Название | Bonzentochter |
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Автор произведения | Michaela Martin |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944224121 |
Ich dagegen werde bei Lebensmitteleinkäufen von der reinen Vernunft geleitet. Zielstrebig gehe ich von Regal zu Regal und kaufe die Sachen, die mir aufgetragen wurden oder von denen ich weiß, dass sie aufgefüllt werden müssen, weil es unter der Würde meiner Mitbewohner ist, an so profane Dinge wie Klopapier, Wasch- und Putzmittel oder die immer wieder gerne vergessene Zahnpasta zu denken. Ich bin der Gegenbeweis für die Regel, dass jeder, der gerne isst, auch gerne kocht. Tatsache ist, dass meine fehlende Begeisterung für zeitintensive Besuche in den Lebensmittelabteilungen der Münchner Kaufhäuser oder auch Tante-Emma-Läden eher daher rührt, dass ich keine Ahnung vom Kochen habe. Dank der Kochbegeisterung meiner Mitbewohner kann ich mich bisher auch immer erfolgreich ums Kochen drücken, obwohl ich leidenschaftlich gerne esse.
Meine Eltern kochen sehr gut, besonders mein Vater kocht hervorragend und auch sehr gerne. Bei meiner Mutter hält sich die Begeisterung fürs Kochen wie bei mir in Grenzen. Wer sieben Tage in der Woche für fünf Leute kochen muss und für seine Arbeit nur selten Komplimente erhält, der verliert schon einmal die Lust am Kochen. Mein Vater bereitet immer noch mit Begeisterung das Essen zu, bevorzugt natürlich an den Wochenenden. Eigentlich gilt im Hause der Familie Schneider die klassische Rollenverteilung der Nachkriegsjahre. Mit Ausnahme der Essenszubereitung. Beim Kochen übernahm Vater sehr schnell die Vorherrschaft in der Küche. Der Grund dafür lag in einem kleinen Missgeschick unserer Mutter gleich zu Beginn der Ehe: Vater liebte Kalbsleber mit Zwiebeln und Kartoffelpüree. Mutters Versuch, ihrem frisch angetrauten Ehemann das Lieblingsgericht zu bereiten, ging gründlich schief. Die Leber war schwarz wie die Nacht und schmeckte nach Schuhsohlen. Behauptet jedenfalls Vater, Mutter verweist auf den Hang zu Übertreibungen ihres Mannes, wenn diese Geschichte zum wiederholten Male die Runde macht.
Fakt ist, seitdem ich denken kann, ist Vater für alle Fleisch- und Fischgerichte zuständig. Mutter für den Rest, inklusive der Beseitigung aller Schmutzspuren, die ihr Ehemann bei der Zubereitung seiner Gerichte hinterlässt. Vaters üppiger Gebrauch von unzähligen Töpfen, Schüsseln und sonstigen Küchenutensilien führt bei unseren Eltern regelmäßig zu Streit. Selbst seitdem die Spülmaschine in den Haushalt meiner Eltern eingezogen ist, kommt es zu hitzigen Wortgefechten über die Frage der Notwendigkeit, bei der Zubereitung eines einzigen Fleischgerichtes alle Pfannen und Töpfe nutzen zu müssen, die der Haushalt bereit hält. Die Kapazitäten der Spülmaschine reichen nie aus, wenn Vater für seinen Fünfpersonenhaushalt aufkocht. Es bleiben immer Töpfe, Pfannen und viel Geschirr übrig, die Mutter nach den Mahlzeiten mit der Hand abwaschen muss. Leider bleiben auch wir Kinder von der lästigen Reinigungsarbeit nicht verschont. Nach dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ verdonnert uns Mutter regelmäßig zu Aufräumarbeiten in der Küche.
Vaters Leidenschaft für das Kochen hat sich inzwischen bei allen Verwandten und Freunden der Familie herumgesprochen. Jeder, der in den Genuss seiner Kochkünste kommt, lobt ihn überschwänglich. Völlig zu Recht, wie ich meine. Egal, ob vom Rind oder Schwein, seine Fleischgerichte sind zart und rosa, au Point, wie der Meister zu sagen pflegt. Bei seinen Geflügelgerichten ist die Haut kross und das Fleisch saftig und die Krönung von allem sind seine Wildgerichte, die er an besonderen Feiertagen serviert. Die Beilagen unserer Mutter krönen jeden Gang. Beide zusammen sind ein perfektes Team in der Küche, wenn da nur nicht immer der Streit um die lästigen Aufräumarbeiten wäre. Vater weigert sich beharrlich und bis heute auch erfolgreich, sich an diesen, wie er meint, klassischen Frauenarbeiten zu beteiligen. Aber immerhin ist mein Vater in unserem Verwandten- und Bekanntenkreis der einzige Mann seiner Generation, der sich überhaupt in der Küche blicken lässt.
Vater ist der Exot unter seinen Geschlechtsgenossen. Kochen ist in deren Augen Weiberkram. In den 60er und 70er Jahren interessiert sich ein richtiger Mann für Fußball, Boxen und wenn er ein Weichei ist, vielleicht noch fürs Eiskunstlaufen, spätestens seitdem Marika Kilius und Hans Jürgen Bäumler die Eiskunstlaufszene eroberten. Die Frauen beneiden meine Mutter wegen der Kochbegeisterung ihres Mannes und himmeln meinen gutaussehenden Vater noch mehr an. Mutter trägt es mit Fassung. Allerdings erlaubt sie sich gelegentlich, auf die Verwüstungen in ihrer Küche hinzuweisen. Aber auch diese Einblicke trüben die Begeisterung der Gäste nicht, warum auch, schließlich müssen sie ja nicht aufräumen. Vater ist als Gastgeber der ungekrönte König und er genießt es sehr, von seinen Gästen die Bewunderung zu erhalten, die ihm seine Familienmitglieder wegen ein paar schmutziger Töpfe und Pfannen häufig verweigern.
Damit es mir nicht genauso geht wie meiner Mutter, habe ich die gesamte Kocharbeit meinem Lebensgefährten Klaus überlassen und freiwillig die leidigen Aufräumarbeiten danach übernommen. Ich denke, die Aufteilung ist gerecht, Klaus kocht gerne und auch gut. Allerdings braucht er deutlich mehr Zeit fürs Einkaufen und Kochen, als ich für das Aufräumen danach. Dafür macht ihm die Arbeit Spaß, während ich still vor mich hin leide.
Seit Sylvie bei uns wohnt, hat Klaus Gesellschaft in der Küche. Sylvie hat offensichtlich das Kochinteresse von ihrem Vater geerbt. Für mich ein Grund mehr, der Küche fernzubleiben, denn zu dritt haben wir in ihr einfach keinen Platz.
Seit wir eine Spülmaschine unser Eigen nennen, trage ich die Bürde des Abwaschens mit deutlich mehr Gelassenheit. Bei uns landet alles in der Spülmaschine, Geschirr, Besteck, Töpfe, egal ob spülmaschinenfest oder nicht, in diesem Punkt habe ich keine Gnade. Bei uns überleben nur die Besten, das gilt auch für das Geschirr.
Ich finde, wir drei sind ein gutes Team. Jeder macht das, was er kann. Ich habe kein schlechtes Gewissen, weil ich nicht die perfekte Köchin bin und es meinen beiden Mitbewohnern überlasse, den Kochlöffel zu schwingen. Wir leben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ich praktizierte die Emanzipation, ich rede nicht nur darüber. Klaus ist ein emanzipierter Mann. Er hat offensichtlich keine Schwierigkeiten damit, in unserem gemeinsamen Haushalt klassische Frauenaufgaben zu übernehmen, die von seinen Geschlechtskollegen kategorisch abgelehnt werden. Es stimmt mich allerdings sehr nachdenklich, wenn meine Altersgenossinnen sehr schnell bereit sind, sich die Rolle ihrer Mütter aufdrücken zu lassen und die Zuständigkeit für Kinder, Küche, Kirche wieder übernehmen. Ich behaupte von mir, dass ich heute noch Jungfrau wäre, wenn dies nur dann zu vermeiden gewesen wäre, wenn ich für einen Mann kochen, putzen, waschen und die Hemden bügeln müsste. Gott sei Dank muss ich diesen Beweis nicht antreten, denn Klaus lief mir schon mit knapp zwanzig über den Weg, früh genug also, um nicht als alte Jungfer abgestempelt zu werden.
Die Wanne ist immer noch nicht vollgelaufen, Zeit genug, um den AB noch einmal abzuhören. Der zweite Anruf ist von meiner Freundin Karin. Sie schlägt vor, dass wir uns am Samstagabend zum Kino treffen. Sie will uns ihren neuen Freund Toni vorstellen. Es ist der dritte in zwei Jahren. Jedes Mal ist es die große Liebe, leider hält die dann nur wenige Monate. Gerade wenn ich mich an die Herren gewöhnt habe, ist die Beziehung schon wieder zu Ende. Ich komme mir nach fünf Jahren mit meinem Klaus dabei schon richtig spießig vor. Ich fürchte mich manchmal bei dem Gedanken, dass ich es später einmal bereuen könnte, dass ich ab meinem zwanzigsten Lebensjahr immer mit demselben Mann zusammen war. Aber so weit sind wir ja schließlich auch noch nicht. Schließlich sind wir erst fünfundzwanzig und es ist noch ein langer Weg bis zum gemeinsamen Einzug in ein Altersheim. Da kann noch viel passieren, aber heute bestimmt nicht, denn heute ist ja Liebe und Verständnis angesagt.
Bevor Klaus in mein Leben trat, war mein Liebesleben nicht aufregend. Die Freunde kamen und gingen auch wieder, ohne besonderes Leid oder tiefere Spuren zu hinterlassen. Die Erde hat noch bei keinem Kuss gebebt und bebt auch sonst nicht. Ich schreibe das weniger meiner fehlenden Leidenschaft als dem Hang zur Übertreibung der Verfasser von Liebesromanen zu, egal ob Klassik oder Trivialliteratur. Wenn es bei Klaus bleibt, komme ich gerade mal auf drei Männer in meinem Leben und damit liege ich deutlich unter dem Durchschnitt, was die Zahl der Geschlechtspartner einer deutschen Frau betrifft. Die Statistiken künden von neun verschiedenen Geschlechtspartnern des Durchschnittsdeutschen. Die Statistik unterscheidet dabei nicht zwischen dem Liebesleben eines Mönchs, eines Callboys, einer katholischen Hausfrau in Niederbayern