Das Lachen des Pimmel-Gottes. Stanley Deschle

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Название Das Lachen des Pimmel-Gottes
Автор произведения Stanley Deschle
Жанр Короткие любовные романы
Серия
Издательство Короткие любовные романы
Год выпуска 0
isbn 9783957440693



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Mond. Der Schnaps begann zu wirken.

      Da sprang unvermittelt etwas dazwischen, wie das bröselnde Knirschen einer Diele in der Stille der Nacht. Es berührte mich wie vereinzelte Regentropfen. Ich kannte dieses Gefühl und ich mochte es nicht: jemand beobachtete mich wie eine Katze ihren schlafenden Besitzer. Und dieses Ding hinter meiner Empfindung war stark wie ein Mann. Verunsichert trank ich von dem Schnaps in meinem Flachmann, aber er wehrte sich, krallte sich in meinen Hals; ich musste husten.

      Ha, du Schriftsteller, wie machtlos du bist. Dich können sie heute Abend noch richtig durchnehmen, die Mundwinkel aufschneiden, die Finger zertreten; wenn du daraus nichts machst, kein großes Stück Schrift, interessiert es keine Sau, du bekommst nicht einen Pfennig dafür. Wie arm, wie machtlos, wie sagenhaft, wie groß, wie ewig.

      Ich beschloss, Eine zu rauchen, nur um meine Gefühle zu glätten und ging raus.

      Hell brannte die Glut, denn ich zog heftig; der Qualm stieß hervor wie aus einer Halsschlagader. Es war warm und ich zitterte.

      Meine Güte, dachte ich, was bist du nur für ein Feigling? 42 und schüchtern wie eine Jungfrau. Dort drinnen ist die Kraft, gut; aber hier ist auch eine, verdammt. Also los, du Schriftsteller, nimm es auf Augenhöhe, dann wird ᾽ s so schlimm nicht werden. Ich schnipste die Zig fort, sie schoss davon wie ein Torpedo.

      Drinnen ging ich zur Theke und kaufte mir ein Bier. Ich stellte mich wieder in meiner Ecke auf. Diese seltsame Kraft war nicht zu spüren und ich betrog mich, indem ich sie für schwach hielt. Denn sie kam plötzlich zurück, warf sich auf mich, vehement wie ein Vergewaltiger. Ich blickte mich um, suchte die Gesichter der Leute ab. Wenn sie mich so sehen, dachte ich errötend. Ich starrte auf den Boden: Mann, du brauchst neue Schuhe, Pierretot.

      Neben mir hing ein Plakat hinter Glas. Im Spiegelbild spähte ich weiter. Da, endlich, eine Bewegung: eine Gestalt löste sich aus der wurmartigen Masse Mensch und kam auf mich zu. Ich drehte mich um, einen Schluck aus dem Flachmann nehmend. Meine Blicke fielen auf das helle Gesicht einer jungen Frau. Blonde Löckchen, wippend und schaukelnd wie Kinder am Klettergerüst; ein kleiner, lieblicher Mund, der lächelnd winzige weißgelbe Zähne entblößte; dunkle, graue Augen, schimmernd im Glanz einer alten Seele; und ich sah in diese Augen wie in einen Bergsee: tja, sie war es. Vor ihr war ich geflohen. Sie schien so um die Mitte Zwanzig. Ich nahm mich zusammen.

      »Guten Abend«, sagte ich. (Guten Abend? Na dann: gute Nacht, du Schriftsteller)

      »Ja, hallo«, sagte sie, ihr Lächeln nicht einmal unterbrechend.

      Ich stand stumm hölzern da.

      »Du ist neu hier, stimmt’s?«

      »Mmph, ja.«

      »Ja, wie ich dich gesehen hab, da dachte ich gleich, der gehört nicht hierher.«

      Gut, das war ein Angriff. Ich musste nach vorne kommen.

      »Jaja, schon gut«, sagte ich. »Und du? Kommst du häufiger hierher?«

      »Ja«, lachte sie.

      »Und? Was ist das hier? Was will das hier?«

      Sie wich ein wenig zurück, sagte »ähh«, zog die Brauen zusammen. Ich stand locker, meine Befriedigung unter Arroganz verbergend.

      »Wer warst du gleich noch mal?«, sagte sie in einem schrillen Ton, ihre Verunsicherung offenbarend.

      »Verzeihung. Jean Pierretot, Schriftsteller, Journalist. Ich werde über dieses Konzert im Auftrag der S… Zeitung berichten. Sie – Entschuldigung – du heißt, bitte?«

      Ich holte meinen Notizblock und Stift hervor.

      »Freita Torn.«

      Ich schrieb.

      »Schong Piä…«, sagte sie.

      »Jean Pierretot«, sagte ich, meinen Presseausweis vorzeigend, innerlich meinen Eltern dankend für diesen Namen; ein herrlicher Stolperstein.

      »Und nun?«, fuhr ich rasch fort. »Was ist das hier? Was will das hier?«

      Sie holte tief Atem und nach einer kurzen Pause begann sie zu erzählen, versuchend das Tempo einzuhalten, welches ich durch knappe Gegenfragen voranpeitschte. Sie schlug sich ganz gut; soweit ich das beurteilen kann. Ein paar Flachheiten, aber nicht zu viele; sonst offenen Geistes, informiert, ausgewogen.

      Soweit ich das beurteilen kann. Eigentlich studierte ich sie: ihre Bewegungen, die Sprünge ihrer Lippen wie Rodeo-Ponys, ihre schnellen Augen zuckend wie Tänzer, der Atem in ihrer Kehle, sich rührend wie ein Flaschengeist; die kleinen Pickel und Fehler ihrer Haut, wie Muscheln im Küstensand.

      »Das Konzert ist von mir«, sagte sie.

      Ich erwachte.

      »Von dir?«

      »Ja. Das steht doch alles im Programm …«

      Jemand rief ihren Namen.

      »Gut, ich muss«, sagte sie, mir ein warmes Lächeln schenkend, ein wenig verwirrt, ängstlich, froh. »Bis später vielleicht.«

      Ich reichte ihr die Hand. Sie gab mir ihre; ich hielt sie zärtlich wie eine Frauenbrust.

      »Vielen Dank und viel Erfolg«, sagte ich und gab ihrer Hand einen sanften, kurzen, warmen Druck. Als sie ihre Hand zurückzog, strichen meine Fingerspitzen über ihre Handfläche. Im Fortgehen sah sie sich noch einmal nach mir um, erstaunt, verschreckt, ihre Blicke so splitternackt weich. Man rief erneut nach ihr. Sie ging die Treppenstufen hinauf.

      Ich sah ihr nach: ihr fester, kleiner Hintern arbeitete unter dem blauen Jeansstoff, winkte mir zum Abschied. Wie Picasso, mit wenigen harten Strichen, skizzierte ich ihn auf den Notizblock.

      Aus meiner Bierflasche nahm ich einen triumphierenden Schluck. Hoch, fast senkrecht hielt ich die Flasche, wie eine Fanfare. Heil Pierretot, dem großen Bezwinger. Wie ergeben, weit lag die Welt vor mir, wie reife Felder, ähren-schwanger, schwer vor Lust. Heil Pierretot!

      Auf meine Anfrage hin schenkte mir jemand das Programmheft: eine kleine Broschüre, schwarzweiß gedruckt. Wirklich es stimmte: Freita Torn, Komposition, Regie. Ich exte mein Bier; es war warm und schal geworden. Rülpsend sah ich auf den Notizblock. Außer der Skizze vom Hintern der Komponistin stand da:

      Klopapier einkaufen

      Butter

      (Krikelkrakel)

      Freita Torn usw. blabla

      (Krikelkrakel)

      Komponist??? Haha

      Heil Pierretot!

      Mit einem neuen Bier in der Hand betrat ich den Konzertsaal und setzte mich in eine der hinteren Reihen. Hier schien wirklich einmal ein Kino gewesen zu sein: die Sitzreihen fielen zur Bühne hin ab; die Wände und Sitze waren mit Samt bespannt; links hinter mir kippte ein braun gealterter Lautsprecher krächzende, knirschende Laute über mich wie eine Kohlen-Schütte.

      Leute rauchten. Ich steckte mir eine an.

      Viele Plätze waren leer.

      Das Licht wurde gedimmt und die Musik setzte ein. Eine Band spielte auf der Bühne, da wo früher die Leinwand des Kinos gewesen sein musste. Verschiedene Instrumente lagen dort herum, wie verstreute Kleidungsstücke.

      Ich schrieb: amerikanischer Einfluss, Chicago, Jazz, Blues, L.A. Rock etc. blabla. Aber ich ließ Block und Stift sinken, als die Stimmen einsetzten und von diesem Moment an war ich gefangen, herumgeworfen, purzelnd in einer Welt ohne Worte.

      Freita dirigierte vom Schlagzeug aus. Die Sänger standen im Publikum (interessant, aber überflüssig); sie sangen korrekt, natürlich, erfrischend. Endlich sang Freita selbst. Ich war wie vom Blitz gerührt: wie sie kletterte, sprang, auf einer Welle ritt, die sie irgendwo aus diesem jungen, schlanken Frauenkörper rausholte, unklar woher. Ich war nackt, meine Kleidung und meine Haut hatte sie mir abgestrichen. Und doch schwitzte ich, schwitzte wie ein Schwein; meine