Das Lachen des Pimmel-Gottes. Stanley Deschle

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Название Das Lachen des Pimmel-Gottes
Автор произведения Stanley Deschle
Жанр Короткие любовные романы
Серия
Издательство Короткие любовные романы
Год выпуска 0
isbn 9783957440693



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4

      Ich schickte das Dokument an meinen Lieblings-Redakteur, drehte mir eine Zig, öffnete das Fenster und sah rauchend hinaus.

      Die Sonne brach durch und ich sah über die roten Ziegeldächer der Häuser hinweg, die dastanden wie Rinder vorm Schlachthof. Ich war wie neugeboren in dem ruhigen Wasser des Sonnenlichts und mein Blick wurde weit.

      Wie wär’s Pierretot? Wolltest du nicht mal ein Buch schreiben? Oh ja. Ich bin ein Prinz. Nie wieder Erdgeschoss! In meiner Hochstimmung wusch ich die Wäsche und hing sie auf den Trockner. Danach öffnete ich eine Flasche Wein und setzte mich vor den Fernseher.

      Rita kam vom Sport zurück, bedankte sich für’s Wäschewaschen (hörte ich einen Verdacht in ihrem Tonfall? sah ich ihn in ihren Augen?) und fuhr dann zu ihrer Arbeit. Ich sah noch zwei, drei Stunden in die Glotze (Serien), dann ging ich auf den Balkon. Die Wäsche war trocken und ich hing sie ab.

      Die Herbstsonne brannte meinen Nacken. Es war schön mich brennen zu lassen wie Ton und zu schwitzen. Die Zweige der Baumkrone mit herabhängenden Blättern wie fettige Haare, standen müde in der windlosen Luft, hofften sich bald von der fettigen Blätterlast zu befreien.

      In ihrem Schatten auf dem Hof spielten und schrien Kinder. Ein Junge brüllte unentwegt »Feuerwehr! Feuerwehr!« An einem Camping-Tisch saß der selbsternannte Blocksenat und soff und tratschte und lachte und brüllte in rauen & tiefen Altstimmen die Namen seines Nachwuchses: »Christian« »Mike« »Dean«. In der Werkstatt kreischte die Säge. Es roch nach Harz. Im Hintergrund rauschte der Verkehr wie das Blut der Stadt.

      In meiner Hosentasche klingelte mein Mobiltelefon. Ich nahm ab und klemmte es zwischen Ohr und Schulter wie eine Geige.

      »Frank«, sagte ich.

      »Ja Jean, hallo«, sagte er.

      »Sei mir gegrüßt. Wie geht’s dir?«

      »Na ja, bin halt auf Arbeit. Tja … Hör mal Jean, was du mir heute morgen geschickt hast …«

      »Ja?«

      »Das kann ich so nicht drucken. Mann, warst du besoffen gestern, oder was?«

      »Ich trinke nie so viel, dass es mein Schreiben beeinflusst.«

      »So? Dann muss ich mir wohl ernsthaft Sorgen machen.«

      »Was denn?«

      »Was denn? Jean, das ist wenig oder nichts, was du da zusammengelabert hast. Sonst schreibst du blutige Leber mit Zwiebeln und das hier ist Zwieback mit Honig. Ich kann das so nicht bringen.«

      »Jetzt sei doch mal ein bisschen offen, Frank. Die waren gestern wirklich außerordentlich.«

      »Besonders die Kleine, was? Diese Freita so-und-so.«

      Ich hörte auf Wäsche abzuhängen und nahm das Telefon in die Hand. In der anderen hielt ich ein Paar Socken meiner Tochter Marianne.

      »Worauf willst du hinaus, Frank?«

      »Worauf willst du hinaus? Das ist die Frage. Wenn du mit der Alten im Bett gelandet wärst, dann wäre das eine Kritik von John P., die man verkaufen kann. Eine die glaubwürdig ist. Ich muss dir das doch nicht erklären, oder Jean? Du weißt doch, wie ᾽ s läuft?«

      »Ja, Frank.«

      »Na dann, erzähl mal: was hat die dir denn gegeben? Hat sie dir die Falten aus dem Sack gelutscht?«

      »Du bist ekelhaft, Frank.«

      »Deine Kritiken waren ekelhaft und das wollen die Leser von dir. Dies hier …«

      Es klang Spott mit in diesem »dies hier«, verstärkt durch die folgende kleine Pause.

      »Dies hier ist eine kritiklose Eloge und John P. schreibt keine kritiklosen Elogen.«

      »Und wenn ich mir ein neues Pseudonym zulege?«

      »Welches? Adelheid Zuckerschlund?«

      Ich musste lachen.

      »Warum nicht?«

      »Wach auf, Jean! Das gibt’s schon. Dafür brauche ich dich nicht und dafür bezahle ich dich nicht. Setz dich auf deinen Arsch und schreib was Ordentliches. Oder du füllst besser deinen Harz4-Antrag aus, kapiert?«

      »Kapiert, Frank.«

      »Viel Erfolg, Jean. Mach’s gut.«

      »Tschüs.«

      Ich legte auf. Ich hängte weiter Wäsche ab. Dann trug ich Mariannes Klamotten in ihr Zimmer und sortierte sie in den Schrank ein. Ich kehrte zurück, nahm den nächsten Stapel und ging ins Schlafzimmer zum Kleiderschrank, legte meine und Ritas Sachen hinein.

      Plötzlich hielt ich inne; ich konnte nicht mehr weiter. Ich starrte in die hohle Sinnlosigkeit des Schrankes, auf Stapel Unterwäsche, Hemden, Socken und so fort. Ich hielt es nicht mehr aus.

      Ich warf den Rest hinein. Ich knallte die Schranktür zu. Ich hastete durch die Wohnung, wild vor Wut. Im Flur nahm ich ein Bild von der Wand, hielt es vor mich hin und ich wollte es zerbrechen, doch plötzlich fehlte mir die Kraft; mein Arm sank herab; das Bild fiel zu Boden.

      Ich rannte ins Wohnzimmer, fand die korrigierten Seiten, überflog sie. Ich knüllte sie zusammen, knurrte, schrie, zerrte an dem Knäuel, biss hinein, spuckte, warf es an die Wand, bollerte mit den Fäusten gegen meinen Kopf. Auf dem Tisch vor dem Fernseher sah ich die Weinflasche in kalter Arroganz dastehen. Ich nahm sie und trank drei, vier große Schlücke. Dann stand ich an die Wand gelehnt da, knaupelte Stücke aus der Rauhfaser und dachte nach.

      Frank, dieses Arschloch!

      Aber so lief᾽s in der Welt. Ja, er hatte recht. Hilft nichts, Pierretot. Du musst noch mal schreiben. Dichte ihnen Lüge auf Lüge wie die Bibel. Hauptsache, sie haben wieder ihren John P. Ein Schriftsteller muss hin und wieder so etwas machen und wenn er gut war, fiel es nur wenigen auf.

      John P.

      So was Lächerliches!

      Scheiß auf John P.!

      Es ist alles so eng hier.

      Ich dachte darüber nach, ob es noch andere Möglichkeiten gäbe, Geld zu verdienen. Bankraub? Ha; ich wurde romantisch; ich wurde sentimental: ich dachte zurück an die Zeiten vor John P., damals nach dem Studium: ich hatte geschrieben wie ein Besessener, wie ein Zelot. Wie lange hatte ich gebraucht, diesen Stil zu entwickeln; wie hatte ich dafür gelitten!

      Dann der erste Artikel in einer kleinen Wochenzeitung. Dann irgendwann hatte ich mit John P. unterschrieben und meine Seele war verkauft. Nicht an den Teufel; schlimmer: an die Menschen.

      Der Wein begann zu wirken. Ich trank ihn rasch aus und setzte mich vor den Bildschirm des Rechners: das künstliche Weiß – es war gar kein Weiß – der leeren Seite flimmerte mich an. Ich glotzte zurück; und es passierte: nichts.

      O wie muss ein Schriftsteller leiden; aber musste er? Wofür? Ein ganzes Leben lang Kampf: Ansturm der Ein-Mann-Armee gegen die Bollwerke des Stumpfsinns, der Ödnis und Flachheit; gewappnet mit der Feder der Wahrheit gegen Atombomben der Ignoranz. Wofür? Den Ruhm der Nachwelt? Das ist eine Illusion, eine Falle.

      Der berühmte Schriftsteller ist kaum kalt, schon fangen sie an, ihn zu entstellen, zu verfälschen, ihn in Lehrpläne und Doktorarbeiten einzuflechten und es bleibt ein Scheiß-Haufen von Lügen, der stinkt bis zum Olymp hinauf.

      Unterdessen macht sich eine nächste Generation Schriftsteller auf, verführt durch den großen, verehrten Scheiß-Haufen ihrer Vorgänger und schreibt und leidet und verzweifelt und schreibt.

      Und die Götter kotzen Tränen; sollen sie. Alles, was sie noch wollen, ist ihre Ruhe.

      Pierretot, reiß dich zusammen. Wenn nötig, trink einen Schnaps und dann treib sie alle noch mal über die Hürden. Denn du weißt, du hast einen Vorteil vor den anderen: DEINE LIEBE IST STÄRKER.

      Ha!

      Ich