Hacke, Spitze, Tor. Группа авторов

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Название Hacke, Spitze, Tor
Автор произведения Группа авторов
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783865069061



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dem Torwart schimpfen. Armes Würstchen, denkt der Trainer. Dabei hat ihn doch erst der katastrophale Rückpass unter Druck gesetzt. Warum sind eigentlich gerade die Mütter so überehrgeizig und kreischen ständig am Spielfeldrand rum? Die Väter geben zwar auch altkluge Sportschaukommentare ab, was extrem lästig ist. Aber die Mütter …

      Pep – sein bürgerlicher Name Clemens Schnittgras hat zum Mannschaftsruf „Heu, heu, Heu“ geführt – lässt sich nur kurz ablenken.

      „Lunge! L U N G E!“

      Sein Innenverteidiger drömmelt kurz hinter der Mittellinie in der eigenen Hälfte rum. Manchmal ist er bei den Samstagsspielen geradezu abwesend. Pep weiß auch den Grund. Genauso gern, wie Laurentin mit Caro Fußball spielt, geht Lunge mit ihr zur Jungschar des CP, der Christlichen Pfadfinder. Jetzt nestelt der Junge an seiner Leggins, die ihn vor Schürfwunden auf dem Ascheplatz bewahren soll. Lunge sieht und hört gar nicht, was sein Trainer von ihm will. Vor allem, weil er sich ein Wortgefecht mit einem Gegenspieler liefert, mit dem er im Spiel schon einige Male aneinandergeraten ist.

      „Los, ab in den Strafraum, mach das entscheidende Tor.“ Pep brüllt sich die Lunge aus dem Leib. Mit seinen Armen wedelt er rum wie Kloppo, der versucht, gegen das Geschrei der Dortmunder Südkurve die Aufmerksamkeit eines Spielers zu finden.

      Endlich nimmt Lunge die Schreie und wilden Armbewegungen wahr. Und läuft los. Genau das ist eine seiner Stärken: quer über den Platz nach vorne sprinten und bei vertaner Chance oder Ballverlust genauso schnell wieder zurück. Auf jeden Fall schneller, als der Gegner bei seinem Konter dem Tor gefährlich werden kann.

      Diesmal kommt Lunge nicht weit. Noch im Mittelkreis fällt er ziemlich platt auf die Nase. Sein Gegenspieler, der auch Peps hektische Anweisungen mitbekam, hat im entscheidenden Moment mal kurz am Trikot gezupft. Ein klares Foul. Nicht sichtbar für den Schiri, denn der ist zu sehr mit der Eckballsituation und dem Gerangel im Strafraum beschäftigt. Und er bekommt auch nicht mit, dass sich die Jungs weiter mit Worten und Händen beharken, nachdem sich Lunge-Laurentin aufgerappelt hat.

      Hinter der Absperrung am Spielfeldrand findet die Auseinandersetzung der beiden Elfjährigen ihre Fortsetzung im Erwachsenenkreis. Eine blondierte Mutter spricht von gesunder Härte, die ihr Sohn – Typ Brecher – nun endlich einmal auf den Platz bringt. Gleichzeitig weist ein – auch von der Mutter – genervter Vater von Laurentin auf ein taktisches Foul hin, das dringend eine Karte – möglichst eine rote – erfordert. Das Problem: Die beiden stehen eng beieinander. An der Schnittstelle der Raintaler und der Hortheimer Eltern.

      Und so bleibt es nicht aus, dass die beiden sich wegen ihrer Söhne in ein Wortgefecht verwickeln. Würde der Schiri die Rangeleien auf dem Platz unterbinden, würde die Stimmung hinter der Bande auch nicht hochkochen. Aber der hat nichts gesehen. Oder wollte nichts sehen.

      So nehmen die Dinge ihren Lauf.

      Lunge-Laurentin kommt mit lädierter Nase im Strafraum an.

      Caro steht immer noch an der Eckfahne. Mit dem linken Fuß tippt sie auf den Platz, hebt die rechte Hand und zeigt drei Finger. Gleichzeitig wischt sie sich mit dem Schweißband am anderen Handgelenk den Schweiß von der Stirn. Drei Finger der rechten Hand. Das verabredete Zeichen: Ich bringe den Ball auf die Mitte zwischen Fünf-Meter-Raum und Elfmeterpunkt.

      Eine gute Idee bei einem verunsicherten Torwart. Er wird auf der Linie kleben bleiben und gegen einen platzierten Kopfball möglichst hoch ins Tor keine Chance haben.

      Lunge nimmt sich vor, vom Rand des Sechzehners genau dorthin zu laufen. Sein Gegenspieler ist wie ein Schatten bei ihm.

      Caro geht vier Schritte rückwärts, steht da wie ihr großes Idol „Pistolero“ Ronaldo: Beine gespreizt, die Arme leicht angewinkelt, als wolle sie einen Colt ziehen. Irgendwie passt der Auftritt nicht zu ihrer kruscheligen Lockenpracht, die sie mit Haargummis zu einem Pferdeschwanz gebändigt hat. Noch einmal der Wisch über die Stirn.

      Dann läuft sie an und kickt den Ball Richtung Tor.

      Mist! Leider kommt die Ecke zu kurz und geht auch noch gleich ins Toraus. Total verzogen.

      Schade. Chance vertan.

      Langsam traben die Spieler aus dem Sechzehner, der Torwart angelt sich den Ball, um ihn zum Abstoß hinzulegen.

      Zwischen Elfmeterpunkt und Fünfmeterraum – genau dort, wo die Ecke eigentlich hinkommen sollte – liegen Lunge und sein Gegenspieler. Als Lunge dem Ball entgegenlaufen wollte, hat ihn sein Gegenspieler am Hals umgerissen. Und ist selber über den Gefoulten gefallen. Jetzt rappeln sich beide wieder mühsam auf.

      Elfmeter war das natürlich nicht, wenn auch elfmeterreif. Aber kein Schiri würde einen Elfmeter pfeifen, wenn der Ball schon im Aus ist.

      Lunge hat sich richtig wehgetan, weil er das Knie des Foulenden in den Rücken bekommen hat. Ziemlich atemlos hat er zu allem Überfluss Mühe, seine Tränen zurückzuhalten. Das fällt seinem Gegenspieler natürlich auf: „Memme!“, kommentiert der die feuchten Augen.

      Für seine Mutter ist die Sache völlig klar: „Gesunde Härte“, meint sie am Spielfeldrand. Es scheint ihr Lieblingswort zu sein. Dann schiebt sie noch eine Allerweltsweisheit nach: „Schließlich sind wir hier nicht im Mädchenpensionat.“

      Lunges Vater ist inzwischen stocksauer, weil der Schiri das Foul nicht gesehen hat. Mal wieder. Oder den fälligen Elfmeter nicht pfeifen wollte. Und die Spielermutter an seiner Seite regt ihn mächtig auf.

      Irgendwie ist er auch sauer auf Pep, der es eine ganze Saison lang nicht geschafft hat, den Raintalern beizubringen, dass es in der D-Jugend rauer zugeht als zu friedlichen E-Jugend-Zeiten. Schön spielen ist gut und schön. Ein bisschen mehr Härte könnten die Jungs schon an den Tag legen. Und Caro natürlich auch.

      Die hat sich gerade den Ball erkämpft und versucht, an der linken Außenlinie Richtung Hortheimer Tor zu stürmen. Mit einem wunderschönen Übersteiger lässt sie einen Verteidiger kurz vor dem Strafraum ins Leere laufen, bleibt dann aber am gegnerischen Sechser hängen, der zu Hilfe geeilt ist.

      Mit einem langen Pass versucht der den Konter einzuleiten. Aber genau an der Mittellinie köpft einer seiner Mitspieler den Ball ins Seitenaus, statt ihn zu verlängern. Direkt vor den Eltern der beiden Kontrahenten bleibt die Kugel liegen.

      Lunge kommt angerannt, um den Einwurf auszuführen.

      „Laurentin, man darf sich auch wehren. Lass dir nicht alles gefallen!“ Herr Beyer spricht Lunge nie mit dem Spitznamen an. Aber macht jetzt eine klare Ansage: Wehr dich!

      Eigentlich müsste sein Sohn am Spielfeldrand behandelt werden, weil sein rechtes Knie blutet. Aber auch das hat der Schiri nicht gesehen. Blindfisch, denkt Herr Beyer. Laurentin wird der Kratzer nicht umbringen, aber gegen die Regeln ist es. Wenn einer blutet, muss er raus.

      Lunge bringt den Einwurf zu einem Mitspieler im Mittelfeld. Der leitet sofort den Angriff ein. Diesmal wird auf den rechten Flügel gespielt. Mit einem wunderbaren Doppelpass hebeln die Raintaler die Hortheimer Abwehr aus. Dann kommt die Flanke schön weit in den Strafraum. Aber der eben noch verunsicherte und gescholtene Torwart läuft raus und schnappt sich den Ball vor der einschussbereiten Caro. Das wäre die Entscheidung gewesen.

      Des Spieles und der Meisterschaft.

      Das Match geht hin und her. Im Gegenzug wird der Ball Richtung Außenlinie gepasst. Der linke Außenverteidiger der Raintaler ist noch zu weit vorne. Also muss Lunge aushelfen. Ausgerechnet sein Gegenspieler ist einen Schritt voraus. Kurz vor der Linie angelt der sich den Ball und will damit gerade lang nach vorne losdribbeln, als Lunge von hinten rankommt, mit einem langen Bein dazwischengrätscht und den Ball ins Seitenaus befördert. Eindeutig Ball gespielt, aber von hinten gegrätscht. Eine undurchsichtige Situation.

      Im Fallen versucht Lunge, den Fuß zurückzuziehen, was ihm aber nicht mehr gelingt. Über sein ausgestrecktes Bein stolpert sein Gegenspieler, rutscht über die Seitenlinie und knallt mit voller Wucht gegen die Werbebande.

      Herr Beyer hebt anerkennend den Daumen der