Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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Название Wörterbuch alttestamentlicher Motive
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Жанр Религия: прочее
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Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783534724758



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Zeitraum zwischen 750 und 690 v. Chr. überhaupt keine Rolle. Namentlich genannte, „historische“ assyrische Könige kommen eigentlich nicht vor. Dafür wird Assyrien als erstes Großreich der Geschichte in ein historisches Kontinuum gestellt, wobei das Augenmerk auf Anfang und Ende dieses Imperiums gelegt werden. Der Beginn wird mit einem eponymen König und einer großen Königin verknüpft (Ninos und Semiramis), das Ende in einem dramatischen Geschehen an einem verweichlichten und effeminierten König (Sardana-pal) festgemacht (ROLLINGER 2011b). Diese Potentaten spielen im AT überhaupt keine Rolle. Nur die in Nah 2,8 genannte assyrische Königin könnte man vielleicht mit dem Ende Ninives in Verbindung bringen, wie man auch die Jonageschichte als ein satirisches Spiel mit der Semiramis-Legende lesen kann (FRAHM 2011, 278f). Schließlich ist die Konzeption der Weltgeschichte als eine Abfolge von imperialen Großreichen eine Konzeption der klassischen Historiographie, die erst sekundär von Daniel aufgegriffen wird (WIESEHÖFER 2004). Trotz dieser vielfältigen Unterschiede, die vollkommen divergierende Traditionsströme und gegensätzliche Perspektiven verraten, ist eine Gemeinsamkeit unverkennbar: Auch der klassischen Überlieferung ist die Stadt Assur unbekannt. Wenn sie eine assyrische Metropole ins Auge nimmt, ist dies Ninos (Ninive). Im Kontext der biblischen Bücher hat man diesen Sachverhalt immer wieder mit dem Umstand zu erklären versucht, dass in der Zeit, die im AT besonders anschaulich dargestellt ist, Ninive die wichtigste assyrische Residenzstadt gewesen wäre (DIETRICH 2002, 115; FRAHM 2011, 271f.). Diese Erklärung vermag allerdings nicht gänzlich zu befriedigen. Schließlich kam der Stadt Assur als Kultort des für die assyrische Königsideologie so wichtigen Reichsgottes Assur gerade auch in sargonidischer Zeit eine wesentliche Rolle zu (LIVINGSTONE 1995). Assyrische Gouverneure waren verpflichtet, Opfergaben für Assur nach Assyrien zu schicken (HOLLOWAY 2002, 100–108). Auch nach dem Untergang der Stadt 614 v. Chr. gab es einen Kult des Gottes Assur in Uruk (BEAULIEU 1997), und das Gedächtnis an Assurbanipal wurde von babylonischen Schreibern bis in frühhellenistische Zeit bewahrt (GOLDSTEIN 2010). Außerdem ist in Assur selbst ein Kultbetrieb bis in parthische Zeit belegt (LIVINGSTONE 2009). Dass die Stadt trotzdem weder in biblischen noch in klassischen Quellen erscheint, ist eine Eigentümlichkeit, die somit nach wie vor einer überzeugenden Erklärung harrt, wie auch die Abwesenheit Assurbanipals in diesen beiden Überlieferungsströmen nur schwer verständlich ist (in der klassischen Überlieferung mag er sich hinter Sardanapal verbergen). Auch in jenen biblischen Büchern, die historische Traditionen bewahren, erscheint Assur in erster Linie als eine widerwärtige, gottesferne, selbstgerechte und überhebliche imperiale Macht. Der von den neuassyrischen Königen begründete imperiale Machtanspruch findet eine pointierte Charakterisierung in Zef 2,15: „Ich und sonst niemand“. Assur wird auf diese Weise zur Chiffre einer alles bedrohenden Weltherrschaft.

      Unter dieser Perspektive können auch der Perserkönig (Esra 6,22) oder Nebukadnezzar als Könige von Assur (Jdt 1,1) auftreten, wobei letzterer sogar in Ninive residiert (ROLLINGER 2009). Inwieweit religiöse Konzeptionen in den biblischen Büchern auf assyrischen Einfluss zurückgehen, ist in der Forschung umstritten. Auf entsprechende Anregungen wurden sowohl die Bundestheologie als auch der auf JHWH fokussierte Monotheismus zurückgeführt (LEVINE 2003; OTTO 1999). Die Diskussion darüber ist nach wie vor im Gange (FRAHM 2011, 279–285).

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