bemerkt, und dann war sie plötzlich da gewesen, leuchtend, stark und schön. Tiefes Vertrauen prägte ihre Freundschaft. Sie konnten über alles miteinander reden und auch gemeinsam schweigen. Mohammed versuchte nicht, sie zu bevormunden, sondern besprach alles mit Sue. Das mochte sie. Sie erzählte ihm auch von ihrem Traum, und sie redeten stundenlang über Jesus. Er tat es nicht als Hirngespinst ab.

      Auch nach der Hochzeit beschäftigte sie sich weiter mit dem Koran und anderen Schriften, in denen Jesus erwähnt wurde. Sie las alles, was sie über Jesus fand. Er übte eine nahezu magische Anziehungskraft auf sie aus.

      „Mohammed, heute Nacht hat Jesus wieder zu mir gesprochen!“

      Sue saß aufrecht in ihrem Bett und hatte ihren Mann aufgeweckt. „Sue, hat er etwas gesagt?“

      Er versuchte seine Frau zu beruhigen.

      „Er hat ganz klar und deutlich zu mir gesprochen: Suche mich im Licht und nicht in der Dunkelheit. Mohammed, ich möchte mit Jesus leben. Hast du ein Problem damit?“