Phantombesuch. Gaby Peer

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Название Phantombesuch
Автор произведения Gaby Peer
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783961450800



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das immer so weitergegangen wäre? Auch darüber dachte Elena nun intensiv nach – hätten die Kinder immer so ein großes Verständnis für Papas berufliche Ambitionen gehabt? Auch dann noch, wenn er eventuell ihre Abiturfeier verpasst hätte? Wie hätte es mit ihrem Verständnis in zehn Jahren ausgesehen? „Keine Ahnung“, sagte sie laut zu ihrem Spiegelbild. „Ich habe wirklich keine Ahnung! Und jetzt werde ich es auch nie mehr erfahren.“ Sie ließ sich auf den Boden fallen und kauerte vor der Badewanne, als Belinda ins Badezimmer kam.

      „Liebe, Liebe, komm, steh auf.“

      „Ich will, dass er wiederkommt! Ich will ihn wiederhaben – ich kann ohne ihn nicht leben! Nein, ich kann nicht und ich will nicht. Ich will, dass alles wieder so ist, wie es war.“

      „Er ist bestimmt bei dir.“

      „Wo denn? Ich kann ihn nicht sehen, nicht riechen, nicht fühlen und ich höre ihn auch nicht. Wo bitte schön soll er sein?“

      „Elena, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen wir nichts wissen.“

      7

      Am achten Tag nach dem Unfall klingelte es an der Haustür. Elena war alleine zu Hause und überlegte, ob sie aufmachen sollte. Keiner der Menschen, die sie überhaupt ins Haus lassen würde, konnte es sein. Das Klingeln hörte aber nicht auf und der Gedanke, dass Selina oder Lois etwas passiert sein könnte, setzte sie dann doch in Bewegung.

      „Guten Tag, Frau Schrader. Elena Schrader?“

      „Ja, das bin ich, guten Tag.“

      Eine Frau und ein Mann standen vor der Tür, stellten sich als Kripobeamte vor, zeigten brav ihren Ausweis und baten darum, eintreten zu dürfen.

      „Kripo, wieso denn Kripo? Liegt ein Verbrechen vor? Wissen Sie, warum mein Mann sterben musste?“

      „Warum der Unfall passiert ist, wissen wir jetzt, aber warum er sterben musste, das wissen wir nicht. Um diese Frage zu klären, bräuchten wir Ihre Hilfe, Frau Schrader. Könnten Sie uns bitte ein paar Fragen beantworten?“ Die Kripobeamtin schaute sie an und aus irgendeinem Grund musste Elena denken: Auch du hättest dich in Manuel verliebt, wetten?

      „Gerne, aber bitte beantworten Sie zuerst meine Frage: Warum ist mein Mann verunglückt?“

      „Die Obduktion hat nichts ergeben. Keine Spur von Misshandlung oder irgendwelchen Drogen, Medikamenten, Alkohol oder sonstigen Stoffen. Sein Leichnam wurde für die Beerdigung freigegeben, Frau Schrader. Sein Auto weist allerdings verdächtige Spuren auf. Der Motorraum wurde definitiv manipuliert – irgendjemand hat sich an den Bremsschläuchen zu schaffen gemacht. Können Sie sich vorstellen, wer Ihrem Mann nach dem Leben getrachtet haben könnte? Hatte er Feinde, Neider?“

      „Oh, sicherlich nicht. Manuel war total beliebt. Er war immer im Mittelpunkt, aber niemals ein Angeber. Er war von Natur aus ein sehr fröhlicher, sympathischer Mensch, dessen Nähe viele Menschen gesucht haben. In der Cafeteria zum Beispiel saß er niemals alleine, selbst wenn er es so manches Mal versucht hat. Es ging einfach nicht, denn es gesellte sich nach kürzester Zeit immer irgendjemand zu ihm. Nein, nein, Manuel hatte keine Feinde – nur Freunde und Bewunderer.“

      „Jeder Mensch hat Freunde und Feinde, Frau Schrader, das ist normal. Kein Mensch schafft es, allen alles recht zu machen. Und gerade die Beliebten haben logischerweise Neider.“

      „Wieso fragen Sie mich überhaupt, wenn Sie mir sowieso nicht glauben?“

      „Ich möchte ja nicht bezweifeln, dass Herr Schrader sehr beliebt war. Sie müssen jedoch bedenken, dass Neider sich selten zu erkennen geben. Sie leiden vor sich hin und warten sehnsüchtig auf den Tag, an dem das Schicksal endlich böse zuschlägt. Wenn das zu lange nicht passiert, dann fangen sie an, Pläne zu schmieden, um nachzuhelfen, dass dem Angeber endlich auch das Lachen vergeht. Zuerst sind es nur Pläne und schöne Vorstellungen. Dann kommt vielleicht der Tag, an dem es der Neider einfach nicht mehr aushält, weil er schon ganz krank ist vor lauter aufgestautem Frust, und schlägt schließlich zu.“

      „Das mag es geben, aber mir fällt beim besten Willen kein Mensch ein, der so einen großen Hass für Manuel empfinden könnte.“

      „Sie kennen alle seine Kollegen?“

      „Nein, natürlich nicht, aber Manuel war auch sehr sensibel, er hätte so was gewiss gespürt. Genauso sicher bin ich mir, dass er mit mir über einen solchen Verdacht geredet hätte. Wir haben nämlich immer über alles geredet – es gab keine Geheimnisse zwischen uns!“

      Haben wir das wirklich?, dachte Elena – na ja, für die Zeit vor unserem Kennenlernen stimmt diese Aussage auf jeden Fall nicht. Immerhin hatte sie entsetzt und traurig feststellen müssen, dass sie so gut wie nichts darüber wusste.

      „Oder eventuell ein Patient – bei Ärzten besteht immer auch die Möglichkeit, dass sie Fehler machen beziehungsweise Patienten oder Angehörige sie eines Fehlers bezichtigen. Gab es in letzter Zeit eine Klage oder vielleicht eine Diskussion bezüglich einer fehlgeschlagenen Behandlung?“

      „Nein, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Manuel berufliche Fehler gemacht hat. Er war der beste und gewissenhafteste Arzt der Welt“, beeilte sich Elena, in einem ziemlich trotzigen Tonfall zu sagen.

      „Frau Schrader, wir möchten ihm ja auch nichts unterstellen – es ist selbstverständlich nicht unsere Absicht, Ihren Mann in irgendeiner Art und Weise schlechtzureden. Unsere Aufgabe ist es, den Mörder Ihres Mannes zu finden.“

      „MÖRDER?“, fragte Elena entsetzt.

      „Ja, es war ein Mord – zumindest bestand zu einhundert Prozent die Absicht, dass Ihr Mann verunglückt. Ob der Täter gleich an Mord beziehungsweise an ein so schreckliches Ende gedacht hat, können wir natürlich nicht sagen.“ Das war der erste Satz des Beamten und dafür hätte Elena ihn am liebsten geohrfeigt. „Frau Schrader, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber jeder Mensch macht Fehler – sicher hat Ihr Mann auch schon welche gemacht, was bei dem Stress, den die Ärzte heutzutage haben, nicht verwunderlich wäre.“

      Sie suchten intensiv nach Fehlern – sie wollten Manuel um jeden Preis schlechtmachen und das war für Elena unerträglich. Sie fühlte sich sehr verletzt. Sie hatte aber plötzlich keine Kraft mehr, sich zu wehren oder Manuel weiterhin in Schutz zu nehmen. Die Gedanken wirbelten durch ihre Gehirnwindungen wie eine außer Kontrolle geratene Achterbahn, die einfach nicht mehr anhalten konnte. Irgendjemand hatte Manuel umgebracht! Ein Mensch hatte ihren Manuel so sehr gehasst, dass er bereit gewesen war, ihn zu töten. Dieser Gedanke war so unrealistisch – so abwegig. Das musste eine Verwechslung sein. Das wäre die einzige sinnvolle Erklärung.

      Die Beamten verabschiedeten sich höflich, was Elena aber kaum wahrnahm. Beim Hinausgehen erkundigte sich die Beamtin, ob sie irgendjemanden verständigen sollten. „Können wir Sie alleine lassen, Frau Schrader?“

      „Ja, meine Freundin kommt sowieso gleich“, hörte sie sich sagen. Sie nannte Belinda ihre Freundin – ja, wer einem so zuhört, hilft, guttut und zur Seite steht, ist doch eine echte Freundin, oder etwa nicht? Ihr Gedankenkarussell drehte sich unaufhaltsam weiter und sie realisierte nicht, dass die Kripobeamten gingen. „Leichnam freigegeben für die Beerdigung“, murmelte Elena leise vor sich hin und dann noch einmal lauter: „Leichnam freigegeben für die Beerdigung.“ Ich will, dass Manuel hier, wo wir zusammen gewohnt haben, beerdigt wird. Ich will jeden Tag an sein Grab gehen können. Die können das doch nicht alleine bestimmen! Wieso hatte sie nichts gesagt? Auto manipuliert? Während sie sich völlig ihrer Leidenschaft hingegeben und unglaublich viel Spaß dabei gehabt hatten, hatte jemand die Zeit genutzt, um an seinem Auto zu hantieren. Hätten sie sich einen Hund angeschafft, so wie Manuel es schon lange gewollt hatte, hätte dieser vielleicht angeschlagen und Manuel würde noch leben. Meine Schuld! Es ist also meine Schuld! Die paar Hundehaare im Haus. Wie gerne hätte ich Manuel wieder und Berge von Hundehaaren im Haus. – Was für einen Mist denke ich denn nur? Wie kann ich in dieser Situation an einen Hund denken? Ich werde verrückt. Hoffentlich kommt Belinda gleich und bestätigt