Название | Die Rose lebt weiter |
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Автор произведения | Katja Stock |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960085669 |
Trotzdem fiel mir das Denken schwer und ich konnte mich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Ich musste noch etwas vorbereiten für eine wichtige Beratung am nächsten Tag, aber es ging nicht. Irgendwann nahm ich mein Handy und schrieb Jens eine SMS mit den ersten Worten eines Liedes, das mir seit ein paar Stunden nicht mehr aus dem Kopf ging:
„Die Gefühle spielen verrückt … Kennst du das Lied? Was heute passiert ist, können wir nicht mehr rückgängig machen, ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.“
Am nächsten Tag brachte Jens seinen Krankenschein zur Sekretärin und schaute natürlich auch zu mir rein. Er hatte Tränen in den Augen und entschuldigte sich wortreich bei mir. Er hatte mir eine halbe Ananas mitgebracht und meinte, dass die andere Hälfte zwar die Vollendung einer glücklichen Beziehung wäre, dass es die aber leider nie geben könnte. Ich versuchte, gelassen zu wirken, aber tatsächlich konnte ich keinen klaren Gedanken fassen, obwohl er mir schon öfter Ananas mitgebracht hatte.
Jens ging mir nicht mehr aus dem Kopf, er hatte irgendetwas in mir ausgelöst, dass mich verwirrte und durcheinander gebracht hatte. Ich arbeitete meine dienstlichen Termine ab wie im Traum und fühlte mich wie in einer Warteposition. Was hatte er mir mit der Ananas sagen wollen? Dass er mit mir glücklich sein wollte? Nur mal kurz? Oder eine Affäre beginnen?
Er war ja nun nicht unbedingt mein „Traumtyp“. Aber er ist groß und schlank. Dass er sich vor einiger Zeit von seinem Seitenscheitel getrennt hatte und sein Haar sich nun ein bisschen „igelte“, gereichte ihm unbedingt zum Vorteil. Von all den Männern, die ich durch meine Arbeit kannte, schnitt er schon mit am besten ab. Aber das hing auch mit Sympathie zusammen. Ich hatte mir ja früher nie Gedanken gemacht, ob er hübsch oder hässlich ist. Wenn er aus dem Urlaub kam, war er schön gebräunt. Auch das gefiel mir recht gut. – Ich überlegte und überlegte, warum ich das Erlebte nicht abschütteln konnte und dieser Mann mir einfach nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich war doch schon von anderen angebaggert worden und gelassen geblieben, denn es berührte mein Innerstes nicht sonderlich! Vielleicht, weil ich Jens am wenigsten diesen plumpen Annäherungsversuch zugetraut hatte?
Nun hatte ich Geburtstag, und Jens war immer noch krank. Ich wusste, dass er mich anrufen würde, um zu gratulieren. Ich konnte diesen Anruf kaum erwarten, war aufgeregt wie ein Teenager. Wir telefonierten eine viertel Stunde. Aber es kam mir vor wie ein paar Minuten, die Zeit verflog im Nu, dabei hätte ich am liebsten gar nicht mehr auflegen wollen. Jens ging mir nun gar nicht mehr aus dem Kopf. Der Vorfall auf seiner Couch entfachte keine Enttäuschung mehr in mir, was war denn bloß los mit mir?
Um meine Geburtstagsfeier vorzubereiten, hatte ich den nächsten Tag Urlaub genommen. Jens hatte mir zugesagt, mich zu Hause anzurufen. Dieses Gespräch dauerte nun schon eine ganze Stunde und es kam mir vor wie fünf Minuten. Seit diesem unheiligen Kuss waren gerade vier Tage vergangen und ich hatte seitdem nichts mehr essen können und drei Kilogramm abgenommen. Ich spürte immer so einen Kloß im Hals. Auf der einen Seite freute ich mich zwar über den Gewichtsverlust, doch erschrak ich auch, ich hatte noch nie so schnell abgenommen.
Unsere Geburtstagsfeiern verteilten wir meist auf zwei Termine, eine Feier mit den Freunden, die laut, lustig, alkoholintensiv ist und lange dauert. Und eine mit der Verwandtschaft, die sehr viel ruhiger verläuft. Schon während der Fete im Freundeskreis spürte ich, dass ich wohl krank werden würde und war froh, als der letzte Gast das Haus verlassen hatte. Am darauffolgenden Tag war klar, was ich ausgebrütet hatte: eine Angina! Ich fühlte mich so schlapp und konnte kaum noch schlucken, deshalb ging ich freiwillig zum Notdienst. Ich wollte schnell wieder arbeiten gehen, um Jens sehen zu können. Trotzdem musste ich eine Woche zu Hause bleiben.
„Warum bekomme ich grad jetzt eine Angina, ich werde mich doch nicht bei diesem Kuss an Jens’ Bronchitis angesteckt haben?“ Ich war sehr unglücklich, dass ich krank zu Hause bleiben musste und wollte dies so schnell wie möglich Jens mitteilen, der war nun wieder gesundgeschrieben. So schrieb ich an diesem Tag das erste Mal in meinem Leben eine „heimliche“ SMS, eine, von der mein Mann nichts mitbekommen sollte. Es war aber genau der Tag nach der Zeitumstellung, deshalb funktionierte es nicht richtig, sodass ich die SMS nicht senden konnte. Da unsere Handys für alle sichtbar zu Hause rumliegen, bekam ich Angst, löschte alles wieder und musste das Mobiltelefon sogar in die Grundeinstellung zurücksetzen, damit es wieder ging. Bis ich dies raus hatte, war das Wochenende vorbei und ich hatte Jens nicht informiert.
Mein Mann kümmerte sich fürsorglich um mich und ich hatte so ein schlechtes Gewissen. Trotzdem brannte in mir der Wunsch, endlich Jens wiederzusehen und ich hatte auch schon eine Idee. Da während meiner Abwesenheit meine Arbeit liegenblieb, war es üblich, dass ich mich zwischendurch mal sehen ließ oder jemand mir wichtige Dinge nach Hause brachte. Da gerade in dieser Woche meine Krankschreibung sehr ungelegen kam, war mein Chef froh, als ich mich anbot, für ein paar Stunden reinzukommen. Aufgrund der starken Medikamente wollte er mich sogar abholen lassen. Mein erster Gedanke war, dass dies Jens tun könnte, auch wenn er nicht als Kraftfahrer angestellt war. – Es hatte sich inzwischen eingebürgert, dass wir täglich telefonierten und ich bemerkte, dass Jens sich genauso nach mir sehnte wie ich nach ihm, obwohl es keiner aussprach. Ich sagte ihm nun, dass ich mich freuen würde, wenn er mit dem Auto käme. Aber er antwortete: „Sei vernünftig, das geht nicht, man redet doch sowieso schon über uns. Das wäre Wasser auf die Mühle. Es holt dich unser Fahrer ab.“
Er hatte recht, das Gerede unserer Kollegen war wirklich schlimm. Es hatte sogar schon Aussprachen deswegen gegeben. – Und nun stimmte es auf einmal? Ein halber Kuss – und ich schmolz dahin? Auch noch mit dem Mann, mit dem man mir etwas nachsagte? Das konnte doch alles nicht wahr sein! Es war gerade eine Woche her und schon kam ich mit meinem Alltag nicht mehr klar. Ich bekam den Krankenbesuch nicht mehr aus dem Kopf.
Aber es beschäftigte mich auch eine Frage, nämlich die nach seinem Verhältnis zu Sonja. Zwar sah man sie oft miteinander reden, doch war ich immer davon ausgegangen, dass nichts dabei war und es sich um Freundschaft handelte. Zumal Jens wirklich kein „Weiberheld“ war, er machte nie anzügliche Bemerkungen, das „Du“ mussten wir Frauen ihm fast aufnötigen, zu einer Weihnachtsfeier verweigerte er sogar das Tanzen. Sollte an diesem Gerede denn wirklich etwas dran sein? Er hatte mir damals nicht geantwortet, war ausgewichen. Aber konnte er denn mir gegenüber Gefühle entwickeln und nebenbei noch eine andere haben? Dieser Gedanke quälte mich so sehr, dass ich ihn schließlich am Telefon zur Rede stellte. Er hatte gerade Mittagspause und war auf dem Weg zum Bratwurststand. Wieder wich er aus, ich ließ nicht locker, bis er anfing zu weinen. Ich hatte ihn noch nie weinend erlebt, er kam mir auf einmal so hilflos und traurig vor. Doch dann glaubte ich, im Erdboden versinken zu müssen als er sagte: „Ja, Martina, der Tratsch ist berechtigt, ich habe mit Sonja ein Verhältnis und es tut mir so leid, was ich dir jetzt angetan habe. Aber glaube mir, ich empfinde für dich genauso wie du für mich. Das mit Sonja ist etwas anderes. Ich arbeite mit ihr fast 30 Jahre zusammen, wir verstanden uns immer gut und so hat sich diese Beziehung entwickelt. Für meine Lebensgefährtin Petra empfinde ich nichts mehr, wir leben wie in einer WG. Aber ich will mich auch nicht von ihr trennen, wegen meiner Tochter und dem Haus, das weiß Sonja. Aber jetzt habe ich Gefühle für dich, die ich noch nie erlebt habe und mir geht es genauso wie dir, dass ich mit meiner Welt nicht mehr zurechtkomme. Wenn du morgen hierher kommst, lass es uns beenden, bevor es richtig begonnen hat. Ich will dir dein Leben nicht kaputt machen. Es tut mir so leid.“
Ich war geschockt, und maßlos enttäuscht, mir war, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich saß vor meinem Computer und hatte eigentlich fix meine Steuererklärung fertigmachen wollen, bevor ich zum Arzt musste. Aber nun war ich völlig unfähig. Ich schmiss diesen elenden Papierkram zur Seite.
Beim