In der Pfütze schwimmt ein Regenbogen. Christina Conradin

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Название In der Pfütze schwimmt ein Regenbogen
Автор произведения Christina Conradin
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783960083412



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haben einen weiten Weg hinter sich gebracht.

       „Bald haben wir es geschafft!“, sagt Paul zu Adele.

       „Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir weit genug draußen auf dem Packeis.“ Im Sommer würde ihnen das Eis wegtauen, deshalb bekommen sie ihre Jungen bei einer Eiseskälte von bis zu minus 40 Grad.

      „Haben Kaiserpinguine nur Jungen? Warum gibt es da keine Mädchen?“, frage ich erschüttert.

      „Zu Tierbabys sagt man auch Jungen. Dabei sind Buben und Mädchen gemeint“, erklärt mir Mama. Sie liest weiter:

       Paul trägt das Ei sehr stolz unter seiner Bauchfalte. Plötzlich schreit er: „Da, es kommt!“, als unter ihm die Eierschale zu brechen beginnt. Schon ist es da.

       „Adele, ich bin Papa!“, freut er sich. Adele und er sind überglücklich. Bevor andere sein Küken bewundern können, steckt er es sofort unter seine Bauchfalte, um es zu wärmen.

       „Tamara darf nicht frieren, wo sie doch gerade erst geschlüpft ist“, meint Papa Paul.

      „Aber“, unterbreche ich Mama erneut, „heißt das, wenn das Baby aus deinem Bauch draußen ist, dass es unter Papas Bauch kommt?“ Mama lacht: „Nein, Lena, bei Menschen ist das etwas anders. Papa wird das Baby auch tragen, allerdings auf dem Arm.“

      Dann streichelt mir Mama über den Kopf, wie sie es immer macht. Nur heute scheint sie in Gedanken zu sein, da sie gar nicht mehr damit aufhört.

      „Gute Nacht, Mama“, flüstere ich leise.

      „Schlaf gut, mein Schatz“, erwidert sie und nimmt ihre Hand zu sich.

      „Ich hab dich sehr lieb, meine Große!“ Große hat sie noch nie zu mir gesagt, denke ich mir. Als Mama leise die Tür hinter sich zumacht, fällt mir erst auf, was sie gemeint hat. Vielleicht hat das kleine Geschwisterchen doch mehr Vorteile, als ich meine, kommt mir in den Sinn.

      BEI UNS IST WAS LOS

      „Heute darf ich zum Schnuppern ins Ballett“, erzähle ich Jakob ganz stolz, als er mir am Gartenzaun begegnet.

      „Ui“, erwidert Jakob, „darf ich mit?“

      „Naja, ich glaub, heute dürfen alle hin, die wollen“, entgegne ich ihm.

      „Dann geh ich da auch hin“, meint Jakob. Er läuft schnell ins Haus und zieht sich eine bequeme Hose an. Im Vorbeilaufen ruft er seiner Mama zu: „Ich geh heute mit Lena ins Ballett!“

      „Aha“, hört man daraufhin Marita, so heißt Jakobs Mama, sagen. Man sieht sie zu meiner Mama gehen. Die beiden Mütter besprechen etwas. Woraufhin sie kurz kichern.

      „Kinder, holt mal eure Fahrräder!“, ruft uns Mama zu.

      Im Balletthaus angekommen, bekommt jeder, der keine hat, Ballerinas, also Ballettschuhe. Meine langen braunen Haare habe ich, wie die meisten Mädchen zu einem Dutt zusammengebunden. Außer Jakob sind noch zwei andere Jungs da, ansonsten nur unzählige Mädchen. Der Ballettlehrer, Herr Niedermeyer, sieht nett aus. Er hat kurze schwarze Haare. Sein Gang erinnert an eine Watschelente, weil die Fußspitzen ganz nach außen zeigen. Zudem geht er so kerzengerade, dass man meinen könnte, er habe einen Stock verschluckt. In dem großen Tanzsaal sind auf zwei gegenüberliegenden Seiten riesengroße Spiegel angebracht. Davor verläuft jeweils quer eine lange Stange zum Festhalten, wie an einer Treppe. Herr Niedermeyer begrüßt uns und fordert alle auf, sich einen Platz an der Stange zu suchen. Jakob und ich bleiben gleich neben der Tür und der Musikanlage ganz nahe beim Lehrer. Dieser drückt auf irgendwelche Knöpfe bis Klaviermusik ertönt.

      „Du mussen versuchen alles machen wie ich“, ruft er uns zu und lächelt. Ein bisschen erinnert er mich an Papas und Mamas Freunde aus Frankreich. Die sprechen so ähnlich. Herr Niedermeyer hebt die Füße und wirft sie in alle Richtungen, geht in die Knie und fuchtelt mit den Armen. Jakob und ich kommen überhaupt nicht mit. Als ich in den Spiegel blicke, sehe ich, dass es den anderen genauso geht. Es ist ein einziges Durcheinander. Trotzdem macht es irgendwie Spaß. Das geht mehrere Lieder so. Danach hüpfen wir quer durch den Raum.

      „So fühlt man sich also als richtige Ballerina“, male ich mir aus. Am Schluss setzen wir uns auf den Boden und bilden einen großen Kreis. Alle Fußspitzen zeigen zueinander. Herr Niedermeyer geht durch und drückt die Füße sanft zur Mitte hin: „Du mussen machen spitz die Fuße.“ Jeder bekommt daraufhin von ihm einen Bonbon.

      Draußen erwartet uns Mama schon ganz neugierig: „Und, wie hat es euch gefallen?“

      „Ich fand’s toll! Bin jetzt schon eine kleine Ballerina. Darf ich wiederkommen, Mama?“, frage ich.

      „Na, mal sehen, aber wenn es dir so viel Freude bereitet hat, denke ich doch, dass wir dich anmelden. Und dir, Jakob, wie hat es dir gefallen?“ Jakob überlegt kurz und meint: „War okay! Aber – der Trainer hat den Ball vergessen.“ Mama schmunzelt und radelt los. Wir folgen ihr.

      Wieder zu Hause angekommen ruft Ben uns von der Haustüre aus zu: „Nini, Jakob, wir spielen Räuber und Gendarm. Wollt ihr mitspielen?“ Ben nennt mich meistens Nini. Manchmal denke ich mir, dass ich für ihn etwas ganz Besonderes sein muss, wenn er mir einen selbst ausgedachten Kosenamen gibt. Ich habe mir deshalb für ihn auch einen besonderen Namen ausgedacht: Eni.

      „Au ja“, rufen wir sogleich. „Ich möchte Polizist sein“, schreit Jakob.

      „Wir brauchen aber noch mehr Räuber. Ihr könnt gleich mit mir miträubern“, flüstert Ben in geduckter Haltung.

      Auf Zehenspitzen folgen wir Ben sofort und so leise wir können auf der Suche nach dem besten Versteck in der Nachbarschaft, um von den Polizisten nicht gefunden zu werden. Wir klettern als Erstes über den Zaun, gehen die Straße entlang und verschwinden in einem alten, unbewohnten Grundstück. Hierauf steht ein winzig kleines, leeres Haus. Im Garten befindet sich ein Plumpsklo aus Holz. Daran schleichen wir vorbei und gelangen zur knarzenden Haustüre. In diesem Häuschen haben wir schon oft gespielt. Ben hat eine Taschenlampe dabei, weil es schon etwas dämmert und die Fensterläden zu sind, sodass wir nicht viel sehen.

      „Wer sind eigentlich die Polizisten?“, frage ich Ben.

      „Mummel, Eva und Konstantin wollten unbedingt Gendarme sein“, antwortet er leise. Die drei gehen alle mit Ben in die Klasse. Ben setzt sich vor das Fenster zur Straße. Jakob und ich schmiegen uns möglichst nahe an Ben an. Wir lauschen und warten. Da raschelte etwas. Keiner traut sich mehr zu atmen. Nach einem kurzen Blickkontakt versuchen wir durch die Ritze im Fenster hinauszusehen. Ben macht sofort die Taschenlampe aus.

      „Ist da schon jemand am Haus?“, flüstere ich. Dann ist alles wieder still.

      „Vielleicht hat nur Kater Mikesch von Frau Rüppler versucht einen Vogel zu erwischen“, vermutet Ben leise.

      „Eni, ich muss aufs Klo“, gestehe ich ihm. Er macht die Taschenlampe an. Wie so oft presst er seine Lippen aufeinander und zieht sie so in eine gerade Linie, wobei rechts und links Grübchen entstehen.

      „Mittl gutes Timing, Nini“, bekomme ich sodann zu hören. Mittl ist bei Ben alles, was er eher nicht so toll, aber auch nicht schlimm findet. Er nimmt mich an der Hand, weil er weiß, dass ich da jetzt nicht alleine rausgehen will, und führt mich durch die knarzende Tür. Jakob folgt uns, wartet aber in der Tür. Hinter einem Busch kann ich mich zum Glück erleichtern, denn in dem Plumpsklo wäre es mir jetzt zu gruselig. Auf dem Weg zurück zum Häuschen, höre ich etwas hinter mir. Ich drehe mich um. Da packt mich eine Hand am Oberarm. Mit einem Fuß hänge ich in der Luft. Ben schimpft: „Wo schaust du denn hin? Du weißt doch, dass hier der Kellerschacht ist!“

      „Danke, Eni!“ Kleinlaut füge ich hinzu: „Ich dachte nur, ich höre die anderen.“

      „Kommt mal wieder rein!“, klagt Jakob.

      Eine ganze Weile ist nichts zu hören außer unserem