Mörderisches Taubertal. Heike Wolpert

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Название Mörderisches Taubertal
Автор произведения Heike Wolpert
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839269541



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begann die Vorstellung. Tim hatte nach den langen Dankesworten des Regisseurs und peinlichen Szenen Patricias nicht mehr darauf zu hoffen gewagt. Kaum war das Licht aus, öffnete Patricia ihre Handtasche und wühlte im Dunkeln darin herum.

      »Was ist denn los?«, knurrte er ihr zu.

      »Meine Vitaminpillen, ich hab vergessen, meine ­Vi­tamine zu nehmen. Warum hast du nichts gesagt?«

      »Pssst!«, zischte es von hinten.

      Patricia maulte weiter. »Du weißt doch, dass ich die immer pünktlich nehmen muss. Nicht umsonst habe ich so eine glatte und ebenmäßige Haut.«

      »Du bist hier nicht in einem Werbefilm!«, raunte er zurück. »Deine Tabletten kriegst du noch früh genug.« Zufrieden lehnte er sich in seinem Sitz zurück. Er hatte sie absichtlich nicht erinnert, sein Plan schien aufzugehen.

      »Aber ich …«, gab Patricia noch einige Dezibel lauter zurück.

      »Ruhe!«, »Pssst!«, tönte es nun von verschiedenen Seiten. Jemand stieß unsanft gegen Patricias Sitzlehne.

      »Meine Kontaktlinsen«, kreischte sie daraufhin. »Jetzt sind mir beide Kontaktlinsen runtergefallen!« Sie machte Anstalten, sich auf den Boden niederzulassen.

      Tim zerrte sie hastig auf den Sitz zurück. Carlo Castens räusperte sich vernehmlich.

      »Asoziales Pack!«, schimpfte jemand leise.

      »Ist da jetzt endlich mal Ruhe!«, donnerte ein anderer laut.

      Die Einblendung ihres Namens im Vorspann verpasste Patricia. »Ich sehe fast gar nichts«, jammerte sie.

      »Dann musst du halt hören«, wisperte Tim zurück, »und jetzt sei endlich still!«

      Unruhig rutschte seine Frau auf ihrem Platz hin und her, gab aber keinen weiteren Ton von sich.

      Tim wischte sich heimlich den Schweiß von der Stirn. Ein Kleinkind war einfacher im Zaum zu halten. Wie hatte er ihre Ungeschicklichkeit nur irgendwann einmal charmant finden können? Er atmete tief durch. Nicht mehr lange, dachte er. Bisher lief alles nach Plan.

      *

      Der anschließende Umtrunk fand im Rittersaal der Burgruine Wertheim statt. In dem Gewölbe mit der massiven Steinsäule standen dem Anlass entsprechend geschmückte Stehtische mit bodenlangen weißen Tischdecken, um die sich die Besucher zwanglos gruppieren konnten. Zwei Security-Leute in Ritterrüstung sorgten dafür, dass wirklich nur geladene Gäste Zutritt erhielten. Patricia und Tim benötigten keine Einladungskarte, um hineinzugelangen. Das »Chaos-Wunder« war bekannt.

      Tim schob seine Frau mit einem Nicken an den beiden Rittersleuten und ehemaligen Kollegen vorbei.

      Patricia kicherte. »Hihi, ich sehe nix.«

      Tim hatte darauf verzichtet, ihr ihre Ersatzkontaktlinsen zu geben. Für das, was er vorhatte, war der Zustand, in dem sie sich befand, ideal. »Dann musst du halt fühlen«, raunte er ihr ins Ohr.

      »Au, ja!«, sie versuchte, ihre Hand unter sein Hemd zu schieben.

      Schnell entwand er sich ihren Zudringlichkeiten. »Lass uns erst ein Glas Champagner trinken.« Er dirigierte sie zu einem der Tische und schnappte schnell zwei Gläser von einem der Tabletts, die als Burgfräulein verkleidete Serviererinnen umhertrugen.

      »Weißt du noch, wie wir es in meiner Garderobe bei den Dreharbeiten zu ›Liebestränen‹ getrieben haben?«, fragte Patricia im Flüsterton.

      Er sah sich hastig um. Zum Glück waren noch nicht so viele Menschen anwesend, die beiden Sicherheitskräfte am Eingang nahmen ihren Job ernst und so füllte sich der Rittersaal nur langsam. Es war der perfekte Zeitpunkt. »Nimm erst mal deine Vitamintabletten.« Er schob unauffällig ein Pillendöschen zuoberst in ihre geöffnete Handtasche.

      Patricia trank einen tiefen Schluck von ihrem Champagner. »Zu Befehl, mein Herr!«, schnarrte sie dann und zog einen Schmollmund. »Holst du mir gleich noch eins?«, deutete sie auf das zur Hälfte geleerte Glas und dann mit dem Kinn auf das Büffet am anderen Ende des Saales. »Und ein paar Häppchen. Dann ist deine liebe Patricia auch ein ganz braves Mädchen und nimmt ihre Pille.«

      Wie ihn dieses Kleinmädchengehabe ankotzte! Schnell wandte er sich ab. Aus den Augenwinkeln sah er sie in ihrer Handtasche wühlen. Ja, dachte er frohlockend, nimm sie endlich, deine Vitaminpillen!

      *

      Eilmeldung am Sonntagmorgen:

      Filmpremiere endet tödlich

      Die bekannte Schauspielerin Patricia Wunder wurde gestern Nacht in die Rotkreuzklinik von Wertheim eingeliefert. Die Mimin erlitt einen schweren Schock, nachdem für ihren Ehemann, Tim Mühle, zuvor jede Hilfe zu spät gekommen war. Das »Chaos-Wunder«, wie Frau Wunder von ihren Fans auch liebevoll genannt wird, gestand Presse und Polizei gegenüber, ihrem Gatten unter dem Namen »Viagra« bekannte Potenzpillen in den Champagner gemischt zu haben. Noch ist unklar, ob diese für das Ableben ihres ehemaligen Leibwächters verantwortlich sind.

      Gemäß ersten Andeutungen der Kriminalpolizei kann auch ein Suizid nicht ausgeschlossen werden. Einer anonymen Quelle zufolge hat der Verstorbene in einem Chat im Darknet nämlich nach morphiumhaltigen Tabletten gefragt. Diese gelten als starke Schmerzmittel, machten jedoch in der letzten Zeit auch als Mittel bei Selbsttötungen von sich reden. Mit dieser Tatsache konfrontiert, ist Frau Wunder erneut in Tränen ausgebrochen. Sie habe ihren Ehemann keinesfalls mit ihrem Bedürfnis nach Liebe unter Druck setzen wollen, beteuerte sie gegenüber der Presse. Tatsächlich sei er in letzter Zeit allerdings kaum noch seinen ehelichen Pflichten nachgekommen, weshalb sie ihn gelegentlich geneckt habe.

      Die Obduktion und somit Feststellung der tatsächlichen Todesursache ist für den heutigen Tag geplant und bringt hoffentlich endgültige Klärung, ob Selbstmord vorliegt oder ein Unfall .

      Patricia Wunder befindet sich auf dem Wege der Besserung und hat für den Herbst ihre Memoiren angekündigt.

      02 – Bis dass der Tod uns scheidet

      (Bronnbach; Kloster)

      »Darf ich?« Sie sah Frank aus dunklen Knopfaugen erwartungsvoll an. Ein geriatrisch verkrümmter Finger deutete auf den schmalen Platz links von ihm. Wenn er ehrlich war, wäre er lieber für sich allein geblieben. Doch zahlreiche Besucher bevölkerten an diesem sonnigen Sommernachmittag das Klostergelände und freie Ruheplätze wurden zur Mangelware. Wer war er da, einer alten Frau eine Sitzgelegenheit zu verwehren? »Gerne«, log er deshalb und rückte etwas zur Seite.

      Die ältere Dame ließ sich neben ihm auf der Parkbank nieder. Mit ihren weißen, zum Dutt hochgesteckten Haaren und dem altmodischen dunkelblauen Kostüm mit dem weißen Spitzenkragen sah sie ein bisschen so aus wie eine der beiden mörderischen Schwestern aus dem Film »Arsen und Spitzenhäubchen«.

      Sie stöhnte. »Ach, die alten Knochen wollen manchmal einfach nicht mehr so recht«, erklärte sie dann. »Da strengt einen das lange Stehen an. Und die Pflanzen hier kenne ich sowieso alle schon.« Ihr Blick wanderte über den Außenbereich des Klosters Bronnbach und blieb an der kleinen Gruppe hängen, die sich soeben zu einer Gartenführung versammelte. »Und Sie?«, wollte sie dann von Frank wissen. »Wollen Sie sich nicht hier umsehen? Es lohnt sich. Sie könnten zum Beispiel das Kloster besichtigen, wenn der Garten Sie nicht so interessiert.« Diesmal zeigte ihr Finger in Richtung des historischen Gebäudes. »Obwohl, der Außenbereich ist wirklich sehenswert. Vor allem der Kräutergarten. Da gibt es nicht nur Küchenkräuter.«

      Frank zuckte mit den Schultern. »Kenne ich alles«, beschied er beiläufig und hoffte, seine Sitznachbarin würde ihn nun in Ruhe lassen.

      »Dann kommen Sie öfter her?«, wollte die wissen.

      »Hm, mit Gästen«, brummte Frank. Er hatte wirklich keine Lust auf ein Gespräch. Es war nicht leicht gewesen, sich einen Moment auszuklinken. Er hatte seinen erst kürzlich beim Joggen verstauchten Knöchel vorgeschützt.

      »Sind Sie verheiratet?« Die