Название | 2022 – Unser Land |
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Автор произведения | Rainer Hampel |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960081500 |
Dominik, der am meisten Zurückgebliebene unter seinesgleichen, pfiff durch die Zahnlücke seiner Schneidezähne aus. Die junge Frau beschleunigte ihren Gang und versuchte krampfhaft, sich nicht umzudrehen. Sie war den einzelnen Jungen körperlich überlegen, zu dritt hatten die drei jedoch eindeutig die Oberhand und trauten sich einiges zu. Paul zischte leise: „Los, die Alte hat jetzt Spaß mit uns. Schon mal gevögelt, Dominik? Brauchst nichts sagen, wir werden mal sehen, was geht. Max, wenn sie vorne am Ende des letzten Grundstückes ist, machen wir sie nieder. Gleich rechts dort ins Gebüsch. Seid ihr dabei?“
Dominik antwortete zuerst: „Na klar, Alter, ich warte schon zwölf Jahre drauf. Mach du’s zuerst.“
Auch Max war mit dem Vorhaben einverstanden und so beschleunigten auch sie ihren Lauf. Jacky ahnte mehr und mehr, was auf sie zukam, und sah sich nun doch um. Die Jungen waren nur noch wenige Meter hinter ihr und bemühten sich, den Abstand beizubehalten. Noch ein paar Schritte und sie gelangte in den unbewohnten Teil der Straße, in dem es rechts und links nur noch verwahrloste und ausgebrannte Grundstücke gab – ein idealer Ort, um einer Frau Gewalt anzutun. Sie öffnete im Gehen ihre Gürteltasche und zog ein schweres Taschenmesser heraus. Vor ihrem Körper und so, dass es die Jungen nicht sehen konnten, öffnete sie die Klinge und ließ sie in die Arretierung einrasten. ‚Den Wichsern zeig ich’s‘, dachte sie und bog nach rechts ab.
Nur zwei Sekunden später rannten ihr Paul und seine Kumpane hinterher. Max, sonst eher der Unentschlossene, schien bei der Aktion eine aktive Rolle übernehmen zu wollen, erreichte sie als Erster und griff ihr an den Hals. Zu spät sah er, dass sie mit aller Kraft mit dem Messer nach ihm hieb. Die Klinge traf ihn am Oberarm und drang in seinen Muskel. Er schrie laut auf und brach den Angriff ab. Vor Schmerz nicht in der Lage, weiter aufrecht zu stehen, ging er in die Knie und hielt sich mit der Hand die verletzte Stelle.
Paul hatte einen Moment gezögert und wollte Max den Vorrang lassen. Nachdem die heftige Abwehr der Frau ihn erschrocken hatte, schlug er umso entschlossener und kräftiger auf sie ein. Innerhalb von Sekunden musste Jacky mehrere heftige Fausthiebe ins Gesicht und in die Magengrube einstecken. Ihre anfängliche Gegenwehr erstarb unter der Einwirkung dieser rohen Gewalt. Auch Dominik setzte ihr mit kräftigen Tritten mächtig zu.
Max hatte sich in der kurzen Verschnaufpause seine Verletzung angesehen und bemerkt, dass sie im Grunde unerheblich war. Er blutete nur wenig und der erste Schreck verwandelte sich rasch in gewaltige Wut. Er schrie sie an: „Alte, jetzt bist du dran. Du musst sterben!“
Max hob das Messer auf und setzte tatsächlich zu einem Hieb damit an, den sie blitzschnell parierte und sich zur Seite drehte. In ihrer Todesangst entwickelte Jacky ungeahnte Kräfte.
„Hilfe, hört mich denn niemand? Ich brauche Hilfe, ich werde umgebracht!“, schrie sie aus Leibeskräften.
Und sah nicht, wie ein älteres Ehepaar am Fenster eines nicht weit entfernten Hauses zusah und sich nach ihrem dringenden Hilferuf kalt abwandte, das Fenster und die Gardinen schloss. Die Hilfsbereitschaft der Bewohner der einst erfolgreichen Messestadt war auf einem Tief-, ihre Angst vor den terrorisierenden Jugendbanden zugleich auf einem Höhepunkt angekommen. Niemand war in solchen Momenten mehr zu Zivilcourage bereit oder schritt beherzt und helfend ein. Es gab nur das stille, aber grausame Wegsehen.
Dominik lachte und spuckte nach ihr. Die Jungen hatten nicht mit dieser massiven Gegenwehr gerechnet, hielten kurz inne und schwankten zwischen Rückzug und totaler Eskalation. Max war inzwischen derart außer sich, dass ihm alles egal wurde. Obwohl er in seinem Elternhaus überwiegend ohne Gewalt erzogen worden war, entwickelte er auf der Straße in solchen Situationen einen übergroßen Drang nach äußerster Brutalität – auch, um sich unter seinesgleichen Respekt zu verschaffen. Paul, eigentlich der Anführer der drei, sah zu, wie sich die Situation verschärfte.
Zwar war er mit Straftaten groß geworden – die Szene hier war jedoch auch für ihn etwas Ungewohntes. Er spürte, dass sie diesmal zu weit gegangen waren und dass er, weil er keine Schwäche zeigen wollte, diese Auseinandersetzung nur mit einem kapitalen Abschluss beenden konnte.
Max kam schnell wieder auf die Beine – auch er war auf die Endstufe der Gewaltspirale eingestellt und ließ die folgenden Dinge einfach geschehen. Seine minimalen restlichen menschlichen Reflexe schaltete er für das vor ihm Liegende aus. Dominik begriff den tödlichen Ernst der Lage nicht; er war mit zwölf Jahren schlicht zu jung, um den Angriff der drei auf ein wehrloses Opfer richtig einzuschätzen. Später wünschte er sich, dass er in diesem Moment einfach weggerannt wäre und den beiden anderen den grausamen Ausgang überlassen hätte.
In der kurzen Bedenkzeit während des Messerkampfes zwischen der jungen Frau und Max beschloss Paul, dass sie diesen Sonnabendvormittag nicht lebend überstehen durfte. Max nahm erneut das Messer und stürzte sich auf die immer noch am Boden Liegende. Nun trat auch Paul mehrmals hart in ihr Gesicht und in den Unterleib. Völlig außer sich brüllte er: „Alte, du weißt gar nicht, was dir blüht. Tickst du noch ganz richtig? Wir machen dich kalt – oder du gibst endlich Ruhe.“
Sie lag auf dem Rücken, Max saß auf ihr und Paul rammte ihr die Faust in den Magen. Den harten Untergrund unter sich, musste Jacky die fürchterliche Härte dieses Schlages eines Vierzehnjährigen ertragen. Es war grauenhaft und in ihr kam der Gedanke auf, dass sie dem Tode sehr nahe war.
Paul hatte inzwischen seine Hose aufgeknöpft.
„Halt sie fest Max! Dominik, tritt ihr in die Fresse, wenn sie nicht ruhig wird!“
Max hatte inzwischen ihr Arme fest im Griff und die Gegenwehr von ihr ließ nach. Ergab sie sich nun in ihr Schicksal?
Max musste trotz nachlassender Aktivität seines Opfers ständig dessen Arme neu packen, sein Gewicht wieder auf sie verlagern oder auf Dominiks Hilfe durch gezielte Fausthiebe in Jackys Gesicht hoffen, damit er halbwegs die Gewalt über sie behielt.
Pauls Manipulationen an sich selbst waren erfolglos. Die Szenerie war einfach zu unmenschlich, zu abgefahren und zu gewalttätig, als dass er in diesem Moment auf sexuelle Reize angesprungen wäre. Auch, dass Max inzwischen die Kleidung vom Oberkörper gerissen und die Brust der jungen Frau offen gelegt hatte, trug nichts zu dem von ihm gewünschten Erfolg bei. Was würden bloß seine Kumpel von ihm denken, wenn er so unmännlich dastand? Die Antwort auf diese Frage war nur eine: absolute, Menschen verachtende und in der Konsequenz brutale Gewalt – er wollte die Frau töten.
***
Sie rannten in Richtung RMA. Dominik konnte nicht Schritt halten und fiel etwas zurück. Dadurch, dass er allein vor sich hin rannte und als Letzter um die Ecke zur RMA bog, konnte er durch eine letzte Kopfwendung noch einen Blick auf ihren Tatort erhaschen: Unmittelbar nach ihrem Überfall und der Flucht, kam das ältere Ehepaar, das Zeuge des Geschehens gewesen war, doch aus seinem Haus und eilte zu der leblos am Boden liegenden Jacky. Dominik war geringfügig erleichtert, verspürte aber große Angst, vor dem, was vor ihm lag.
Jacky überlebte trotz mehrerer Messerstiche in ihren Bauch die Attacke der drei Jungen.
2. KAPITEL
Die Straßen der nördlichen Großstadt mit dem ehemals anerkannten und bedeutenden Seehafen an einem Strom glänzten nass, als der alte 2012-er Mercedes CLS in die Steinstraße einbog. In diesem Viertel der „Pfeffersäcke“ ließ es sich im Vergleich zu anderen Großstädten der heruntergekommenen Republik noch erträglich leben. Man war unter sich: ehemals sehr Wohlhabende, die ihre einstigen Besitzstände durch Investition in ihren Wohnsitz „gerettet“ hatten. Beim Einbiegen in das Viertel musste er seine Fahrt verlangsamen, weil der Mitarbeiter des von den Bewohnern beauftragten Wachschutzunternehmens ihn kontrollierte. Der Mann erkannte den Insassen und winkte ihn durch. Fremde konnten zwar die Straße befahren, wurden jedoch von Angehörigen des Sicherheitsdienstes umgehend begleitet und beobachtet. Beim geringsten Anzeichen von anormalem Verhalten war der Wachschutz angehalten, die betreffenden Personen zur Rede zu stellen, einzuschreiten und im äußersten Falle auch festzunehmen. In diesem Viertel herrschte seit geraumer Zeit wieder etwas mehr Ruhe und die Klasse war „sortenrein“ untergebracht.
Der