Verschollen in Ostfriesland. Ulrich Hefner

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Название Verschollen in Ostfriesland
Автор произведения Ulrich Hefner
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839270066



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sie weiß eine ganze Menge über Enno Ollmert.«

      Trevisan schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, ehe er sich erhob. »Gut, dann machen wir uns an die Arbeit. Vielen Dank, Kollege.«

      Als Trevisan neben Monika im Wagen auf dem Beifahrersitz Platz nahm, war seine Miene eher finster.

      »Was grübelst du?«, fragte sie.

      Trevisan zeigte auf den Ordner, den er im Fußraum abgelegt hatte. »Dieser Fall gefällt mir nicht. Janson ist gottfroh, dass er die Sache vom Tisch hat. Viel hat er nicht herausgefunden. Ich fürchte, wir müssen ganz von vorne beginnen.«

      »Okay, wo fangen wir an?«

      »Mit der Sekretärin.«

      »Dann gib mir die Adresse, damit ich weiß, wohin ich fahren muss.«

      3

      Rathaus Diekenhörn, Störtebeker-Platz

      Das Rathaus von Diekenhörn verbarg sich hinter zwei großen Platanen, die auf einem begrünten Vorplatz standen. Nur der hohe Turm inmitten des roten, modernen und dreistöckigen Backsteinbaus mit den großflächigen Glasfronten und der weit sichtbaren Turmuhr lugte zwischen den Bäumen hervor. Auf dem Vorplatz flatterten die Fahnen von Europa und Deutschland, gegenüber die Fahne Niedersachsens und die Fahne der Stadt, zwei gekreuzte Schwerter und darunter der friesische Adler. Die Fahne war in Schwarz und Weiß gehalten.

      Das Rathaus stand in Deichhagen, dem größten Teilort der Samtgemeinde. Diekenhörn selbst gab es als einzelnen Ort nicht. So etwas kam hier oben im Norden öfter vor.

      Rund um den Platz lagen die Geschäfte, darunter ein kleiner Einkaufsmarkt, eine Apotheke, zwei Modegeschäfte und ein Schuhladen, daneben gab es zwei Cafés, deren Außenbestuhlung nur durch die unterschiedlichen Farben der Sonnenschirme zu unterscheiden war. Die Cafés waren im Begriff zu schließen, und der Parkplatz war nahezu leer. Die Sonne stand bereits tief im Westen, dennoch war es recht warm.

      Monika und Trevisan betraten das Rathaus über die grauen Gehwegpflastersteine und das große Portal mit der Drehtür. Im Foyer war es überraschenderweise angenehm kühl. Hinter einem Empfangspult, an dem allerlei Prospekte und Kartenmaterial aus der Umgebung auslagen, saß ein älterer Herr im schwarzen Sakko und mit ergrauten Haaren.

      »Zu Frau Haferkamp«, sagte Trevisan zu dem Mann und nickte ihm freundlich zu.

      Der Mann zeigte hinter sich zur Wand, an der eine große weiße Uhr mit dem Emblem der Seenotrettung aufgehängt war. »Wir schließen in fünf Minuten.«

      Trevisan fasste in die Hosentasche und zog seine Kripomarke hervor. »Ich denke, Frau Haferkamp hat sicherlich noch für uns Zeit.«

      Der bärbeißige Pförtner griff zum Telefon.

      »Da sind ein Herr und eine Dame von der Polizei«, sagte er.

      Es dauerte ein klein wenig, bis er nickte. »Ja, zu Ihnen.«

      Nachdem der Pförtner aufgelegt hatte, wies er zur Treppe. »Dritter Stock, Zimmer 303, nach der Treppe rechts. Sie können aber auch den Fahrstuhl nehmen.«

      Trevisan bedankte sich bei dem Mann. Sie nahmen die Treppe, denn Bewegung tat gut. Vor dem Zimmer 303 blieben sie stehen.

      »Vorzimmer – Bürgermeister«, stand auf dem Türschild und darunter der Name der Sekretärin. Der Bürgermeister residierte im Raum 301, das Zimmer mit der Nummer 302 lag dazwischen. Trevisan klopfte.

      Frau Haferkamp öffnete mit gespannter Miene die Tür. Trevisan schätzte die Frau auf Mitte 60. Ihr ergrautes, zum Zopf gebundenes Haar lag eng am Kopf an. Mit dem dunklen Rock, der hochgeschlossenen weißen Bluse und der schwarzen Strickjacke darüber wirkte sie wie eine Nonne aus einem Kloster. Ihre Züge waren hart und streng.

      »Guten Tag, gibt es etwas Neues von Herrn Ollmert?«, fragte sie und ging einen Schritt zur Seite.

      Trevisan zeigte seine Dienstmarke. »Martin Trevisan und meine Kollegin Monika Sander. Wir sind vom 1. Fachkommissariat in Wilhelmshaven und haben den Fall übernommen.«

      Die Frau wies auf die Stuhlreihe an der Wand, an dem wohl normalerweise die Bittsteller Platz nahmen, die einen Termin mit dem Bürgermeister hatten oder anstrebten. Wie eine Sünderbank, dachte sich Trevisan, als er sich setzte. Monika nahm daneben Platz, während sich die Sekretärin hinter ihren Schreibtisch zurückzog.

      »Sie sind von der Mordkommission, richtig«, feuerte sie ihre erste Feststellung ab.

      Trevisan nickte. »Unter anderem bearbeiten wir Mordfälle.«

      »Ich kenne Sie aus dem Fernsehen, damals, vor einem Jahr, als dieser Fernfahrer ermordet wurde, da gab es eine Pressekonferenz.«

      »Kann sein«, bestätigte Trevisan. »Aber heute sind wir wegen Enno Ollmert hier. Er gilt noch immer als vermisst.«

      »Ja, der Arme, wer weiß, was da passiert ist.«

      »Wie lange arbeiten Sie schon im Rathaus?«, fragte Monika.

      Die Frau lächelte. »Schon mein ganzes Leben«, entgegnete sie. »Ich fing ganz unten an der Pforte an. Damals gab es das neue Rathaus noch nicht, da waren wir in Basdorf. Später dann beim Einwohnermeldeamt, und dann fragte mich Ollmerts Vorgänger, Bürgermeister Heese, ob ich mir vorstellen könnte, das Vorzimmer zu machen. Das mache ich nun seit elf Jahren.«

      »Wie war Ihr Verhältnis zu Herrn Ollmert?«

      Die Frau wackelte mit dem Kopf hin und her und blies die Wangen auf. »Na, was soll ich sagen. Er war immer korrekt zu mir, und er konnte sich auf mich verlassen.«

      Trevisan richtete sich auf. »Er soll manchmal ein klein wenig sorglos gewesen sein, hört man.«

      Wiederum plusterte sich die Frau auf. »Sorglos, na ja, er hatte manchmal nicht den richtigen Draht, mit den Dingen umzugehen. Hin und wieder verbummelte er einen Termin, aber sonst war alles in Ordnung.«

      »Und Herr Heese, sein Vorgänger?«, fragte Trevisan, der aus der Wortwahl der Frau erkannte, dass sich Ollmert wohl nicht immer so verhalten hatte, wie es sich Frau Haferkamp wünschte.

      Diesmal wuchs sie in ihrem Stuhl. »Gut, Herr Bürgermeister Heese war natürlich von ganz anderer Natur. Er kam ja aus der Verwaltung und kannte sich aus. Als er damals verkündete, dass er nicht mehr zu Wahl antreten wird, da dachten alle, eine Welt bricht zusammen. Aber gut, irgendwie musste es ja weitergehen.«

      »Ollmert wurde gewählt«, vervollständigte Monika den Gedanken der Frau.

      Sie wiegte den Kopf hin und her. »Sogar im ersten Wahlgang.«

      »Wer war der Konkurrent?«

      Frau Haferkamp winkte ab. »Ach so ein Rechtsanwalt aus dem Ruhrpott, da war es schon besser, dass ein Friese das Rennen macht. Schließlich gehören wir zu einer großen Gemeinschaft und haben gute Verbindungen untereinander. Nach Dornum oder Norden oder auch nach Westerholt. Hier hilft man sich. Wenn mal ein Baum auf der Straße liegt und wir sind in der Nähe, dann räumen wir ihn weg, auch wenn er bei denen aus Dornum liegt. Und die von Dornum sehen es genauso. Nein, war schon besser so.«

      »Ich verstehe«, entgegnete Monika. »Also ist er beliebt bei den Leuten.«

      Die Sekretärin griff zu einem Kugelschreiber, der auf dem Schreibtisch lag, und ließ ihn durch die Finger gleiten. »Zu Anfang schon, ich meine, er kam vom Fernsehen, ist sogar prominent, sieht gut aus, stellt etwas dar und kann sehr gut reden, aber er hätte sich manchmal auch an seine Worte halten sollen. Die Leute merken sehr schnell, wenn da nichts vorwärtsgeht.«

      »Das heißt, er redet viel und tut wenig?«

      »Manchmal ist eben Schweigen Gold«, entgegnete die Frau geheimnisvoll.

      »Ist deswegen seine Wiederwahl nicht sicher?«

      Wiederum wiegte Frau Haferkamp abschätzend den Kopf hin und her. »Na, sagen wir, es könnte knapp werden, denn es gibt einige aus dem Stadtrat, die meinen, wir wären