Führung - Bildung - Gesundheit. Robin J. Malloy

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Название Führung - Bildung - Gesundheit
Автор произведения Robin J. Malloy
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783942064088



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(…) ihren Voraussetzungen und Erfahrungen, Interessen, Schwierigkeiten und Nöten“ (ebenda, S. 2) soll ein frühzeitiges Erkennen von Merkmalen psychischer und affektiver Beeinträchtigung ermöglichen, um im gegebenen Fall einer psychischen oder affektiven Belastung oder Beeinträchtigung ermutigen zu können, professionelle therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Erwachsenenpädagogen können hier als „Frühwarnsystem“ verstanden werden und pädagogisches Lehren, Coachen und Beraten als Vorstufe zur Therapie oder als Mittel zur Steigerung der selbstreflexiven Haltung, welche an sich – wie zu einem späteren Zeitpunkt erläutert werden soll – wenn nicht heilend, so doch gesundheitserhaltend wirken kann.

      Das in dieser Arbeit dargestellte Konzept des emotional-archetypischen Deutungslernens bezieht sich auf die in der Einleitung dargestellten sozioökonomischen Entwicklungen der steigenden psychischen Beeinträchtigungen in Deutschland und deren Konsequenzen für die Erwachsenenbildung, insbesondere die berufliche Weiterbildung. Die Darstellung bestimmter Theorien wird immer in Bezug zu diesen sozioökonomischen und sozio-psychologischen Fakten stehen, daher sollen hier kurz die wichtigsten Aspekte definiert werden:

      Die psychische Arbeitsbelastung wird gemäß der DIN EN ISO 10075 - 1 „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung“ wie folgt definiert: „Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“

      Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei dem Begriff „psychische Belastung“ – im Gegensatz zum umgangssprachlichen Verständnis – zunächst nur um Einflüsse handelt, die sowohl positiv als auch negativ bewertet werden können. Im Sinne der DIN EN ISO handelt es sich hierbei um alle messbaren Einflüsse, die im Menschen psychische Vorgänge auslösen. Bezogen auf die Arbeitswelt können folgende Einflussfaktoren aufgeführt werden: Arbeitsaufgabe, Arbeitsumgebung (physikalisch, sozial), Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf, Arbeitsmittel und der Arbeitsplatz (vgl. Hacker 1984).

      Erst die Intensität und Dauer der Inanspruchnahme durch psychische Belastungen sowie bestimmte Voraussetzungen bestimmen, ob eine psychische Belastung zu einer psychischen Beanspruchung im Sinne der DIN EN ISO 10075 - 1 wird. Dort wird psychische Beanspruchung wie folgt definiert:

       „Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien.“

      Als psychische Beanspruchungen werden also die Auswirkungen der psychischen Belastungen definiert, die abhängig von bestimmten Voraussetzungen nicht mehr neutral wahrgenommen werden, sondern negativ oder positiv sein können.

      Bei den Voraussetzungen handelt es sich um Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrungen, Kenntnisse, Anspruchsniveau, Motivation, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Einstellungen, Bewältigungsstrategien sowie Gesundheit, Alter, Geschlecht, körperliche Konstitution, Ernährung, Allgemeinzustand, aktuelle Verfassung und Ausgangslage der Aktivierung (vgl. Richter 2000, DIN EN ISO 10075).

      Je nach Voraussetzung können die psychischen Belastungen als Beanspruchung empfunden werden, wobei kurzfristige Beanspruchungen entweder positiv als erwünschte Beanspruchung oder aber negativ als unerwünscht beeinträchtigende Fehlbeanspruchung gewertet werden können. Erwünschte Beanspruchungen führen nach Richter (2000) zu einer Anregung (Aufwärmung, Aktivierung), während kurzfristige unerwünschte Fehlbelastungen (in Form von Unter- oder Überforderung) zu psychischen oder körperlichen Beeinträchtigungen führen können (dazu zählen Ermüdung, ermüdungsähnliche Zustände wie Monotonie, herabgesetzte Wachsamkeit und Sättigung sowie Stress).

      Langfristige erwünschte Beanspruchungen führen zu Übung, Weiterentwicklung körperlicher und geistiger Fähigkeiten, Wohlbefinden und Gesunderhaltung, während langfristige Fehlbeanspruchungen allgemeine psychosomatische Störungen und Erkrankungen (u. a. Verdauungsbeschwerden, Herzbeschwerden, Kopfschmerzen), Ausgebranntsein (Burn-out), Fehlzeiten, Fluktuation und Frühverrentung hervorrufen können (vgl. ebenda, DIN EN ISO 10075).

      Besonders hervorgehoben werden soll im Rahmen dieser Arbeit noch einmal eine der Voraussetzungen, anhand derer eine psychische Belastung als erwünschte Beanspruchung oder unerwünschte Fehlbeanspruchung wahrgenommen wird: die individuellen Bewältigungsstrategien. Als Beispiele für Bewältigungsstrategien (Coping) werden in der DIN EN ISO folgende genannt: Suche nach Verhaltensalternativen, Änderung der Bedingungen, Problemsituationen kognitiv neu bewerten oder einen Handlungsplan entwerfen sowie Ziele und Werte verändern. Abbildung 2 zeigt eine Übersicht des o. g. Modells.

       Abbildung 2:

      Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell (BAuA 2007)

       Der Deutungsmusteransatz von Arnold

      Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein erwachsenenpädagogisches Konzept zu begründen, anhand dessen Erwachsenenpädagogen in die Lage versetzt werden, sowohl bei Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung als auch der allgemeinen Erwachsenenbildung die besonderen psychosozialen Belastungen, die durch die sozioökonomischen Entwicklungen in weiten Bereichen der deutschen Bevölkerung Fuß fassen, angemessen zu berücksichtigen und den Teilnehmern zu ermöglichen, sich selbst und ihre Situation zu verstehen und mögliche Auswege aus psychischen Beeinträchtigungen zu finden. Das Konzept baut sowohl auf dem sogenannten Deutungsmusteransatz von Arnold als auch auf dem Modell des reflexiven Deutungslernens von I. Schüßler auf, die hier skizziert dargestellt werden sollen.

      2.1.1 Konstruktivismus

      Ausgangspunkt des Deutungsmusteransatzes von Rolf Arnold ist die Annahme der Existenz des Konstruktes „Identität“ als soziologische Begriffsordnung sowie einer sozial-konstruktivistischen Sichtweise der Welt. Die ursprüngliche Begründungsgrundlage des Deutungsmusteransatzes von Arnold war der symbolische Interaktionismus von Blumer, der heute in den sozialen Konstruktivismus überführt wurde (vgl. Blumer 1973, hierzu siehe Seite 27). An dieser Stelle soll nur kurz erläutert werden, was mit dieser konstruktivistischen Sichtweise gemeint ist.

      Der radikale Konstruktivismus (vgl. Schmidt 1987 u. 1992) geht davon aus, dass es keine ontologische, d. h. strukturell seiende und objektiv wahrnehmbare Wirklichkeit gibt, sondern lediglich eine subjektive Interpretation der eigenen Wahrnehmungen:

      „Kennzeichnend für eine konstruktivistische Sicht der Wirklichkeit ist die vollständige Lösung vom repräsentationistischen Denken, d. h. von der Vorstellung, Erkenntnis sei die „Suche nach ikonischer Übereinstimmung mit der ontologischen Wirklichkeit“ (zitiert in Arnold 2006, S. 9).

      Um mit eigenen Worten zu sprechen, stellt die subjektive Erkenntnis somit nicht ein fotografisches Abbild einer existenten, seienden Wirklichkeit dar, sondern sie ist immer eine subjektive Projektion und Interpretation in die Welt hinein. Dies bedeutet, dass wir nicht von einer Übereinstimmung zwischen unserer Wahrnehmung und einer absoluten Wahrheit ausgehen können:

      „Gleichwohl können wir nicht mehr länger in einem naiven Realismus davon ausgehen, dass unsere Sinneseindrücke und unser Denken jemals mit einer absoluten, ontischen Wirklichkeit übereinstimmen können (…)“ (Arnold 2006, S. 9).

      Um es in wenigen Worten auf den Punkt zu bringen, kann gesagt werden, „dass wir die Welt, in der wir zu leben meinen, uns selbst zu verdanken haben“ (v. Glasersfeld 1990, S. 17).

      Der Mensch als Teil seiner Umwelt – so ergänzend der systemische Blickwinkel des