Название | Die Rose lebt weiter |
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Автор произведения | Katja Stock |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960085669 |
Sonja war nun krankgeschrieben und Jens wirkte irgendwie lockerer und offener. Ich wusste, dass er fast täglich mit ihr telefonierte und auch, wann er das tat. Jedes Mal schnürte es mir die Kehle zu, bis es vorbei war. Wir nutzten aber natürlich ihre Abwesenheit, um uns wieder zu nähern. Wir organisierten ein paar Überstunden, um für uns allein sein zu können. Wir genossen die Zweisamkeit und jeder offenbarte dem anderen, dass seine über Wochen unerfüllte Sehnsucht nun endlich gestillt würde. Das waren die Augenblicke, in denen ich Schuldgefühle, Eifersucht, Angst vor der Zukunft einfach vergessen konnte. Es war wie ein „Auftanken“ für die nächsten Katastrophen, die ja vorhersehbar waren. Ich nahm das Risiko in Kauf erwischt zu werden und erhielt dafür Augenblicke der Zweisamkeit und das Gefühl, dass jemand mich auffängt aus einem scheinbar unlösbaren Zustand.
Wir freuten uns auf die bevorstehende Weihnachtsfeier, nicht wegen der Kollegen, sondern weil wir uns entfernen wollten, um eine Stunde zusammen zu sein. Wir wussten, dass wir in dieser Zeit nur im Auto sitzen konnten, denn draußen war es bitterkalt. Die Feier begann mit Bowling und ich versuchte lustig zu sein, wie man mich halt kannte, hatte aber ständig Jens im Blick. Beide warteten wir nur darauf, dass es endlich vorbei war. Beim Abendessen saßen wir uns schräg gegenüber, die Zeit verging einfach nicht. Einige Kollegen tranken, weil sie nicht mit dem Auto da waren, und es wurde lustiger und lauter. Jens war der erste, der bezahlte. Nun musste ich eine viertel Stunde warten, so war es vereinbart. Ob jemand was ahnte und wir uns nur einbildeten, unentdeckt ein „Verhältnis“ zu haben, überlegte ich nicht, es war mir derzeit alles egal. Als ich draußen war, rief ich ihn an, damit er mir den Weg beschrieb, wo ich hinkommen sollte.
Dann saßen wir endlich in seinem Auto. Er musste den Motor laufen lassen, denn es war bitterkalt. Im Radio liefen die herrlichsten Liebeslieder, traurig und schön. Uns kamen automatisch Tränen. Diese Stunde, die wir für uns allein hatten, verging viel zu schnell. Wir benahmen uns wie unerfahrene Teenager und jeder hatte Angst, etwas falsch zu machen. Wir wussten nicht, wie es mit uns weiter gehen würde, waren aber so froh darüber, den anderen bei sich zu haben. Dieses Mal lag nicht nur ein einsames Wochenende vor uns, wir würden uns auch am Montag nicht sehen können, denn ich musste zu einer Schulung. Wir besprachen, wie und wann wir miteinander telefonieren könnten. Es fiel mir dann so schwer, nach Hause zu fahren und ich weinte bis fast vor die Haustür. Holger lag schon im Bett und ich war froh, dass er mich nur im Dunkeln zu sehen bekam. Er fragte, ob alle solange wie ich da gewesen wären, denn es wäre schon mächtig spät. Ich war so selten alleine weg und immer machte er mir Vorwürfe, wenn es später wurde, obwohl ich weit vor Mitternacht zu Hause war. Für mich begann eine weitere Nacht voller Grübeleien.
Im Dezember standen auch Familienfeiern an. Erst war mein Kleiner dran, er wurde 17, dann kam der runde Geburtstag meines Vaters, der 70. Ich hatte dafür eine kleine Show organisiert. Ein Ehepaar, das auf lustige Art die Sängerin Andrea Berg nachstellte. Da Holger bei diesen Titeln besonders gern tanzte, tat ich ihm immer öfter den Gefallen und tanzte mit ihm. Holger hatte schon seit längerer Zeit den Hang zur Volksmusik entdeckt. Er drehte dann immer die Lautstärke auf und freute sich, wenn mir das auf den Wecker fiel. Aber dann hörte ich Andrea Berg und später auch Helene Fischer und fand, dass sie besser sangen. Sogar mein Kleiner tanzte gern dazu. Aber auch „Schwarze Rose“, den Sänger kannte ich nicht einmal, fand mein Kind ganz toll und ich konnte mit ihm zu diesem Titel besonders gut tanzen. Holger war froh, dass ich auch mal einen deutschen Titel gut fand. Deshalb wurde „Schwarze Rose“ fast zum Familien-Klassiker. Zum Geburtstag war nun das „Andrea-Berg-Double“ bestellt als Geburtstagsgeschenk, weil mir absolut nichts Besseres eingefallen war. Ich hatte bei der Musik mit den Tränen zu kämpfen, weil mich mittlerweile die Textinhalte immer mehr berührten und ich das raushörte, was für mich zutraf. Alle meine Gedanken waren nur bei Jens und ich sorgte mich, wie das alles einmal enden würde.
Am Vorabend des Heiligabends wollte ich Jens anrufen. Ich grübelte, wie ich es wohl hinkriegen könnte. Dann erledigte es sich fast von ganz allein. Wider Erwarten war Holger müde und ging schon um acht zu Bett. Die Kinder schauten Fernsehen und ich verzog mich in den Keller an den Computer mit der Begründung, Bilder zu sortieren. Gegen neun Uhr kam der heiß ersehnte Anruf zustande. Es war laut im Hintergrund, Jens feierte in einer Kneipe. Die Situation war angespannt, wir wussten uns nicht viel zu sagen. Nach einer Weile erklärte Jens, dass sein Essen kalt werden würde. Damit fand das Gespräch ein jähes Ende. Ich war enttäuscht und fühlte mich ausgebrannt. Nun hieß es, die nächsten Tage zu überstehen.
Heiligabend feiern wir gewöhnlich mit den Eltern und Schwiegereltern. So auch dieses Jahr. Meine Schwiegermutter war nun das zweite Mal nicht mehr dabei, aber sonst verlief alles genauso wie bisher. Erst gab es Abendessen, dann kam der Weihnachtsmann. Die Kinder bekamen dieses Mal „Kultur“ geschenkt, genau zu meinem Geburtstag fand ein Musical statt. Mein Geburtstag fiel mit Ostern zusammen und Bettina und Mario wollten kommen und mit uns auch zu der Show fahren. Also hatte ich insgesamt sieben Karten besorgt. Damit stand auch schon der nächste Termin des trauten Familienglücks fest, mein Drang, für „das Wohl der Familie zu funktionieren“, zwang mich, still zu sein und mir nichts anmerken zu lassen.
Am ersten Feiertag war es mittlerweile zum Ritus geworden, mittags in gleicher Runde in immer derselben asiatischen Gaststätte zu essen. Wenn der Gaststättenbesuch beendet war, fanden auch die Weihnachtsverpflichtungen meist ein Ende. Die Kinder beschäftigten sich mit sich selbst oder mit Freunden und wir gingen zum Weihnachtstanz mit unserem Freunden oder sie kamen auf Besuch. So war es auch dieses Jahr. Weil immer Trubel um uns rum herrschte, vermisste keiner die Zweisamkeit, das kam mir dieses Jahr zugute.
Auf unserer Tanzveranstaltung war auch deutsche Musik zu hören. Als „Schwarze Rose“ kam, wollte Holger mit mir tanzen. Er wusste, dass es mir gefiel. Anfänglich konzentrierte ich mich auf den Rhythmus, erst später wurde mir der Text bewusst. Den Interpreten kannte ich sowieso nicht und es war schwierig den Text zu verstehen. Es klang so ähnlich wie:
Schwarze Rose,
der Wunsch, dich zu berühren,
an dich mich zu verlieren,
das wär’ für mich nicht gut.
Schwarze Rose,
dein Duft ist so begehrlich,
doch Dornen sind gefährlich
und trotzdem tun sie gut.
Früher interessierten mich die Texte kaum, seit es Jens gab, war alles anders. Ich interpretierte es so, wie es für mich zum jeweiligen Zeitpunkt am besten zutraf. Bei diesem Lied war ich hin und her gerissen. Holger tanzte es zwar gern, aber der Inhalt traf auf Jens und mich so zu, dass man es besser nicht hätte sagen können. Gerade dieser Titel war das perfekteste Tanzlied, das ich jemals vermochte zu tanzen. Ich musste mich beim Tanzen so zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Nach den Feiertagen kehrte zu Hause wieder der Alltag ein. Ich verkroch mich und versteckte mich in der Arbeit. Außerdem ging ich jetzt regelmäßig zum Schwimmen, jeden Sonntagnachmittag, da waren die wenigsten Leute im Bad. Ich spornte mich an und schwamm immer mehr Bahnen, bis ich bei 50 angelangt war. Mehr war in einer Stunde nicht zu schaffen. Ich setzte mir verbissen dieses Ziel und strengte mich an. Es machte mich zufrieden, wenn ich es schaffte, als würde ich einem innerlichen Erfolgswahn unterliegen.
Holger kam zwar mit, klemmte aber meistens am Beckenrand und wenn Roland mit war, quatschen sie miteinander. Aber Roland verlor bald die Lust, da kam Marion ohne ihn mit, später gingen wir nur noch alleine schwimmen.
Jens’ Urlaub war vorbei, wir gingen wieder sehr vorsichtig und liebevoll miteinander um. Nach der Arbeit hatte ich einen Frisörtermin und auf dem Nachhauseweg hielt ich auf einem Parkplatz an, um mit ihm zu telefonieren. Dieses Mal würde es nicht auffallen, wenn ich etwas später zu Hause war, denn Wartezeiten beim Frisör kann man nicht vorhersagen. Jens saß in seinem Wohnzimmer, Petra war zum Sport. Er erklärte mir, dass er gerade seine Versicherungsunterlagen bereinige. Ich verstand nicht. „Martina, begreifst du nicht? Ich schließe mein bisheriges