Название | Beethoven |
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Автор произведения | William Kinderman |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990405642 |
Die markanteste Bühnenmusik der Oper ist die off-stage gespielte zweifache Trompetenfanfare, die von einem Gefängnisturm erklingt. Die Wache bläst die Trompete Pizarros strikten Anweisungen gemäß, um den Gouverneur vor der Ankunft des Ministers zu warnen. In einer ironischen, dramatischen Umkehr – einer Art prometheischem Diebstahl – wird Pizarro dieser Geste jedoch beraubt, die nun das Gegenteil der ursprünglichen Intention vermittelt. Abgesehen von ihrer Rolle als ein mit militärischer und königlicher Autorität assoziiertes Signalinstrument hat die Trompete auch biblische Konnotationen. Sieben Trompeten erschallen in der Offenbarung des Johannes und der Tag der Auferstehung wird durch eine Trompete, geblasen auf dem heiligen Felsen in Jerusalem, angekündigt. Proklamationen werden unter Trompetenklang verkündet. Trompeten tauchten oftmals in den Zeremonien der Französischen Revolution auf, so etwa ein Trompetenpaar, das während Robespierres »Fest des Höchsten Wesens« (1794) erklang.
Das verblüffende Timing, mit dem die Trompete das atemlose Vokalquartett im Verlies unterbricht – wenn Leonore Pizarro in Schach hält –, verschafft allen eine Ruhepause. Anstatt Pizarro zu dienen, unterstreicht der Trompetenklang nun Leonores Eingreifen als tugendhaftes Handeln. Damit wird gleichzeitig eine Ereigniskette unterbrochen, die andernfalls den ursprünglich erwarteten tragischen Verlauf genommen hätte. Die Trompetenfanfaren markieren einen Stillstand der Zeit, eröffnen Momente der Besinnung und halten den rasanten Handlungsverlauf an. Der künstlerische Diskurs wird damit auf ein höheres, distanzierteres Niveau gehoben und regt dazu an, die umfassende Bedeutung des Ganzen zu bedenken.
Heute, zwei Jahrhunderte nach Beethoven, sind Größenwahn und die Trompeten-und-Trommel-Prahlerei à la Pizarro weithin im Vormarsch. 1788 schrieb James Madison: »Ich vertraue auf das große republikanische Prinzip, dass die Menschen über Tugend und Intelligenz verfügen, um Männer zu wählen, die Tugend und Weisheit besitzen.« Eine naive Überzeugung, wie es scheint, zumal in einer Zeit ausufernder Propaganda und ebenso unfähiger wie ehrloser Staatsführungen. Wie soll man reagieren, wenn ein gewaltiger Demagoge unter dem Applaus seines Klüngels einen ebenso gewaltigen Turm aus Lügen errichtet?
In der bemerkenswerten Novelle Tonio Kröger beschrieb Thomas Mann seinen Protagonisten als jemanden, den Schillers Don Carlos zutiefst bewegt. Und wie Beethoven beschäftigen auch Kröger vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen rund um den Humanisten Marquis von Posa im vierten Akt: »Es sind Stellen darin, … die so schön sind, dass es einem einen Ruck gibt, dass es gleichsam knallt. … Da ist zum Beispiel die Stelle, wo der König geweint hat, weil er von dem Marquis betrogen ist …, aber der Marquis hat ihn nur dem Prinzen zuliebe betrogen, verstehst du, für den er sich opfert. Und nun kommt aus dem Kabinett in das Vorzimmer die Nachricht, dass der König geweint hat. ›Geweint?‹ ›Der König geweint?‹ Alle Hofmänner sind fürchterlich betreten, und es geht einem durch und durch, denn es ist ein schrecklich starrer und strenger König. Aber man begreift es so gut, dass er geweint hat, und mir tut er eigentlich mehr leid als der Prinz und der Marquis zusammengenommen. Er ist immer so ganz allein und ohne Liebe, und nun glaubt er einen Menschen gefunden zu haben, und der verrät ihn …«
Bei Schiller ist der isolierte König selbst ein Gefangener, ein Opfer seines eigenen Systems, was aus seiner erschreckenden Begegnung mit dem Großinquisitor gegen Ende klar hervorgeht. Dabei gab es bei Posas früherer Audienz beim König einen kurzen Augenblick, in dem Letzterer durch politisches Handeln Gutes hätte erreichen können. Posas idealistisches Argument für den politischen Fortschritt – die Befreiung der Niederlande – beruht auf seiner Überzeugung, die Welt würde sich bald zum Besseren wandeln:
Das Jahrhundert ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe
Ein Bürger derer, welche kommen werden.
Eine Einstellung, die dem Tadel des Großinquisitors am König diametral gegenübersteht. Hier herrscht Absolutismus über Veränderung, Tod über das Leben:
Wozu Menschen? Menschen sind
Für Sie nur Zahlen, weiter nichts.
Was für Beethoven zählt, ist Posas Vision einer leuchtenden Zukunft – »Freude … Tochter aus Elysium«, jenes Gedicht von Schiller, das etwa zur selben Zeit entstand. Die originale Version von An die Freude aus dem Jahr 1785 ermöglicht einen kurzen Blick in vollständig gewandelte politische Gefilde: »Bettler werden Fürstenbrüder / wo dein sanfter Flügel weilt« ist unmissverständlicher als die spätere Version, die Beethoven vertonte: »Alle Menschen werden Brüder …« Beethoven ergriff seine Chance, um zu Posas Befreiungsvision zurückzukehren, als er 1810 die Musik zu Goethes Drama Egmont schrieb, das große inhaltliche Affinität zu Schillers Don Carlos aufweist. Die mitreißende Apotheose der Siegessinfonie im Egmont ist ein weiteres Beispiel für den politischen Charakter eines Werkes, dessen Wurzeln weit in Beethovens prägende Jahre in Bonn zurückreichen.
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