50 Dinge, die ein Oberösterreicher getan haben muss. Melanie Wagenhofer

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Название 50 Dinge, die ein Oberösterreicher getan haben muss
Автор произведения Melanie Wagenhofer
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783990404041



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alles ein Gschisdigschasdi (Umstände). Am besten nähert man sich zitzalweis (in kleinen Schritten) an und lässt sich auch nicht von siemseidenen (schmeichlerischen, heuchlerischen) Zeitgenossen einwickeln.

      Und damit wir nicht ganz wiaflad (schwindlig) werden, hören wir an dieser Stelle auf und widmen uns im Folgenden dem, was ein Oberösterreicher oder einer, der sich hier auskennen will, getan haben muss.

      Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern viel Vergnügen bei der Lektüre und vor allem viel Freude an den unabdingbaren Erlebnissen, die ich Ihnen hier vorstellen darf.

      Ich möchte darauf hinweisen, dass ich im Sinne der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet habe (auch und vor allem im Titel dieses Buches). Dennoch sind freilich Vertreter beiderlei Geschlechts angesprochen.

       Linz, im Sommer 2014 Melanie Wagenhofer

       1

      Haarspaltereien

       Gamsbartträger

      Ein paar Kilometer außerhalb von Ebensee, in der Abgeschiedenheit eines idyllischen Bergsees, an den sich einst Kaiserin Elisabeth gerne zurückgezogen hat, ließ sich auch ein begnadeter Handwerker nieder: der Lahnsteiner Bertl. Ein Besuch beim Bartbinder am Offensee in Ebensee.

      Wo andere ausflippen täten, dabei werde ich ruhig“, erklärt der Bertl. Stunden-, manchmal tagelang ordnet er die Gamshaare feinsäuberlich millimetergenau nach ihrer Länge, dann bindet er die gleich langen mit seiner eigenen Technik zusammen, um dann aus den Büscheln, die aus jeweils 100 bis 150 Haaren bestehen, den „Bacht“ zu erzeugen. Die kürzeren innen, die längeren rundherum. 20.000 bis 25.000 Haare zieren einen prächtigen großen Gamsbart, ein Kunstwerk, das in 30 bis 60 Stunden Arbeitszeit entsteht. 22 Zentimeter ist die Grenze, die die Natur der Länge des traditionellen Hutschmuckes gesetzt hat. Der Bertl ist einer von ganz wenigen, die dieses Handwerk in Österreich noch hauptberuflich betreiben.

      Eigentlich hat er ja Zimmermann gelernt, der Bertl. Doch weil sich sein Großvater, ein Jäger, dereinst über seinen Bartbinder geärgert hat, dachte sich der Enkel, das müsse doch anders, besser, zu machen sein. Und versuchte sich an des Großvaters Gamsbärten. Nahm sie auseinander, setzte sie wieder zusammen. „Guate Nacht!“, war die Reaktion des Großvaters. „Lass des guat sein, Bua. Wie sollst du, mit deinen großen Händen, so was Feines zusammenbringen!“ Doch der Bertl ließ sich nicht abbringen und ging, als er nach einer Weile anstand, zum Pilz Fritz nach Hallstatt – damals „der beste Bartbinder im Salzkammergut“ –, um von ihm zu lernen. „Eine Stunde habe ich ihm zugeschaut!“, erinnert sich der Bertl. Das habe genügt. Ein paar Monate später traten Lehrmeister und Schüler zur Gamsbartolympiade an. Und – und das sei ihm noch heute direkt peinlich – der Bertl gewann, der Pilz Fritz wurde „nur“ Zweiter. „Eine solche Gabe zu besitzen ist ein Gottesgeschenk“, sagt der Bertl ehrfürchtig.

       Bertl Lahnsteiner an seinem Arbeitsplatz

      Mittlerweile bindet der Ebenseer seit 1990 Gamsbartbärte, zehn Jahre als Hobby, danach hauptberuflich. Und das vorwiegend in „Lohnarbeit“, wie er sagt. Denn die meisten kommen mit der Ware, quasi ihrem „Jagderlebnis“, zu ihm, um sich daraus den Schmuck für ihren Trachtenhut machen zu lassen. Gerade in seiner Gegend trägt man ihn noch, den Deckel mit dem Gamsbart, steckt sich die Trophäe noch an den Hut. „Der Kaiser Franz Joseph hat ihn damals populär gemacht“, erzählt der Bertl. Der Jäger trage ihn im Salzkammergut gerade gestellt, die Damen ziere er in schräger Position. Wochentags das kleine Dachs- oder Hirschbartl am Jagahuat, am Sonntag der Hut mit dem großen Geflecht von der Gams. Aber: Zu groß dürfe er nicht sein, um nicht in den Geruch der Protzerei zu kommen. So handhabt’s auch der Bertl selber: Er ist zwar kein Jäger, dafür aber ein „Trachtler“ und trägt immer nur einen dezenten, kleinen Bart am Hut. Und da gibt es auch keine Sentimentalitäten: Die großen Bärte, mit denen er bei einer der Olympiaden aufs Stockerl kam, hat er längst zu Geld gemacht, die Pokale bleiben ohnehin als Erinnerung. Bis zu mehrere Tausend Euro kann so eine Zier aus Gamshaaren, die wertvollste aus Tierhaaren, kosten, der sehr beständige Dachsbart ist für ein paar 100 Euro zu haben. Faustregel: Je länger die Haare sind, umso teurer wird der Bart. „Gamsböcke sollten nach Weihnachten geschossen werden, dann sind die Haare am längsten“, erklärt der Bertl. In seiner Gegend hätten von 100 Gämsen nur fünf die für den Bart geeigneten Haare, die Granhaare, die als schmaler Streifen am Rücken der Tiere wachsen.

      Bertls Kundschaft kommt aber nicht nur aus der Gegend. Jäger aus aller Herren Länder, von Kanada bis Australien, haben schon bei ihm bestellt. Und so kamen ihm neben den üblichen Haarspendern wie Gams, Hirsch, Dachs oder Wildschwein auch schon Haare von Antilope, Elch, Karibu und anderen exotischen Tieren zwischen die Finger. „Ich habe schon die wildesten Sachen gemacht, sogar die Schweifhaare vom Flusspferd waren dabei“, erinnert er sich. Und die Schnauzhaare von 300 Hasen für einen einzigen Bart.

      Auch altersschwache Mähnen kuriert der Bartkundige und er garantiert, dass seine Gamsbärte zehn Jahre wie neu bleiben. Vorausgesetzt, man setzt sie nicht zu viel Nässe aus und pflegt sie seiner Anleitung entsprechend: Nach dem Tragen nimmt man den Gamsbart vom Hut und hängt ihn kopfüber in einen Raum, wo er keinem Licht ausgesetzt ist, damit er nicht austrocknet. Einen Tag, bevor man ihn wieder tragen will, dreht man ihn um, damit er rechtzeitig zum Ausgehen wieder seine ganze Pracht entfalten kann.

       INFO: Bartbinder Bertl Lahnsteiner

      Offensee 69, 4802 Ebensee

      

+43 (0) 6133/​86 26

       www.wildbart.at

       2

      Wipfelsturm

      Ein Holzturm am Baumkronenweg

      Da oben ist die Luft ganz anders, sagt man. Und die Rinde der Bäume ist nicht schuppig wie unten, sondern glatt. Nebenan wohnen Vögel. Eindrücke und Ausblicke vom Baumkronenweg in Kopfing.

      Der Traum vom Fliegen lebt. Und wenn wir es schon nicht aus eigener Flügelkraft schaffen, so wollen wir wenigstens Aug’ in Aug’ mit den gefiederten Freunden deren wunderbare Perspektive genießen. Und das funktioniert am Baumkronenweg bestens, der sich wie eine chinesische Mauer, allerdings eine hölzerne, durch den Innviertler Wald zieht.

      Das Holz dafür wurde gleich vor Ort gefällt. Eine Strecke von 25 Kilometern hätten die benötigten rund 700 Festmeter Bäume aneinander gereiht ergeben. Mitten im Wald entstand eine riesige Baustelle: Mit einem Hochkran wurden die höchsten Türme aufgestellt. 2005, nach einem halben Jahr und harter Arbeit – auch den Winter hindurch –, war der Baumkronenweg im Sauwald schließlich fertig: 40 Plattformen und 17 Türme, die zwischen drei und 22 Meter hoch und durch stabile Holzstege und schwankende Hänge- und Tellerbrücken verbunden sind, säumen den Weg, zweieinhalb Kilometer am Boden, 1.000 spannende Meter in der Luft. Über all das ragt ein Erlebnisturm hinaus, der sagenhafte 40 Meter hoch ist.

      Schön langsam wird man in die Baumkronen hinaufgeführt. Und hält oben angekommen angesichts des herrlichen Ausblickes den Atem an: Er reicht weit hinein ins Mühlviertel, nach Bayern und bei schönem Wetter sogar bis in die Tiroler Berge. Und das aus einem grünen Meer aus Wald heraus. Auf den höchsten Türmen bietet sich ein völlig neuer Blickwinkel, man hat das Gefühl, es herrscht ein anderes Klima als unten. Es ist trockener und windiger, die Geräusche sind anders. Hier wohnen Vögel, dort klettern Eichhörnchen flink nach oben,