Böse Affen. Ilka Sokolowski

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Название Böse Affen
Автор произведения Ilka Sokolowski
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783866741126



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erledigt, die Lotusblüten trieben im Wasser und sahen hübsch aus. Überhaupt hatte sich der ganze Stand wie durch Zauberei in eine durchdachte Anlage verwandelt, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Der asiatische Miniaturgarten zog jedenfalls sofort die Aufmerksamkeit auf sich, ebenso das riesige Banner mit den drei Affen und dem Schriftzug Black Ape One. Kong Solutions, das in der Zwischenzeit über die gesamte Rückwand des Standes ausgebreitet worden war.

      Black Ape? Schwarzer Affe? Klang wie etwas, das man rauchen konnte. Und das einem anschließend üble Halluzinationen bescherte.

      |37|Leo starrte es an. Das gleiche Logo wie auf dem Smartphone in ihrer Tasche.

      Zwei Mitarbeiter Kongs, die sie vorher noch nicht gesehen hatte, waren eifrig damit beschäftigt, letzte Stäubchen von den glänzenden Oberflächen zu wischen und etwaige Fingerabdrücke von den ausgestellten Handys wegzupolieren, alle mit diesem auffälligen Affen-Logo.

      Eine nervöse Spannung lag in der Luft, das Gerücht, dass die Kanzlerin und ihr Wirtschaftsminister bereits eingetroffen seien, flog von Stand zu Stand. Mister Kong war nirgends zu sehen, aber vermutlich würde er jeden Moment hier aufkreuzen. Zeit zu verschwinden. Leo warf einen letzten Blick auf das Banner und tastete nachdenklich nach Ken Zhangs Handy in ihrer Tasche.

      Draußen vor der Messehalle blieb sie einen Moment unschlüssig stehen. Ein Polizeihubschrauber flog über dem Messeschnellweg, kam näher und begann, dröhnend über dem Messegelände zu kreisen. Leo bog in die Europaallee ein.

      In der Polizeistation hatte die neue Schicht begonnen. Eine junge Frau mit rot gefärbtem Stoppelhaar saß hinter einem Computer, ein älterer Mann telefonierte.

      Der rote Igel sah vom Bildschirm auf. »Ja bitte?«

      »Ich hab nur eine Frage, wegen des Toten in Halle 24 … wegen Ken Zhang.«

      Die Polizistin blickte freundlich, aber wachsam.

      »Weiß man inzwischen schon, ob er … ich meine, wie er …« Plötzlich konnte Leo die einfache Frage nicht mehr formulieren.

      »Die Todesursache?«

      Leo nickte.

      |38|»Warum interessiert Sie das?«

      »Er war ein Kollege«, behauptete Leo. Es gelang ihr, einen selbstverständlichen Tonfall zu treffen. »Und zwar ein sehr netter«, fügte sie vorsichtshalber noch hinzu.

      Der Beamte hatte sein Telefonat inzwischen beendet und wandte sich um. »Wie ist Ihr Name?«

      »Leonore Heller.«

      Er durchblätterte einen Papierstoß.

      »Wir können Ihnen keine …« setzte seine Kollegin erneut an, doch offenbar hatte die Prüfung der Unterlagen ein interessantes Ergebnis; möglicherweise stand auch nur Leos Name auf irgendeiner verdächtigen Liste.

      »Wie war denn die Party?«, fragte der Polizist.

      »Was für eine Party?«

      »Nun kommen Sie schon. Haben Sie als nette Arbeitskollegin nicht mal den einen oder anderen Joint mit Herrn Zhang geraucht? Vielleicht auch letzte Nacht? Natürlich ohne die zugegeben vage Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass jemand ertrinken könnte, weil er völlig zugekifft ist. Leider ist genau das passiert.« Der Blick, den er Leo zuwarf, war rasiermesserscharf.

      »Zugekifft?«, echote Leo dümmlich, während ihre Gedanken rasten.

      »Zugekifft. Stoned. Der Zustand, den man nach intensivem Genuss von Haschisch erreicht«, fiel die Rothaarige ein. »Oder von anderen Drogen. In diesem Fall ein mordsmäßiger Joint. Solche Formen der Freizeitgestaltung sind Ihnen natürlich völlig unbekannt, nehme ich an.«

      Falls das eine sarkastische Bemerkung sein sollte, war sie an Leo verschwendet.

      |39|»Es gab keine Party, jedenfalls nicht mit mir. Und außerdem bevorzuge ich Rum«, sagte sie mechanisch und ließ einen irritierten Igel und dessen kopfschüttelnden Kollegen zurück.

      |40|3

      Bei Wang Li herrschte an diesem Abend Hochbetrieb. Als Leo ihr Rad am Imbiss vorbei in den Hof schob, wurde schon die Küchentür aufgerissen:

      »Leo, kannst du helfen?« Su Jings rundes Gesicht war gerötet von Aufregung und Küchenhitze. Leo spähte an ihr vorbei in die Küche. Eine der alten Frauen saß am Tisch und zerlegte mit zittrigen Händen ein Hühnchen, während Wang Li am Herd stand. Dem sehnigen kleinen Mann mit dem zerfurchten Gesicht fehlten die rechte Daumenkuppe und das erste Glied des linken kleinen Fingers, was ihn aber nicht hinderte, akrobatisch mit schweren Eisenpfannen und brodelnden Töpfen zu hantieren. Andeutungsweise hatte Leo von früheren Problemen mit der chinesischen Mafia gehört, aber niemand sprach darüber und sie hütete sich, nachzufragen. Chinesische Kochmesser waren jedenfalls höllisch scharf, und Leo nahm sie nur mit äußerstem Respekt in die Hand.

      Su Jing wirkte völlig aufgelöst.

      »Die andere Tante ist bei Jian, er hat Zahnweh, und der ehrenwerte Onkel braucht dringend jemanden für das Gemüse, und ich muss bedienen!«

      Im Handumdrehen fand sich Leo mit Schürze und Messer vor einem Berg Möhren, Paprika, Chinakohl, Pak-Choi-Salat und Pilzen wieder. Die Frau fürs Gemüse. Irgendwie ganz passend.

      Wang Li lächelte, dass sein Silberzahn aufblinkte, und auch die alte Frau bedachte Leo mit einem freundlichen Nicken, |41|aber die seltsame Spannung zwischen ihnen und Su Jing war fast mit Händen zu greifen. Keiner sah den anderen an, und geredet wurde auch nicht. Eigenartig. Ob sie sich gestritten hatten?

      Wortlos verschwand die junge Chinesin nach vorn in den Gastraum, wo sämtliche Tische besetzt waren.

      Leo schnitt, hackte und säbelte, was das Zeug hielt und hatte kaum Zeit zum Luftholen. In Wang Lis Pfannen und Töpfen zischte und brodelte es, es roch nach heißem Öl, frittiertem Krabbenfleisch und scharfen Gewürzen, und bald rann ihr der Schweiß herunter. Nach einer Stunde war das Schlimmste überstanden und ausreichend Gemüse auf Vorrat in Schüsseln verteilt.

      »Braucht ihr mich noch?«

      Su Jing, die den ersten Schwung der bestellten Gerichte serviert hatte, ließ sich auf einen Stuhl fallen und schüttelte erschöpft den Kopf. »Danke, dass du geholfen hast. Jetzt kann ich weitermachen.«

      »Auch von mir Dank«, sagte Wang Li vom Herd her mit einer kleinen Verbeugung, ohne Su Jing zu beachten. »Und jetzt etwas essen, bitte.«

      Für gewöhnlich war das der Zeitpunkt, an dem Leo sich mit einem gefüllten Teller an den Küchentisch setzen konnte. In dieser seltsamen Atmosphäre stand ihr jedoch nicht der Sinn danach, ganz zu schweigen davon, dass sie nach dem Gemüse noch einen Berg von Gedanken abzuarbeiten hatte. Sie murmelte etwas von Müdigkeit und einem anstrengenden Tag, bekam ihr Essen in einer Aluverpackung in die Hand gedrückt und war froh, dass sie sich verkrümeln konnte.

      Ob es an der Messezeit lag, dass alles so schräg lief? Illegale |42|Affen, Handys in Blumenkübeln, zugekiffte Tote in Lotusteichen, eine wie umprogrammierte Su Jing … Fehlte noch was? Ach ja, ihre Kündigung, auch nicht ganz unwichtig.

      Leo legte das Smartphone vor sich auf den Tisch, während sie zu Abend aß. Wenn es kein Missgeschick gewesen war – und eigentlich konnte niemand so blöd sein, das zu glauben, jedenfalls nicht in nüchternem Zustand –, wenn Ken Zhang das Ding also absichtlich im Bambuskübel verscharrt hatte, dann wollte er entweder: dass es weggeworfen/entsorgt/in Vergessenheit geraten würde. Oder: dass sie es fand.

      Vielen Dank, dachte Leo. Ein Ding, das Ken so dringend loswerden wollte, mochte sie auch nicht haben. Erst recht nicht, nachdem er tot war.

      »Zugekifft ertrunken«, murmelte Leo. »Dass ich nicht lache.«

      Sie schob den Teller beiseite, griff sich das Smartphone und schaltete es ein. Auf dem Display auf der Innenseite der Abdeckung erschienen kurz die drei Affen, danach ein blinkender Strich. Offenbar sollte sie eine PIN eingeben. Klasse. Das war’s dann also schon.

      Nein.